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# taz.de -- Todeszonen in der Ostsee: Unterwasserwüsten auch an der Küste
> Nicht nur in der Tiefe der Ostsee ist Sauerstoff knapp. Jetzt kippen auch
> die Küstengebiete um. In den durch Überdüngung verursachten Todeszonen
> ist Leben kaum möglich.
Bild: Spätestens, wenn tote Fische an die Küste schwappen, ist der Spaß im B…
STOCKHOLM taz | Meeresgebiete gänzlich ohne Sauerstoff oder solche mit
saisonal erheblichem Sauerstoffmangel - das waren in der Ostsee bislang die
Regionen ab etwa 80 Meter Meerestiefe. Laut einer jetzt veröffentlichten
[1][Studie der Fakultät für Ökosystemwissenschaften der schwedischen
Universität Lund] nähern sich diese "Todeszonen" aber nun immer mehr den
Küsten.
Sauerstofffreie Gebiete oder solche mit chronischem Sauerstoffmangel gibt
es danach nun auch vermehrt in einer Tiefe von 10 bis 30 Metern. Daten, die
von Meeresforschungsinstituten in allen neun Ostseeanrainerstaaten
gesammelt wurden, zeigen mittlerweile 115 solcher Gebiete. Der
Schärengarten vor Stockholm und das südwestfinnische Schärengebiet gehören
dazu.
"Dass nun auch küstennahe Zonen betroffen sind, hat uns sehr verwundert",
sagt Daniel Conley, Geowissenschaftler aus Lund und Koordinator der Studie.
Der durchgängige Sauerstoffmangel, den man konstatiert habe, bedrohe alles
Leben in der Ostsee.
"Bei einem Sauerstoffgehalt von unter 2 Millilitern pro Liter Wasser
sterben die bodenlebenden Organismen ab. Und das beeinflusst auch die
Funktion der flacheren Gewässer als Brutraum für den Fischnachwuchs
negativ. Vor allem für den Kabeljau, der seine ersten Lebensjahre dort
verbringt", so Conley.
## Todeszonen auf Dauer
Nicht nur saisonale - meist im Spätsommer und Herbst -, sondern permanente
"Todeszonen" haben sich in der Ostsee seit den Sechzigerjahren alle 10
Jahre jeweils verdoppelt. 75.000 Quadratkilometer, etwa ein Fünftel der
"Kern"-Ostsee, zwischen Dänemark und den Åland-Inseln sind mittlerweile
betroffen.
Das Absterben von Bodenlebewesen hat dazu geführt, dass in den letzten fünf
Jahrzehnten 30 bis 50 Prozent der tierischen Biomasse in der Ostsee
verschwunden sind und nun 3 Millionen Tonnen dieser Bodenlebewesen auf der
Speisekarte der Fische fehlen.
Eine Entwicklung, die alle Anstrengungen, über verminderte Fischereiquoten
zur Erholung der Fischbestände beizutragen, zunichtemachen kann.
"Für ein gut funktionierendes Ökosystem brauchen wir Sauerstoff im
Bodenwasser", betont Conley: "Und dafür muss die Überdüngung der Ostsee
verhindert werden."
Neben den Abgasen des Auto- und Schiffsverkehrs und Einleitungen von
Industrien und Kläranlagen trage vor allem der aus der Landwirtschaft und
aus großen Tierfarmen gespeiste Nährstoffzufluss die Hauptschuld an dieser
Entwicklung.
## Stickstoff und Phosphate
Jährlich landen derzeit schätzungsweise über 1 Million Tonnen Stickstoff
und 50.000 Tonnen Phosphate in der Ostsee. In dem nahrungsreichen Wasser
gedeihen Algen und Bakterien. Sterben sie ab, sinken sie auf den
Meeresgrund und verbrauchen beim Zersetzungsprozess den Sauerstoff.
Die Stickstoff- und Phosphatzufuhr müsste um etwa die Hälfte verringert
werden, will man eine weitere Versteppung des Meeresbodens stoppen und der
Ostsee eine Chance zur Erholung geben.
Die neuen Daten über die weitere Ausbreitung sauerstofffreier Zonen
bekräftigten die Notwendigkeit einer drastischeren, schnelleren, vor allem
aber auch verbindlichen Verringerung dieser Einleitungen, sagt Conley:
"Wird das auf die lange Bank geschoben, wird sich der Zustand der Ostsee
schnell dramatisch weiter verschlechtern."
Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wurde dieser Tage getan. Ab
2018 dürfen Passagierschiffe die Ostsee nicht mehr wie bisher als
Kanalisation benutzen. Sie müssen ihr Toiletten- und übriges Abwasser an
Land entsorgen oder an Bord reinigen.
Vier Jahre brauchten die Ostseeanrainer und die internationale
Seefahrtorganisation IMO, um sich darüber einig zu werden - das gilt als
vergleichsweise rekordschnell.
25 Aug 2011
## LINKS
[1] http://pubs.acs.org/doi/suppl/10.1021/es201212r
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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