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# taz.de -- Mängel beim Meeresschutz in Nordsee: Keine Netze, null Nutzung
> Die EU kritisiert, dass Deutschland nicht genug tut, um Schutzgebiete in
> der Nordsee zu schonen. Grund- und Stellnetze sollen dort verboten
> werden.
Bild: Vielleicht bald in Nordsee-Schutzgebieten verboten: Schleppnetz.
Hamburg taz | Der Brief aus Brüssel ist unmissverständlich. Das Ende der
Fischerei mit Grund- und Stellnetzen in mehreren deutschen
Meeresschutzgebieten in der Nordsee fordert Hélène Clarke,
Generaldirektorin für Meeresangelegenheiten und Fischerei der
EU-Kommission.
Sie besteht in ihrem Brief an das für Fischerei zuständige
Bundeslandwirtschaftsminiterium, der der taz vorliegt, auf einen „complete
ban“. Zusätzliche Klärungen und Verbesserungen hinsichtlich der
vorgesehenen Schutzmaßnahmen – „additonal clarification and further
improvements on the conservation measures proposed“ – seien erforderlich,
schreibt sie an die Bundesregierung.
Die klare Haltung kommt bei den Grünen gut an: Das sei „ein wichtiger
Erfolg für den Meeresschutz“, kommentiert Steffi Lemke, die
naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Denn damit
werde „der Vorrang für Fischerei in Schutzgebieten“ abgeschafft. Konkret
beträfe das die Grund- und Stellnetzfischerei in den Schutzgebieten vor den
Nordseeinseln Sylt und Amrum. „Wir brauchen endlich Nullnutzungszonen in
Schutzgebieten“, sagt Lemke.
Im Februar hatten Deutschland und Dänemark der EU-Kommission einen
gemeinsamen Nutzungsplan für diese Areale vorgelegt. Danach solle es dort
weiterhin keine Beschränkungen der Schleppnetz- und Stellnetzfischerei
geben. Im Schutzgebiet Sylter Außenriff soll für die Fischerei ein breiter
Korridor geöffnet bleiben – entlang von Bodenstrukturen, die Umweltschützer
für besonders schützenswert halten.
## Vor der Fischerei eingeknickt
Stellnetze, die für den Rückgang der Schweinswalbestände verantwortlich
sind, werden in keinem der Schutzgebiete eingeschränkt. Damit werden
„verheerende Eingriffe in die empfindlichen Ökosysteme der Nordsee“
fortgesetzt, urteilte Lemke schon im Februar: „Das ist ein Einknicken vor
der dänischen Fischereiindustrie.“
Da aber macht Brüssel nicht mit, weil der deutsch-dänische Plan den
europäischen Schutzkriterien – definiert in den Richtlinien Natura-2000,
Flora-Fauna-Habitat und Vogelschutz – widerspricht. Berlin und Kopenhagen
müssen nun nachverhandeln, um einen wirksamen Schutz für Schweinswale und
Meeresvögel zu gewährleisten.
Auch wird die kleine Nullnutzungszone auf der Amrumbank, in der jede
menschliche Nutzung untersagt ist, wahrscheinlich deutlich vergrößert
werden müssen. „Es braucht endlich echte Rückzugsräume für Meerestiere in
der Nord- und auch Ostsee“, sagt Lemke.
Ende September 2017 hatte die damalige Umweltministerin Barbara Hendricks
(SPD) sechs Meeresgebiete in Nord- und Ostsee unter Naturschutz gestellt:
„Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff/Östliche Deu…
Bucht“ in der Nordsee sowie „Fehmarnbelt“, „Kadetrinne“ und „Pommer…
Bucht/Rönnebank“ in der Ostsee. Sie umfassen etwa 45 Prozent der deutschen
Meeresfläche.
Diese Schutzgebiete sollen vor allem besonders wertvolle Biotope wie Riffe
und Sandbänke schützen. Aber genau jene Habitate sind nach den
Erkenntnissen des Geomar-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung im Dezember
2018 von Grundschleppnetzen besonders betroffen. Die Intensität der
Schleppnetzfischerei sei dort „im Durchschnitt um 40 Prozent höher als
außerhalb der Schutzgebiete“.
Betroffen davon sind vor allem in ihrer Existenz nicht bedrohte
Speisefische wie Scholle und Steinbutt, aber auch Rochen, Haie und Dorsche.
Deren Populationsgrößen werden in den Zustandsberichten der Meere insgesamt
als schlecht bewertet.
## Das Ende des Schweinswals
Für die Ostsee-Schutzgebiete hatte die Bundesregierung Anfang des Jahres
einen Maßnahmenentwurf vorgelegt. Dieser sieht etwa eine weiträumige
Einschränkung der Schleppnetzfischerei vor. Für die Stellnetzfischerei
hingegen, die Jahr für Jahr nachweislich für den Tod Hunderter Schweinswale
und Tausender Seevögel verantwortlich ist, soll es keinerlei Beschränkungen
geben.
Das könnte das Ende für die vom Aussterben bedrohten Ostsee-Schweinswale
bedeuten, befürchtet Lemke. Für die Nordsee wurde zusammen mit Dänemark ein
Kompromiss vorgelegt, den Lemke schon damals als „faul“ bezeichnete.
Dieser Einschätzung hat sich die EU-Kommission nun angeschlossen. Noch in
diesem Herbst erwartet sie neue und substanzielle Konzepte zum Meeres-,
Natur- und Artenschutz in Schutzgebieten.
4 Aug 2019
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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