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# taz.de -- Corona-Proteste in Baden-Baden: Zwei Frauen führen
> Nach Baden-Baden kommen keine Rechtsextremisten. Die Demonstration ist
> bürgerlich geprägt – und die Teilnehmer sind bestens gekleidet.
Bild: Kein modisches Accesoire: Ordner mit Aluhut bei Stuttgart
Baden-Baden taz | Baden-Baden ist für vieles bekannt, aber nicht gerade für
seine Protestkultur. Doch seit vier Wochen gehen auch in der Kurstadt
Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen die wegen der
Coronapandemie verfügten Einschränkungen. Zwei Frauen sind die Initiatoren
des Protest. Eine von ihnen, Petra Wolf, Kommunikationstrainerin bei einem
großen Automobilzulieferer, berichtet von ihren dementen Eltern. Den Vater
müsse sie nach der Schließung der Tagesklinik jetzt irgendwie selbst
betreuen, die Mutter dürfe sie in ihrem Altersheim nicht besuchen.
Es ist diese persönliche Überforderung, die Petra Wolf an den neuen Regeln
im Land zweifeln lässt. Warum habe die Regierung ihren eigenen Pandemieplan
von 2014 nicht befolgt und genügend Masken für Altenheime angeschafft?
Warum entmündige man jetzt mit „manipulativen Bildern aus Italien“ alte
Menschen, wenn man sie ungefragt isoliert? Warum spalte man durch
Panikmache die Gesellschaft? Wolf neigt den Thesen von Boris Palmer zu, der
fordert, die Risikogruppen zu isolieren und andererseits das normale Leben
wieder hochzufahren.
Inzwischen haben sich etwa 150 Menschen auf dem Platz vor dem Standesamt
versammelt. Schilder wie „Demokratie statt Diktatur“ werden getragen.
Teilnehmer wenden sich gegen die Maskenpflicht, angebliche Zwangsimpfung,
Mikrochips im Körper und Zwangsbeatmung auf Intensivstationen. Mit
Poloshirts und Sommerkleidern gehört der Widerstand in der Kurstadt
wahrscheinlich zu den bestgekleideten Demonstrationszügen, die das Land
bisher gesehen hat. Es wird umarmt und es werden Hände geschüttelt.
Wolf liest die Versammlungsregeln vor, ihre Mitstreiterin Marianne Schmidt
beklagt leere Ladengeschäfte als Folge der Krise. Hier seien keine
Verschwörungstheoretiker unterwegs, sagt Schmidt und führt Galileo Galilei
als Galionsfigur ins Feld. Nun weiß man nicht, ob Galileos Erkenntnisse
über die Erde als Kugel hier bei allen Demonstranten ganz unumstritten
sind. Denn in Baden-Baden versteht man unter Meinungsfreiheit, wahllos
jedem das Mikrofon zu überlassen. Und auch hier bekommt der gefährlichste
Unsinn den größten Applaus.
## Redner: Clinton besorgt Embryone für die Queen
Ein älterer Mann stellt sich als Allgemeinmediziner vor und berichtet, dass
sich die Queen mit Zellen von Embryonen jung hält, die Hillary Clinton ihr
besorgt habe. Von einem Impfstoff rät der vermeintliche Arzt dagegen ab.
Wenn es einen gibt, sollten sich doch erst mal die Politiker impfen lassen,
ruft er unter großem Jubel ins Publikum.
Auch weiß der Mann von einem, „der mal neben dem Vater von Bill Gates
gewohnt hat“, ganz genau, dass dessen Familie schon lange das Ziel
verfolge, die Weltbevölkerung zu reduzieren. Dafür gibt es wieder
zustimmende Empörung. Auch wenn am Samstagnachmittag viel von Grundrechten
die Rede ist, bleibt der Coronaprotest in Baden-Baden eine im Kern
unpolitische Bewegung, gespeist aus einer verständlichen persönlichen
Unzufriedenheit und aus pauschalem Misstrauen gegen Politik und Eliten.
Wolf und Schmidt stehen am Ende der Versammlung nachdenklich zusammen. Für
den Arzt müsse sie sich entschuldigen, sagt Marianne Schmidt. Petra Wolf
hat Sorge, dass das alles zu viel werden könnte. Eigentlich gehe es ihr
doch vor allem darum, dass es ihren Eltern gut geht. Aber aufhören? Nein,
sagen sie. Nicht bevor das Land zur Normalität zurückkehrt.
17 May 2020
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
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