# taz.de -- Question & Answer zu Corona-Impfstoff: Warum dauert das so lang? | |
> Die Welt sitzt auf glühenden Kohlen. Antworten auf die wichtigsten Fragen | |
> rund um einen künftigen Schutz vor Sars-Cov-2. | |
Bild: Wann kommt der erste Impfstoff gegen den Coronavirus? | |
Wann kommt der heiß ersehnte Impfstoff? | |
Es ist die Eine-Million-Dollar-Frage im Kampf gegen das Coronavirus. Doch | |
statt Antworten gibt es bislang nur Prognosen. Die | |
Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet frühestens im Frühjahr 2021 mit | |
der Zulassung eines oder mehrerer Impfstoffe; andere Experten halten dies | |
dagegen bereits Ende 2020 für möglich. Die US-Firma Novavax etwa testet | |
derzeit einen Kandidaten in Australien an ersten Freiwilligen und erklärte, | |
dass sie im Erfolgsfall hofft, noch in diesem Jahr 100 Millionen Dosen zu | |
produzieren – und im nächsten Jahr bereits 1,5 Milliarden. Auch eine | |
Forschergruppe um [1][Andrew Pollard] von der Universität Oxford rechnet | |
noch vor Jahresende mit Ergebnissen, die eine Impfung in größerem Umfang | |
zulassen könnten. | |
Warum dauert es so lange? | |
Eigentlich dauert es gar nicht lange. Bis vor wenigen Jahren brauchten | |
Wissenschaftler in der Regel von der Virusanalyse bis zur Zulassung des | |
Impfstoffs 15 bis 20 Jahre. Seit einigen Jahren ermöglichen neue | |
Technologien und das Wissen aus Impfstoffprojekten gegen verwandte Viren | |
eine rasante Beschleunigung der Entwicklungszeit. Sollte es gelingen, | |
binnen einem Jahr oder eineinhalb Jahren einen wirksamen Impfstoff gegen | |
Sars-Cov-2 zu entwickeln, wäre dies ein riesiger Fortschritt. | |
Aber dass es irgendwann einen Impfstoff geben wird, ist sicher? | |
Leider nicht. Der Chef der internationalen Impfallianz Gavi, Seth Berkley, | |
hat neulich in einem [2][Interview] mit der Schweizer Zeitung NZZ am | |
Sonntag darauf hingewiesen, dass man mit Glück in diesem Herbst Hinweise | |
haben werde, welcher der Impfstoffkandidaten überhaupt wirksam sei. Es | |
könne aber auch sein, dass am Ende gar keiner funktioniere. Andererseits | |
unterscheiden sich die Impfstoffkandidaten, die derzeit in der Erprobung | |
sind mitunter erheblich in ihrer Wirkungsweise und Technologie bei der | |
Herstellung. Damit erhöht sich die Chance, dass am Ende wenigstens eine | |
Methode erfolgreich ist und auf den Markt kommen kann. | |
Wird es einen Impfstoff geben, der für jeden und jede geeignet ist? | |
Auch dies ist unklar. Impfstoffexperten halten es für möglich, dass einige | |
Impfstoffe für ältere und andere für jüngere Menschen besser funktionieren | |
werden. | |
Wer wird zuerst geimpft? | |
Es ist davon auszugehen, dass ein erfolgreich entwickelter Impfstoff nicht | |
unverzüglich in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um die | |
gesamte Weltbevölkerung zu versorgen. Denkbar wäre, dass zunächst das | |
Gesundheitspersonal geimpft wird sowie andere Menschen, die aufgrund ihrer | |
beruflichen Tätigkeit einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind oder | |
denen wegen etwaiger Vorerkrankungen besonders schwere Krankheitsverläufe | |
prognostiziert werden. | |
Wie kann eine gerechte Impfstoffverteilung gelingen? | |
Um zu verhindern, dass sich beispielsweise reiche Länder mit Impfstoff | |
bevorraten, während ärmere leer ausgehen, haben die 194 Mitglieder der WHO | |
Mitte Mai in einer Resolution einen „weltweiten, zeitnahen und gerechten | |
Zugang und ebensolche Verteilung“ von Impfstoffen und Medikamenten gegen | |
die Krankheit Covid-19 gefordert. Entsprechende Patent-Regeln etwa könnten | |
die Produktion beziehungsweise die Verfügbarkeit eines Impfstoffs auch in | |
ärmeren Ländern ermöglichen. | |
Wer forscht? | |
Nach Angaben der WHO sind weltweit seit Jahresbeginn mindestens 124 | |
Impfstoffprojekte unterschiedlichster Unternehmen und Institute angelaufen. | |
Rund ein Dutzend experimenteller Impfstoffe ist derzeit bereits in den | |
frühen Testphasen an Menschen – die meisten in China (etwa Wuhan Institute | |
of Biological Products oder Sinovac Biotech), den USA (etwa Moderna oder | |
Inovio) und Europa (etwa Oxford University oder BioNTech/Pfizer/Fosun | |
