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# taz.de -- Proteste gegen Schleppnetzverbot: Wütende Krabbenfischer
> Die EU-Kommission will bestimmte Fangmethoden verbieten. Die Betroffenen
> fürchten um ihre Existenz und protestieren bei der
> Agrarministerkonferenz.
Bild: Fischer wollen sich nicht vorschreiben lassen, welche Netze sie auf ihren…
Hannover taz | Daran, dass sich vor ihrem Versammlungsort wütend tutende
Trecker versammeln, haben sich die Agrarminister vermutlich schon gewöhnt.
Dieses Mal kommt allerdings noch wütenderes Tuten von der Seeseite:
Dutzende Krabbenkutter haben sich auf den Weg zur Agrarministerkonferenz
nach Büsum gemacht. Sie kommen aus fast allen niedersächsischen
Krabbenhäfen, auch Kollegen aus den Niederlanden und Dänemark sollen sich
angeschlossen haben.
Der Grund: Sie [1][fürchten um ihre Existenz]. Der vor einem Monat
veröffentlichte „Aktionsplan zur Erhaltung der Fischereiressourcen und zum
Schutz der Meeresökosysteme“ der EU-Kommission fordert, ab dem Jahr 2030 in
Meeresschutzgebieten keine Grundschleppnetze mehr einzusetzen.
Für die deutschen Krabbenfischer käme das einem Berufsverbot gleich, sagt
etwa der Landesfischereiverband Weser-Ems. 70 Prozent der Fanggründe liegen
in den Nationalparks und Natura-2000-Schutzgebieten.
Zumindest bei den Agrarministern der betroffenen Nordländer
Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen rennen die
Fischer mit ihrem Protest längst offene Türen ein. Selbst
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ließ schon verlauten,
dass ihm das pauschale [2][Verbot von Grundschleppnetzen] zu weit gehe.
## Schleppnetze sind umstritten
Das wiederum kritisieren Umweltverbände wie WWF und Nabu. „Jetzt rächen
sich die Jahre der Tatenlosigkeit. Wie beim Klimaschutz braucht es nun
drastische Maßnahmen“, erklärte etwa Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger …
einer Mitteilung. Die Kritik der Verbände ist seit Langem, dass die
Grundschleppnetze nicht nur unerwünschten Beifang einsammeln, sondern auch
wertvolle Brut- und Laichgründe, Riffe, Seegraswiesen, Muschelbänke und
klimarelevante Schlickgründe zerstören.
Aus Sicht der Fischer ist das unfair, sie haben in den vergangenen Jahren –
vor allem rund um die MSC-Zertifizierung für nachhaltige Fischerei Ende
2017 – in Methoden zur Reduktion des unerwünschten Beifangs investiert.
Außerdem glauben sie, dass ihre Fangmethode (in der Nord- und Ostsee wird
überwiegend mit beutelartigen Baumkurren gefischt) den Meeresboden weit
weniger aufwühlt als die mit schweren Ketten versehenen Grundschleppnetze,
die früher im Einsatz waren.
Hinderlich für zukunftsweisende Investitionen ist allerdings die Struktur
der deutschen Krabben- und Muschelfischerei. Es handelt sich meist um
Familienbetriebe, die sich wegen magerer Fangjahre, der eingeschränkten
Verarbeitungsmöglichkeiten in den Coronajahren [3][und der gestiegenen
Dieselpreise] ohnehin unter erheblichem wirtschaftlichen Druck sehen und
kaum noch Reserven haben. Außerdem schränken Windparks, Kabeltrassen und
LNG-Terminals die Fanggebiete zusehends ein.
Wie schädlich genau die intensive Befischung für den Meeresboden in Nord-
und Ostsee ist, soll ein umfangreiches Forschungsprojekt im Auftrag des
Bundesforschungsministeriums klären – das geht allerdings davon aus, dass
die Grundschleppnetze zumindest in Teilgebieten verboten werden.
## Möglicher Kompromiss ist noch unklar
Aus Konsumentensicht gibt es bei Krabben und Garnelen ohnehin selten eine
gute Wahl: Abgesehen von den geringen Mengen, die von nostalgisch
gestimmten Touristen direkt am Hafen gepult werden, wird immer noch der
größte Teil der Nordseekrabben per Lkw zum Pulen nach Marokko geschafft.
Auch wenn das Land Niedersachsen gerade ein hoffnungsvolles
Innovationsprojekt sponsert, um dies zu ändern. Ein Großteil der in
Deutschland verzehrten Garnelen kommt allerdings [4][aus Aquakulturen in
Asien und Südamerika], die ökologisch ebenfalls oft höchst bedenklich sind.
Die große Frage bleibt, wie ein möglicher Kompromiss aussehen könnte. Erste
Stellungnahmen der norddeutschen Agrarminister deuten darauf hin, dass man
auf eine differenziertere Betrachtung von Fangmethoden oder einzelnen
Gebieten drängen wird. [5][Auf EU-Ebene ist der Aktionsplan] ebenfalls in
der Diskussion, eine Verabschiedung könnte frühestens im Sommer erfolgen.
23 Mar 2023
## LINKS
[1] /EU-Verbot-von-Schleppnetzen/!5923802
[2] /Daenemark-weitet-Schleppnetzverbot-aus/!5886369
[3] /Sanktionen-auf-russisches-Benzin/!5913545
[4] /Problematische-Aquakulturen/!5774061
[5] /Maengel-beim-Meeresschutz-in-Nordsee/!5610804
## AUTOREN
Nadine Conti
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