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# taz.de -- "Nachhaltiges Fischmangement" der EU: Revolution ohne Kontrolle
> Die EU-Kommission plant, den Fischfang radikal einzuschränken. Das
> Vorhaben kann aber am Widerstand der Mitgliedstaaten scheitern. Und an
> mangelnden Kontrollen.
Bild: Makrelen. Was noch ins Netz geht, der Beifang, soll in Zukunft besser beh…
HAMBURG taz | Maria Damanaki scheint es leid zu sein, alljährlich überhöhte
Fischfangquoten mit 27 Ländern auszuhandeln. Die EU-Kommissarin plant
geradewegs eine Revolution in der Fischereipolitik: Sie will den Fischfang
radikal einschränken.
Statt überhöhter Quoten sollen die Bestände vom Nordatlantik bis zum
Mittelmeer nachhaltig gemanagt werden. Am Mittwoch wird Damanaki die
Vorstellungen der EU-Kommission zur künftigen Fischereipolitik in Brüssel
vorstellen.
"Es ist Zeit für eine grundlegende Reform der Fischereiregeln", kündigte
Damanaki an. Es wird vor allem um zwei Punkte gehen. Die Fangmengen sollen
sich in Zukunft nach wissenschaftlichen Empfehlungen richten und für einen
längeren Zeitraum von mehreren Jahren festgelegt werden. Außerdem sollen
alle gefangenen Tiere auch angelandet werden. Bislang werden für die
Industrie zu kleine Fische oder unerwünschte Sorten als Beifang – meist tot
– wieder ins Meer geschmissen. Durch ein Verbot würde es sich für die
Fischer rechnen, diesen Beifang zu reduzieren. Technisch ist dies vielfach
schon möglich.
## Überfischt oder nicht überfischt?
Bei dieser revolutionären Reform werden unterschiedlichste Interessen und
Einschätzungen aufeinanderprallen. Die Umweltorganisation WWF erklärt 85
Prozent der weltweiten Fischbestände für "überfischt oder bis an ihre
Grenze genutzt". Endzeitstimmung also. Dagegen wendet die Fischindustrie
furchtlos ein, dass bis an die wirtschaftliche Grenze genutzt nicht
unbedingt den Bestand gefährde. So hält die Welternährungsorganisation FAO
lediglich 32 Prozent für "überfischt oder bereits erschöpft".
Gegen den "Fatalismus" in der Umweltszene wendet sich Matthias Keller vom
Fisch-Informationszentrum: "Bei Hering, Dorsch, Scholle und Schellfisch
sehen wir sehr positive Entwicklungen." So war der Dorsch zeitweise von den
Speisekarten verschwunden, nun werde er wieder verspeist. Klarheit ins
trübe Wasser der Statistiken bringt auch die Wissenschaft nicht.
## 400.000 europäische Arbeitsplätze hängen am Fisch
In der Fischereipolitik geht es zudem um Profite und Jobs in oft
strukturschwachen Regionen. Etwa 400.000 Arbeitsplätze hängen in Europa am
Fisch. Sie sollen nun teilweise abtauchen. EU-Pläne für den Herbst sehen
vor, die Zahl der Fischerboote zu halbieren. Der deutsche Fischfang hat
bereits einen subventionierten Schrumpfungsprozess hinter sich und erhofft
sich selbst neue Chancen. Leicht scheitern könnte daher die angekündigte
Nachhaltigkeitsrevolution am Widerstand der unterschiedlichsten
Lobbyorganisationen und Länder.
Und scheitern könnte sie auch an fehlenden Kontrollen. Seit dem Beginn der
EU-Fischereipolitik 1982 wurden die gemeinsamen Regeln von Land zu Land
unterschiedlich interpretiert und noch unterschiedlicher vollzogen. So
klagen die deutschen Ostseefischer über fehlende Kontrollen in Polen, und
in der Nordsee streikten bereits deutsche Krabbenfischer, um sich gegen
vermeintlich illegale Konkurrenz aus Holland zu wehren.
12 Jul 2011
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Fangquoten
Fischerei
EU
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