Pharma). Mindestens acht weitere Kandidaten sollen voraussichtlich ab Juni | |
erstmals an Menschen getestet werden. Chinesische Forscher des Beijing | |
Institute of Biotechnology, deren Kandidat als einer von zweien bereits die | |
Phase II erreicht hat, schrieben zudem Mitte Mai im Journal [3][The | |
Lancet], dass der von ihnen entwickelte Impfstoffkandidat Ad5-nCoV sich in | |
der ersten Versuchsphase nicht nur als sicher und gut verträglich erwiesen | |
habe, sondern auch eine Immunabwehrreaktion im menschlichen Körper | |
hervorgerufen habe. Ob diese Reaktion auch eine Virusinfektion verhindere, | |
sei indes noch zu erforschen. | |
Welche Stadien muss ein Impfstoff bis zur Zulassung durchlaufen? | |
Generell gilt: Erst nachdem das Virus analysiert und geeignete Bestandteile | |
des künftigen Impfstoffs identifiziert wurden, kann der Impfstoff auf | |
Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet werden – zunächst nur an Tieren. | |
Danach kommen klinische Studien an freiwillig teilnehmenden Menschen, die | |
sich in mehreren Phasen und unterschiedlichen Probandengruppen über Monate | |
hinziehen, anschließend die Zulassung und schließlich die Produktion. | |
Wie funktionieren die einzelnen Impfstoffe? | |
Die meisten Impfstoffe, die derzeit erprobt werden, zielen darauf ab, das | |
Immunsystem darauf zu trainieren, das sogenannte Spike-Protein zu erkennen, | |
das auf der äußeren Oberfläche des Coronavirus sitzt. Der Körper soll so | |
vorbereitet werden, dass er reagiert, wenn er dem echten Virus ausgesetzt | |
ist. Manche Impfstoffkandidaten werden nur mit Hilfe des genetischen Codes | |
für dieses Protein hergestellt, andere verwenden ein harmloses Virus, um | |
die proteinproduzierende Information zu liefern. Daneben gibt es | |
Kandidaten, die aus dem toten Virus hergestellt werden. | |
Wo sollen die Impfstoffe produziert werden? | |
Die Vielfältigkeit der Technologien ist begrüßenswert, bedeutet aber | |
zugleich, dass ein Impfstoff nur in für ihn geeigneten Produktionsstätten | |
hergestellt werden kann. Insbesondere die Verfügbarkeit von Abfüllanlagen | |
gilt als entscheidendes Kriterium dafür, ob Firmen in der Lage sein werden, | |
in kurzer Zeit viel Impfstoff herzustellen. Die Bundesforschungsministerin | |
Anja Karliczek (CDU) hat deswegen angekündigt, dass die Bundesregierung den | |
Ausbau von Abfüllanlagen in Deutschland finanziell fördern wird. Auch die | |
Gates-Stiftung will den Aufbau von Produktionsanlagen mit | |
milliardenschwerer Unterstützung mitzufinanzieren. | |
Wie viele Impfstoffdosen könnte es pro Jahr geben? | |
Die Zielmarke von Firmen wie Janssen, Sanofi, GSK und Moderna ist eine | |
Milliarde Impfdosen, möglichst jährlich. Das Tübinger Unternehmen CureVac | |
hat unterdessen erklärt, schon mit den jetzt vorhandenen Produktionsanlagen | |
mehrere hundert Millionen Dosen pro Jahr produzieren zu können. | |
Wer bezahlt das alles? | |
Mehrere Impfstoffprojekte werden von der 2017 als Konsequenz aus der | |
Ebola-Epidemie in Westafrika gegründeten Impfstoffallianz Coalition for | |
Epidemic Preparedness Innovations ([4][CEPI]), einem sogenannten Product | |
Development Partnership (PDP), finanziell unterstützt. PDP sind | |
Zusammenschlüsse, die gemeinsame Vorhaben von Stiftungen, Regierungs- und | |
Hilfsorganisationen, Forschungsinstituten und Unternehmen organisieren. Die | |
von den Geldgebern (im Fall von CEPI sind dies unter anderem Norwegen, | |
Deutschland, Japan, Kanada, Australien, die Gates-Stiftung und der Wellcome | |
Trust) zur Verfügung gestellten Mittel werden häufig als Zuschüsse an | |
Firmen oder Forschungseinrichtungen vergeben. Weitere finanzielle | |
Unterstützung stammt von der EU-Kommission, den USA, Kanada und Australien. | |
1 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.theguardian.com/science/audio/2020/may/13/covid-19-do-we-need-m… | |
[2] https://nzzas.nzz.ch/wirtschaft/corona-impfstoff-wir-arbeiten-an-einer-vern… | |
[3] https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31208-3/… | |
[4] https://www.bmz.de/de/ministerium/wege/multilaterale_ez/akteure/wio/GAVI_Al… | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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