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# taz.de -- Deutsche Krabbenfischer in der Krise: Kutter per Kleinanzeige
> Mit einer spektakulären Verkaufsaktion protestieren die deutschen
> Krabbenfischer gegen Niedrigpreise und Händlermonopole. Dabei hilft ihnen
> nur Solidarität.
Bild: Zu verkaufen: Krabbenkutter auf dem Weg in die Westerems.
HAMBURG taz | Noch nie war es so einfach, Krabbenfischer zu werden. In der
jüngsten Ausgabe der Verbandszeitung Fischerblatt bieten gleich 49
Eigentümer ihre Kutter zum Verkauf an.
Damit protestieren die Fischer dagegen, dass die Großhändler sie zu
Niedrigstpreisen zwingen und die Regierungen nichts dagegen tun. Zurzeit
bekommen sie 1,30 bis 1,50 Euro für ein Kilo Krabben. Als auskömmlich gilt
ein doppelt so hoher Preis.
Mit dieser schlechten Bezahlung müssen Krabben-, Schollen- und andere
Küsten- und Flussfischer seit Langem leben. Zum einen macht den
Familienbetrieben die Konkurrenz der industriellen Großfischerei das Leben
schwer, zum anderen läuft der Handel über wenige Großhändler – nur zwei
niederländische Unternehmen beherrschen 90 Prozent des Markts. Obendrein
waren sich die Fischer untereinander auch nicht immer grün, was die
Gegenwehr erschwerte.
Erst in diesem Frühjahr begannen die Krabbenfischer, den Märkten zu
trotzen. Im März blieben sie tagelang im Hafen liegen, später einigten sie
sich mit niederländischen und dänischen Kollegen auf Fangbeschränkungen.
"Der Streik hat sich gelohnt", freute sich Krabbenfischer André Hamann im
Sommer. Zu Beginn des Ausstands hatte der Großhandel 1,57 Euro pro Kilo
gezahlt, im Spätsommer näherte sich der Preis der 3-Euro-Marke. Doch im
September brach die Front zusammen; viele deutsche und niederländische
Fischer fahren seither wieder voll auf eigene Rechnung raus.
Gerold Conradi, dem ersten Vorsitzenden der Erzeugergemeinschaft Kutter-
und Küstenfischer Emsmündung, gefällt das gar nicht. Er findet die
abtrünnigen Fischer "unfair gegenüber ihren Kollegen" – und warnt vor deren
Unmut. Manche seien nicht mehr weit davon entfernt, "körperliche Gewalt"
gegen egoistische Konkurrenten anzuwenden.
Mittlerweile ist der Krabben-Kampf im Bundestag angekommen. Cornelia Behm,
landwirtschaftspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, hält die
Bundesregierung in Hinblick auf die Bewältigung auch dieser Krise für
"weitgehend konzeptionslos".
## Kleiner Anstoß an die Politik
Die Bundesregierung wehrt sich und verweist auf Gespräche mit den
Niederlanden, wo demnächst eine Krabben-Konferenz mit Regierungsvertretern
auch aus Dänemark und Belgien stattfinden soll, zu der auch Wissenschaftler
und Fischer eingeladen sind.
Klar sei aber auch, sagt Peter Bleser, Staatssekretär im
Bundeslandwirtschaftsministerium, dass es keinerlei "Eingriffe in den
Wettbewerb" geben werde. Immerhin organisatorische Unterstützung kommt aus
den Fischereiministerien in Kiel und Hannover. Aber auch dort wiegelt man
ansonsten ab: "Der Schlüssel für die Lösung liegt bei den Fischern selbst."
Das scheinen diese nun ähnlich zu sehen. Die spektakulären
Kutter-Kleinanzeigen für die "Liekedeeler", "Paloma" und "Hindenburg" –
allesamt "noch in der Fischerei tätig" – seien "ein kleiner Anstoß an die
Politik", den Konkurrenzkampf zu regulieren, erklärt Hamann als Sprecher
der See- und Krabbenfischer an der deutschen Nordseeküste.
Doch viele Fischer wollten auch "wirklich ihren Kutter verkaufen". Eine
gemeinsame Vermarktungsorganisation sei nun geplant, man arbeite gerade an
der Satzung. "Das geht nicht von heute auf morgen." Noch sind die 220
Haupterwerbs-Krabbenfischerbetriebe in Deutschland in acht
Erzeugerorganisationen zersplittert. Der nächste Schritt könnte dann die
eigenständige Verarbeitung und eine Direktvermarktung als "grünes"
Edelprodukt aus der Region sein.
7 Nov 2011
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Fangquoten
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