| # taz.de -- Nazi-Demo Tag der Deutschen Zukunft: Rechte Blamage in Worms | |
| > 30 selbsternannte Patriot*innen wollen in Worms den sogenannten „Tag der | |
| > deutschen Zukunft“ begehen. Doch die Bevölkerung hält dagegen. | |
| Bild: „Nazis raus“ | |
| Worms taz | Mit einem großen Banner begrüßten die Wormser*innen alle | |
| Demonstrant*innen in der Rheinstadt. „Unsere Stadt bleibt bunt, wir pfeifen | |
| auf Nazis“ prangte an einer Hauswand am Bahnhofsvorplatz. Der sollte im | |
| Verlauf des Tages zum Schauplatz der [1][Neonazi-Demo „Tag der deutschen | |
| Zukunft“ (TddZ)] werden. Schnell war klar: Dieser Tag würde jedoch zur | |
| Blamage für die vermeintlichen Patrioten werden. Nur gut 30 Menschen aus | |
| der Neonazi-Szene kamen nach Worms, um „ihr“ Land vor „Überfremdung“ zu | |
| bewahren. | |
| Bereits am Morgen hatten sich hunderte Menschen in der Innenstadt | |
| versammelt und zeigten deutlich, dass der rechtsextreme Aufmarsch in Worms | |
| nicht willkommen war. Im Laufe des Vormittags trafen immer mehr | |
| Gegendemonstrant*innen mit dem Zug in Worms an. Überall in der Region | |
| mobilisierten sich Menschen und reisten aus den großen Städten Frankfurt, | |
| Mainz, Kaiserslautern, Mannheim oder Karlsruhe in die historische | |
| Kleinstadt am Rhein. Am Ende zeigte eine bunte Mischung aus Antifa-Gruppen, | |
| Gewerkschaften, Politikjugenden, sozialen Vereinen und Verbänden, wie auch | |
| viele Familien und Anwohner*innen der Gruppe Neonazis, dass sie für eine | |
| bunte und offene Gesellschaft einstehen. | |
| Nur knapp genehmigt | |
| Seit 2009 findet der TddZ jährlich in wechselnden deutschen Städten statt. | |
| 2016 kamen in Dortmund rund 1.000 Rechtsextreme zusammen, verbreiteten dort | |
| Hass und zogen mit Schwarz-Weiß-Roten Fahren durch die Straßen. In den | |
| folgenden Jahren nahm die Teilnehmer*innenzahl kontinuierlich ab. Im | |
| vergangenen Jahr in Chemnitz kamen nur gut 250 Menschen zusammen und das | |
| sinkende Interesse am TddZ in der rechtsextremen Szene fand in Worms mit 30 | |
| Teilnehmer seinen Tiefpunkt. So war schon vor der Demo klar, dass dies der | |
| letzte TddZ werden soll. | |
| Doch bis kurz vor Beginn des vermeintlichen deutschen Zukunftstag war nicht | |
| einmal klar, ob die Demo überhaupt stattfinden würde. Aufgrund der | |
| aktuellen Lage und im Sinne des Infektionsschutzes untersagte die Stadt | |
| Worms die Demo zunächst. Die rechtsextremen Veranstalter*innen aus dem | |
| Umfeld der Parteien die Rechte und NPD, klagten bis vor das | |
| Oberverwaltungsgericht Koblenz. Erst am Freitag gab das Gericht der | |
| Beschwerde recht. | |
| Glockengeläut gegen rechtes Geschwurbel | |
| Der Wormser Oberbürgermeister Adolf Kessel kritisierte diese Entscheidung | |
| des Gerichts am Mittag vor den Gegendemonstrant*innen. Er bedauerte, dass | |
| die Stadt die Nazi-Demo unter Auflagen genehmigen musste. „Wir haben alles | |
| versucht, dass diese Versammlung der Rechtsextremen nicht stattfindet.“ Der | |
| OB zeigte sich erfreut über die große Anzahl an Gegendemonstrant*innen: | |
| „Wir stehen zusammen und wir halten zusammen.“ | |
| Gut eine Stunde verspätet, gegen 13 Uhr, trafen die Neonazis am Vorplatz | |
| ein, wo sich zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Hunderte Menschen | |
