# taz.de -- Proteste gegen Corona-Regeln: Wie man Nazis auf Abstand hält | |
> In Frankfurt hat am Wochenende erstmals ein breites Bündnis gegen die | |
> „Hygienedemos“ mobilisiert. Der Protest war bunt und vielfältig. | |
Bild: Kreativer Protest gegen „Hygienedemos“ geht auch vom Balkon | |
Frankfurt taz | Noch bevor die ersten Ufos auf dem Römerberg landen oder | |
[1][Verschwörungsfans] ihre Computer verlassen können, erlebten sie in | |
Frankfurt eine empfindliche Niederlage. Ein breites Bündnis hat sich gegen | |
die „Hygienedemos“ gestellt. Doch wie funktionieren eigentlich | |
Nazi-Blockaden mit Abstand? Und was haben die Gegenproteste vom Samstag | |
bewirkt? | |
Insgesamt 14 Kundgebungen sind laut Ordnungsamt angemeldet, davon aber nur | |
zwei, die die Gefahr des Corona-Virus infrage stellen. Ein Teil der | |
Strategie ist es, Verschwörungsideologien im wahrsten Sinne des Wortes kaum | |
einen Platz in der Stadt zu überlassen. Überall sind Kundgebungen von | |
Fridays For Future, Parteien wie der DKP, der Linken und ÖkoLinX, der | |
Jugendgruppe SDAJ, Migrantifa Hessen, der Vereinigung der Verfolgten des | |
Naziregimes (VVN-BDA), Solidarisch Unaufgefordert Queer und vielen | |
weiteren. Diese Vielfalt kommt schon in den Tagen zuvor bei vielen gut an. | |
Ab 13 Uhr finden sich die ersten Linken an der Hauptwache ein. Sie setzen | |
die Auflage der Polizei, sich mit Mund-Nasen-Schutz zu vermummen, | |
bereitwillig um. „Es ist ganz klar unser Anspruch, die Corona-Maßnahmen | |
einzuhalten“, betont Magda Nussbaum, die ihren Klarnamen nicht in der | |
Zeitung lesen will, von der neuen Antifa-Initiative „Aufklärung statt | |
Verschwörungsideologien“. Doch der Abstand, den Kreuze auf dem Asphalt | |
markieren, lässt sich schon nach kurzer Zeit nicht mehr einhalten, so voll | |
ist es. | |
Die Polizei scheint das nicht zu stören. Sie schätzt, dass an der Alten | |
Oper, am Goetheplatz und an der Hauptwache rund 1500 Personen | |
demonstrieren, doch verlässliche Zahlen wird es von diesem Tag wohl nicht | |
geben. Immer wieder schleichen Verwirrte und Rechte in die Menge der | |
Linken. „Ihr seid auf der falschen Party“ rufen Antifas einem Mann im | |
Militär-Outfit zu und bauen sich – mit Abstand – vor ihm auf. Das scheint | |
nichts zu bewirken. Der Militär-Mann kommt jetzt erst so richtig in Fahrt. | |
Irgendwann schleppen Polizisten ihn weg. | |
Dynamisch bleiben als Gebot der Stunde | |
Ein Polizeisprecher beschreibt die Lage auf Nachfrage als friedlich, aber | |
„sehr dynamisch“. Ebenso gut könnte man von absolutem Chaos sprechen. Für | |
die Antifaschist*innen ist das ein Vorteil. Sie haken sich nicht wie sonst | |
statisch beieinander unter, sondern fließen in Kleingruppen von Ort zu Ort. | |
Am Roßmarkt bleiben einige dann länger stehen. Hier befinden sich Neonazis | |
auf einer Kundgebung, die mit Hajo Köhn ein ehemaliger Occupy-Aktivist | |
angemeldet hat. | |
Einer zeigt den Hitlergruß, ein anderer trägt eine Kappe mit den Ziffern | |
„13“, die auf den neonazistischen „Aryan Circle“ hindeuten. Ein weiterer | |
einen Davidstern mit dem Wort „ungeimpft“ auf dem rechten Arm. Ungefähr | |
zehn Meter entfernt spannen Antifas plötzlich mehrere Banner mit | |
Aufschriften wie „Wer mit Nazis marschiert, hat nichts kapiert“ und rufen | |
die üblichen Parolen. | |
Sofort zieht eine Polizeikette dazwischen, dann noch eine. Anderen gelingt | |
es derweil, mit einem Transparent von „Aufstehen gegen Rassismus“ auf die | |
