# taz.de -- Öko-Wende in der Fischerei: Beifang kommt an Land | |
> Küstenfischer dürfen Beifang nicht mehr ins Meer zurückwerfen, um die | |
> tatsächlich gefangenen Fischmengen zu ermitteln. | |
Bild: Gute Zeiten: Krabbenfänger konnten die Erträge 2014 deutlich steigern. | |
HAMBURG taz | 2015 könnte das Jahr der Öko-Wende in der deutschen | |
Küstenfischerei werden. Das hoffen gleichermaßen | |
Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und der Fischereiverband. | |
Das gemeinsame Ziel heißt „selektive Fischerei“. | |
Wirtschaftlich legten die Kutterfischer im vergangenen Jahr Grundlagen. So | |
haben die besonders bei Touristen beliebten Krabbenfänger die Erträge in | |
der zweiten Jahreshälfte „deutlich steigern können“, sagt Peter Breckling | |
vom Verband der deutschen Kutter- und Küstenfischer in Hamburg. Nach | |
jahrelanger Fangflaute und Streiks gegen die holländischen Großabnehmer | |
lief es 2014 fast so gut wie im ersten Nachkrisenjahr. | |
Erneut wurden 14.000 Tonnen angelandet und die Erzeugerpreise lagen mit | |
durchschnittlich 3,11 Euro pro Kilo in Sichtweite des Allzeithochs. Auch | |
die Kutterfischer „auf Seelachs“ sind zufrieden: Aufgrund von | |
Quotenkürzungen mussten sie sich zwar mit 8.000 Tonnen begnügen – doch die | |
Erzeugerpreise verbesserten sich um acht Prozent, sodass sich „das Ergebnis | |
stabil zeigte“. Und der Kurs der Kabeljaufischer lief sogar „verbessert“. | |
Dagegen litten Schollenfischer unter Überfluss. Ein Phänomen, welches | |
Landwirten durchaus vertraut ist: Politische Regulierungen und natürliche | |
Veränderungen des Bestandes sorgten für üppige Fangmöglichkeiten – wodurch | |
die Preise für den Edelfisch abtauchten. Daher blieb ein Teil der Fangquote | |
von 6.000 Tonnen ungenutzt. | |
Unabhängig von den Unbilden der Natur und des Marktes wird dieses Jahr | |
spannend. Europäisches Parlament und EU-Rat sorgen für eine | |
„Anlandepflicht“: Der lästige Beifang an zu kleinen Fischen und | |
unverkäuflichen Sorten darf nicht mehr einfach ins Meer zurückgeworfen, | |
sondern muss an Land gebracht werden. | |
Damit will die Politik Klarheit über die tatsächlich gefangenen Mengen | |
schaffen und die Fischer zwingen, beispielsweise die Zahl der | |
Nachwuchs-Schollen zu reduzieren, die bei der Jagd auf die weit kostbarere | |
Seezunge ins Netz geraten. Die Jagd mit Schleppnetzen am Meeresboden gilt | |
als besonders heikel. | |
Die Beifangquote ist von Fisch- zu Fangart unterschiedlich und kann | |
zwischen fünf und 90 Prozent betragen. „Insgesamt“, ist Ralf Döring vom | |
Hamburger Institut für Seefischerei verhalten optimistisch, „ist es in den | |
vergangenen Jahren besser geworden.“ So habe beispielsweise eine kluge | |
Regulierung beim Kabeljau zur „erheblichen Reduzierung“ des Beifangs | |
geführt. | |
Doch besser heißt nicht gut genug. In der Nordsee beläuft sich der Rückwurf | |
auf schätzungsweise eine Million Tonnen jährlich bei zwei Millionen Tonnen | |
angelandetem Fisch. | |
Neues Ziel der Politik ist eine „selektive Fischerei“. In der Nordsee gilt | |
sie anders als in der Ostsee zunächst nur für „pelagische“ Fische, also | |
solche, die im offenen Meer leben; ab 2016 auch für Grundfische wie Scholle | |
und Seezunge. Dazu müssten nach Expertenmeinung die Fischer in neue | |
Fangtechniken investieren. Viele sträuben sich noch und verweisen auf hohe | |
Kosten. | |
Landwirtschaftsminister verweisen dagegen auf den für die Umrüstung bis | |
2020 üppig gefüllten Öko-Topf: den Europäischen Meeres- und Fischereifonds | |
EMFF. Und auch Karoline Schacht vom WWF in Hamburg betont die Chancen durch | |
die Anlandepflicht – für Fische und Fischer. | |
Schacht fordert „ein proaktives Engagement von den Fischern für eine | |
langfristige Lösung“. Noch sei Zeit für eine grüne Welle. Die Fördertöpfe | |
seien gut gefüllt. Unzufrieden sind Umweltschützer allerdings mit den | |
jüngsten Quotenbeschlüssen der EU-Minister. | |
Sie fielen hinter den Erwartungen in die neue Fischereipolitik der EU | |
zurück, die künftig auf den „höchstmöglichen Dauerertrag eines | |
Fischbestandes“ setzt. | |
Verbandschef Breckling versichert: „Die Stimmung in der Branche ist für das | |
kommende Jahr verhalten optimistisch.“ Die Quoten seien besser, die | |
Treibstoffpreise befördern die Ertragslage. Unsicher bleiben die | |
Erzeugerpreise. Eine Verknappung des Angebotes auf den Fischmärkten sei | |
nicht in Sicht. | |
18 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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