# taz.de -- Formular zur Selbstauskunft von Mietern: Unzulässige Herkunftsfrage | |
> Eine Hamburger Immobilien-Firma fragte Mietinteressent*innen nach ihrer | |
> Nationalität und dem Herkunftsland. Die Gesetzeslage erlaubt das nicht. | |
Bild: Sorgte für Irritationen: Fragebogen der Firma Plus Immobilien | |
Hamburg taz | „Es macht für mich den Anschein, als ob Plus Immobilien | |
Menschen mit Migrationshintergrund aussortieren will.“ Diesen Verdacht | |
äußerte Medine Doğanay in einem Brief an die taz. Anlass ihrer Kritik ist | |
ein Formular, das die Hamburger Immobilienfirma ihrer Schwester vorgelegt | |
hat. Die ist momentan in Hamburg auf Wohnungssuche und stolperte bei der | |
Durchsicht des Papiers über zwei Fragen: Sie soll Auskunft über ihre | |
„jetzige Nationalität“ und das „ursprüngliche Herkunftsland“ geben. M… | |
Doğanay findet das mehr als bedenklich: „Da fragt man sich echt, wozu diese | |
Informationen dem Vermieter dienen soll“, schreibt sie. Sie und ihre | |
Schwester sind Deutsche mit türkischen Wurzeln. | |
Bei dem Formular handelt es sich um den „Fragebogen für Mietinteressenten“. | |
Mit einem solchen Selbstauskunftspapier würden normalerweise „Fragen zur | |
Solvenz, Haushaltsgröße oder den möglichen Haustieren“ abgefragt, erklärt | |
Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein zu Hamburg. Die von der Plus Immobilien | |
geforderten Informationen seien „keine, auf die der Vermieter im Rahmen | |
einer Vermietung angewiesen ist“. | |
Mehr noch: Ein Formular zur Selbstauskunft darf keine Fragen zu | |
Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit enthalten, da sie nicht im | |
Zusammenhang mit dem Mietverhältnis stehen. Hier gilt die | |
[1][Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)], die die „Verarbeitung | |
personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft (…) | |
hervorgehen, untersagt“. | |
„Vielleicht schickt die Immobilien Plus einen Selbstauskunftsbogen heraus, | |
der seit Jahr und Tag nicht verändert wurde“, kann sich Peter-Georg Wagner | |
vorstellen. Er ist Sprecher des Immobilienverbands Nord in Hamburg und | |
hofft auf ein Versehen. „Sonst könnte ich es mir nicht erklären. Es ist | |
einfach nicht zulässig.“ Dabei bittet die Plus Immobilien ausdrücklich um | |
Verständnis für seine Fragen: „Sie dienen Ihnen und uns zur Vorbereitung | |
eines angenehmen Mietverhältnisses.“ | |
## Immobilienfirma spricht von „Versehen“ | |
Die Abfrage der jetzigen Nationalität und des ursprünglichen Herkunftslands | |
ließe sich aus Sicht der Immobilienfirma sogar verstehen, meint Sylvia | |
Sonnemann vom Verein Mieter helfen Mietern: „In der Wohnungswirtschaft wird | |
oft gesagt, dass es eine gute soziale Durchmischung geben soll.“ Für sie | |
sei in diesem Kontext jedoch die Frage zentral, ob der Inhalt des | |
Auskunftsbogens diskriminierend ist. Laut dem [2][Allgemeinen | |
Gleichbehandlungsgesetz (AGG)] sei die „Benachteiligung aus Gründen der | |
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft“ nämlich „unzulässig“. Dass die | |
Plus Immobilien falsch gehandelt hat, liegt für Sonnemann demnach auf der | |
Hand: „Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Sachbearbeiter*innen der | |
Immobilienfirmen denken zu wissen, wer und was zueinander passt. Das ist | |
aber ein willkürlicher Ansatz.“ | |
Nach Tagen meldet sich auch Andreas Newiger, Geschäftsführer von Plus | |
Immobilien bei der taz zurück. „Wir halten uns an die DSGVO“, sagt er. Und | |
er schickt einen Fragebogen für Mietinteressierte. Von Formulierungen wie | |
„Jetzige Nationalität“ und „ursprüngliches Herkunftsland“ keine Spur. | |
Dass dies aber nicht immer der Fall ist, zeigt das aktuelle Beispiel des | |
von Medine Doğanay kritisierten Fragebogens. Ihn hat Newiger auch von der | |
taz zur Einsicht bekommen. „Da hat eine Mitarbeiterin aus Versehen einen | |
uralten Bewerberbogen eingescannt“, so seine Antwort. Dieser sei „damals | |
noch legitim“ gewesen, finde heute aber definitiv keine Anwendung mehr, | |
sagt Newiger, und benennt sogleich Konsequenzen: „Die Mitarbeiterin hat | |
eine Abmahnung erhalten und sich für Ihren Fehler entschuldigt.“ | |
Fakt ist, dass laut AGG Formulierungen wie „Jetzige Nationalität“ und | |
„ursprüngliches Herkunftsland“ seit 2005 verboten sind. Auf die Frage, wann | |
ihm der Fehler seiner Mitarbeiterin aufgefallen sei, antwortet Newiger | |
ausweichend: „Ich habe keine Zeit, mit Ihnen darüber zu sprechen. Rufen Sie | |
lieber die Auskunft an.“ | |
10 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://dsgvo-gesetz.de/art-9-dsgvo/ | |
[2] http://www.gesetze-im-internet.de/agg/__19.html | |
## AUTOREN | |
Pascal Patrick Pfaff | |
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