Statue zu klettern, von der aus die Redner*innen Lügen, Hass und | |
Verschwörungswahn verbreiten. | |
Wie wirkt all das auf Unbeteiligte? Die 20-jährige Gizem findet die | |
Transparente „gut“. Sie hätte sich allerdings über einen Flyer gefreut, a… | |
dem steht, was die Gegenproteste selbst erreichen wollen. Ann-Christin und | |
ihre Mutter, die nur zufällig vorbeikommen, nennen die Gegenproteste | |
„unnötig“. Schließlich sei doch längst allen klar, „was das für Spinn… | |
sind“. | |
Dieser Weg wird kein leichter sein… | |
Ein paar Schritte weiter tanzt und trommelt die Gruppe Rhythms of | |
Resistance vergnügt um einen Mann mit „Gib Gates keine Chance“-Hut herum. | |
Der lacht und tanzt mit, sein Schild sieht man kaum noch. Nicht alle nehmen | |
die Kritik so hin. Eine der Trommlerinnen schildert, dass sie nahe des | |
Goetheplatz von rechten Frauen angegriffen worden sei. | |
Ihr sei zum Glück nichts passiert, durch den Tumult sei sie sogar näher an | |
die Pegida-Aktivistin Heidi Mund herangekommen und habe deren Hetze noch | |
besser mit Getrommel übertönen können. Mund konnte sich zwar teilweise | |
bewegen, doch wurde dabei immer doppelt abgeschirmt: innen von der Polizei, | |
außen von Linken. | |
Die vielen Gegenproteste störten sie nicht, sagt eine der Rechten. „Aber | |
ich hätte mir mehr Distanz durch die Polizei gewünscht“. Das verwirrt nun | |
selbst die Reporterin. Kritisiert die Frau ohne Mundschutz gerade, dass die | |
Polizei die Abstandsregeln nicht einhält? Dann stellt sich heraus, dass sie | |
sich mehr Abstand zwischen den beiden Protest-Lagern gewünscht hätte. Sie | |
ist nur schwer zu verstehen, da einer ihrer Begleiter ständig „Lügenpresse�… | |
dazwischenruft. Jedenfalls hätten die Linken zu viel Lärm gemacht, schimpft | |
sie. Auch ihr Mann Lothar nennt das „unredlich“. | |
„Die waren schon sehr mächtig“, resümiert ein Mann mit gelber Sonnenbrill… | |
Sein Kumpel bezeichnet die Antifa als „SA“. Wird er wieder kommen? „Ich | |
werde mich diesen Leuten nicht mehr aussetzen“, behauptet er. | |
Linke und Polizei zufrieden | |
Derartige Aussagen und den Tag insgesamt verbuchen Antifaschist*innen als | |
Etappensieg. Ein heimlicher Höhepunkt ist für viele der Moment, als | |
Pegida-Frau Mund das Megafon geklaut wird. Eine andere Strategie wählt der | |
Grüne Ortsbeirat Jörg Harraschain. Er nimmt das Antifa-Motto „Aufklärung | |
statt Verschwörungsideologien“ wörtlich und spricht mit der Gegenseite. | |
Darunter ist eine Frau, auf deren Plakat „Freiheit für die Gefangenen in | |
den Altenheimen“ steht. „Die Schwierigkeit ist, mit denen noch eine | |
gemeinsame Ebene zu finden“, bemerkt er danach. Er wirkt erschöpft. „Aber | |
steter Tropfen höhlt den Stein und vielleicht wird das ein oder andere | |
meiner Argumente ihnen zu denken geben“, zeigt sich der 77-Jährige | |
zufrieden. | |
Dass von vielen der „kontroverse, aber friedliche Dialog“ gesucht wurde, | |
erfreut laut Twitter auch die Polizei. Sie hatte vorab versprochen: „Die | |
Polizei betont, dass die Teilnahme an Versammlungen oder Demonstrationen | |
ein [2][Grundrecht] darstellt.“ Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, | |
galt in Frankfurt zuletzt nicht für alle. Erst Anfang April hatte die | |
Polizei – mutmaßlich rechtswidrig – eine Demonstration der Seebrücke | |
aufgelöst. | |
17 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lotte Laloire | |
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