| # taz.de -- Krabbenfischerei in der Nordsee: Netze streicheln Meeresboden bloß | |
| > Die Krabbenfischerei wirkt sich nach einer Untersuchung des | |
| > Thünen-Instituts nur schwach auf die Umwelt aus. Umweltverbände | |
| > kritisieren Methodik. | |
| Bild: Angeblich halb so wild: Krabbenfischerei | |
| Hamburg taz | Das [1][Thünen-Institut für Seefischerei] hat die Ergebnisse | |
| einer Studie zur Krabbenfischerei im Wattenmeer vorgestellt: Demnach | |
| schädigt die Fischerei mit ihren Grundschleppnetzen den Lebensraum weniger | |
| stark als erwartet. Die Umweltschutzverbände WWF und Nabu kritisieren die | |
| Studie für methodische Schwächen. Angesichts der Debatte über ein | |
| [2][EU-Verbot von Grundschleppnetzen] warnen sie davor, die Zukunft der | |
| Krabbenfischerei an der Studie auszurichten. | |
| Vier Jahre lang hat das Thünen-Institut am Projekt Cranimpact geforscht. | |
| Dabei wurde es von Forscher*innen der Universität Hamburg, der Technical | |
| University of Denmark und dem Alfred-Wegener-Institut sowie | |
| Krabbenfischer*innen unterstützt. Die EU sowie die Länder | |
| Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben das Projekt mit 1,4 Millionen | |
| Euro gefördert. | |
| Die Krabbenfischerei steht seit Jahren wegen ihrer Fangmethode in der | |
| Kritik: Mit ihren Grundschleppnetzen schleift sie Scherbretter, sogenannte | |
| Baumkurren, auf Rollen über den Meeresboden und zerstört dabei diesen | |
| Lebensraum. Zudem gingen große Mengen an Beifang in die Netze – Fische und | |
| Meerestiere, die dort gar nicht landen sollten. | |
| Laut dem Thünen-Institut ist diese Kritik jedoch zu pauschal: „Jeder | |
| Lebensraumtyp ist in seiner regionalen Ausprägung so einzigartig, dass für | |
| eine genaue Bewertung die spezielle Kombination aus Lebensraum, | |
| assoziiertem Ökosystem und Fanggerät untersucht werden muss“, so die | |
| Forschungseinrichtung über ihre Studie. Neben kurzfristigen Effekten der | |
| Baumkurren erforschte die Studie auch die chronischen Veränderungen, die | |
| durch anhaltenden Fischereidruck entstehen. | |
| ## Schnelle Regeneration | |
| Die Forscher*innen kommen zu dem Ergebnis, dass die Krabbenfischerei | |
| zwar einen Einfluss auf die Lebewesen am Meeresgrund hat – aber dieser | |
| geringer ist als der Einfluss, den die Zusammensetzung des Sediments hat. | |
| Diese Beobachtung gelte zumindest für die 90 Prozent des tieferen | |
| Wattbodens, die aus mittelgrobem und feinem Sand bestehen. Die Tier- und | |
| Pflanzenpopulation habe sich in der Regel innerhalb von maximal 20 Tagen | |
| von der Störung durch die Befischung erholt. | |
| Zudem haben die Wissenschaftler*innen verschieden stark befischte | |
| Gebiete im deutschen Wattenmeer mit einem Gebiet im dänischen Wattenmeer | |
| verglichen, für das seit über 40 Jahren ein Fischereiverbot gilt: Dabei | |
| konnten sie zwar Unterschiede zwischen den Gebieten feststellen, für die | |
| die Fischerei jedoch nur zu knapp neun Prozent verantwortlich sein soll. | |
| Der Umweltschutzorganisation WWF zufolge sind die Studienergebnisse nicht | |
| ausreichend, um den Einfluss der Krabbenfischerei auf den Meeresboden zu | |
| bewerten. „Es fehlt vor allem ein belastbarer Vergleich mit tatsächlich | |
| unbefischten, natürlichen Prielsystemen; die existieren in Deutschland auch | |
| längst nicht mehr, weil alles befischt wird“, sagt Stella Nemecky, | |
| Fischereiexpertin des WWF Deutschland. Die Vergleichsdaten aus Dänemark | |
| stammten alle aus ein und demselben Priel. Die Ergebnisse seien deshalb | |
| statistisch nicht belastbar. | |
| Auch der Naturschutzbund Nabu kritisiert die Studie in einer Mitteilung: | |
| „Der Einfluss auf bedrohte Arten und Lebensräume wurde methodisch kaum | |
| erfasst, stattdessen zumeist nur häufige Allerweltsarten betrachtet, die | |
| sich naturgemäß besser anpassen können.“ | |
| Die Studie interveniert in die Debatte um Krabbenfischerei, die mit | |
| Erscheinen des „Aktionsplans zum Schutz und zur Wiederherstellung von | |
| Meeresökosystemen für eine [3][nachhaltige und widerstandsfähige | |
| Fischere]i“ der EU-Kommission Ende Februar entfacht wurde. Darin enthalten | |
| ist ein Komplettverbot von Grundschleppnetzen. Damit will die EU-Kommission | |
| den Anteil der geschützten EU-Meere bis 2030 von zwölf auf 30 Prozent | |
| erhöhen. | |
| Der Verband der Kutter- und Küstenfischer hatte den EU-Aktionsplan | |
| kritisiert: „Für die Fischerei werden damit schlimmste Befürchtungen wahr. | |
| Für viele kleine handwerkliche Familienbetriebe in der Krabbenfischerei an | |
| der Nordseeküste würde dies das Aus bedeuten.“ | |
| Die Agrarminister*innen der Länder und des Bundes sagten der Fischerei | |
| zu, sich auf EU-Ebene für ihre Belange einzusetzen. [4][Dazu sei die | |
| Thünen-Studie eine gute Grundlage]: Sie werde helfen, „für einen fairen | |
| Interessenausgleich zwischen Schutzerfordernissen auf der einen und | |
| Nutzungsinteressen auf der anderen Seite zu sorgen“, sagte der | |
| schleswig-holsteinische Fischereiminister Werner Schwarz (CDU). | |
| 30 Apr 2023 | |
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| [1] /Fischfang-in-der-Ostsee/!5860698 | |
| [2] /Proteste-gegen-Schleppnetzverbot/!5923871 | |
| [3] /EU-Verbot-von-Schleppnetzen/!5923802 | |
| [4] https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/seefischerei/projekte/auswirkungen-… | |
| ## AUTOREN | |
| Nina Nevermann | |
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