| lautstark gegen die unerwünschten Besucher*innen aussprachen. Mit | |
| Sprechchören und Trillerpfeifen übertönten sie die Parolen der nur gut 30 | |
| Rechtsextremen. Vor einem blauen Van hielten diese Reden, im Hintergrund | |
| stets stimmungsvoller Widerstand. Von einem Balkon ertönte aus einer | |
| kraftvollen Lautsprecheranlage Glockengeläut, dass die Ansprache der Redner | |
| deutlich übertönte. | |
| Vor Ort waren auch zahlreiche Familien und Anwohner*innen, Schüler*innen | |
| von Fridays For Future und Gewerkschaftler*innen von Ver.di und IG Metall. | |
| „Wir sind froh, den Nazis den Weg durch die Stadt zu erschweren. Wir | |
| Wormser sind gegen die Vereinnahmung unserer Stadt“, sagte Mela Hanisch, | |
| die mit ihrer Familie demonstrierte. „Es ist schön zu sehen, dass auch eine | |
| recht kleine Demo, wie unsere hier, viel Erfolg hat.“ | |
| Straßenblockade und Handgreiflichkeiten | |
| Weit im Vorfeld hatte das Bündnis „Block TddZ Worms“ in der Region | |
| mobilisiert. Über 50 antifaschistische Organisationen unterstützten die | |
| Pläne, die geplante Marschroute der Neonazis zu blockieren. Während in den | |
| Straßen um den Bahnhof friedlich demonstriert wurde, lieferten sich | |
| hunderte Demonstrant*innen über Stunden ein teils wildes Katz und Maus | |
| Spiel mit der Polizei. Die war vor Ort mit rund 1.000 Beamt*innen vertreten | |
| und versuchte vehement beide Gruppen voneinander getrennt zu halten. | |
| Schon vor der eigentlichen Demonstration wurden mehrere Demonstrant*innen | |
| in der Fußgängerzone festgesetzt und ihre Personalien aufgenommen. Der | |
| Zwist zwischen Polizei und den Demonstrierenden setzte sich dann auch in | |
| den Teils engen Straßen fort. Immer wieder blockierten die zahlreichen | |
| Einsatzkräfte Wege, Demonstrant*innen versuchten diese zu durchbrechen. | |
| Stellenweise kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen Ordnungshüter*innen und | |
| Demonstrant*innen. Dennoch konnten verschieden Gruppen von | |
| Demonstrant*innen die Straßen blockieren, weshalb der Nazi-Marsch nur | |
| einige Minuten andauerte. | |
| Die Rückkehr der Rechten zum Bahnhof wurde mit lautstarkem Jubel gefeiert, | |
| der gemischt mit Glockengeläut und Pfiffen die Reden übertönte, bis die | |
| letzten „Patriot*innen“ den Vorplatz verließen. | |
| Derweil saßen in den Wormser Straßen zahlreiche Demonstrant*innen fest. | |
| Eine Sprecherin des Bündnisses „Block TddZ Worms“ teilte mit, die Polizei | |
| habe zwei große Demogruppen mit jeweils über 200 Menschen eingekesselt. Ein | |
| Polizeisprecher verwies auf Verstöße gegen die Corona-Regeln – der | |
| Mindestabstand von zwei Metern und das Tragen eines Mundschutzes sei von | |
| etlichen Demonstrant*innen nicht eingehalten worden. Ferner seien zwei | |
| Demonstrationen nicht angemeldet gewesen. Die Bündnis-Sprecherin betonte: | |
| „Wir konnten den Mindestabstand nicht einhalten.“ | |
| Das turbulente Ende des Demotages in Worms überschattet allerdings nicht | |
| die weitestgehend friedliche Stimmung. Verschiedenen Schätzungen zufolge | |
| sollen weit über 1.000 Menschen an den Gegendemos teilgenommen und auf die | |
| Nazis gepfiffen haben. | |
| 6 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jonas Julino | |
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