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# taz.de -- Realistische Malerei von Hans Baluschek: Bilder wie bei Zola
> Seine Aufmerksamkeit galt den Außenseitern: Im Berliner Bröhan-Museum
> wird der Maler Hans Baluschek zu seinem 150. Geburtstag gewürdigt.
Bild: Bei Baluschek hat die Betrachterin manchmal das Gefühl, an der Szene tei…
Es gibt Bilder von Hans Baluschek, aus denen könnte man glatt einen
Adventskalender basteln. Wie das Licht aus den Fenstern in die Schneenacht
scheint, unter Eiszapfen hervorleuchtet und den dunklen Rauch der
Lokomotiven durchdringt, die oben auf einem Viadukt und auf den Schienen
darunter das Bild „Vor der Stadt“ (1918) durchqueren, das hat bei aller
Kälte und bei allem Ruß, der hier reichlich in die Luft gepustet wird,
etwas Anheimelndes.
Als könnte man tatsächlich die Fenster der unter das Viadukt geduckten
Häuser aufklappen und in die Wohnstuben blicken. Hans Baluschek, Sohn eines
Eisenbahningenieurs, hat die Landschaft von Schienen und Schloten, von
Kesseln und Signalanlagen oft in der Dämmerung gemalt, mit Aquarellfarben
und Ölkreiden, in zarte, grau verschleierte Pastelltöne getaucht.
Es hat etwas Sentimentales, diese frühen Industrie- und Stadtlandschaften
zu betrachten, die das Gewaltige der Technik zeigen und sich am Spiel von
Dunkelheit und Licht erfreuen. Er habe eine Modelleisenbahn in seinem
Atelier gehabt, berichtete ein Besucher des Malers. Vielleicht habe ihn das
inspiriert, seine Bilder aus verschiedenen Elementen der Realität wie aus
einem Modellbausatz zu bauen, überlegt der Kunsthistoriker Fabian
Reifferscheid. Er ist der Kurator der Ausstellung „Zu wenig Parfüm, zu viel
Pfütze“, die das Musem Bröhan zum 150. Geburtstag von Hans Baluschek zeigt.
Hans Baluschek wird heute wie Käthe Kollwitz und Heinrich Zille, die
ungleich bekannter sind als er, einem Berliner Realismus zugeordnet. Die
DDR hielt ihn als Arbeitermaler hoch, das Märkische Museum in Ostberlin
sammelte ihn. In Westberlin kauften Karl und Margarete Bröhan, Gründer des
gleichnamigen Jugendstilmuseums, Bilder von ihm. Aus beiden Beständen
stammt jetzt die Ausstellung hauptsächlich.
## Malerischer Spießer
Max Beckmann habe ihn einen „malerischen Spießer“ genannt, erzählt Fabian
Reiferscheid. Er hat einen Text, in dem der 50-jährige Maler sich gegen die
Kritik an seiner Kunst positionierte, an die Wände der Ausstellung
schreiben lassen: „Man hat mir meine Motive vorgeworfen, man klagte mich
an, ich verstieße gegen die Gesetze der Schönheit! Man nannte mich trocken,
spröde, unmalerisch, einen Registrator, einen Übertreiber und Fälscher.
Der Akademiker konnte mich nicht verknusen, weil ihm meine Malerei zu wild
war! Der Impressionist rügte, meine Malerei sei keine Malerei.“ Im weiteren
ist er sich der Verachtung der Symbolisten, Expressionisten und Dadaisten
sicher; dass er sich so als Außenseiter sah, verwundert, wenn man heute
seine Bilder betrachtet. Ihr erzählerischer Gestus zieht in die
Kompositionen hinein.
Oft wird man als Betrachter zum Teilnehmer einer Szene, die ungute Gefühle
weckt. Baluschek macht den Bildbetrachter selbst zum Teil der Inszenierung,
wenn er in „Ein Verbrechen ist geschehen“ (1894) auf einen Hof blicken
lässt mit eng zusammenstehenden, erregt redenden Leute, mit Neugierigen,
die aus den Fenstern hängen oder über die Mauer des Nachbarhofes schauen.
Oft malte er den Heimweg von Arbeitern, ihren Feierabend, in dunklen,
angegrauten Farben, die Gesichter müde und schwer, die Körper ausgesaugt.
Zwischen den Männern und Frauen spielende Kinder, Jungens, die an die
Mauern kritzeln. Die Szenen sind anekdotisch, erzählerisch, aber lassen
dabei auch oft etwas offen, deuten eine Spannung zwischen den Figuren an,
für die keine einfache Erklärung zu finden ist.
## Politisch aktiv
Baluschek war nicht nur Maler, sondern setzte sich auch politisch und
kulturpolitisch in vielen Ämtern ein. Er gehörte zur 1899 gegründeten
Berliner Secession, er unterrichtete mit Käthe Kollwitz an der Schule des
Vereins der Berlinerer Künstlerinnen. 1920 wurde Baluschek Mitglied der
SPD, er war an der Gründung der Volkshochschule Berlin beteiligt, er
lieferte Illustrationen für sozialdemokratische Zeitschriften.
Der Bezirk Schöneberg stellte ihm 1928 als Ehrung eine Atelierwohnung in
der neuen Wohnanlage „Ceciliengärten“ zur Verfügung. Er mischte mit, setz…
sich für Künstler in Not und Frauen in Not ein, bis er 1933 als
„marxistisch“ verfemt wurde und die Ehrenwohnung verlassen musste. Er starb
1935.
In vielen Bildern widmete er sich Außenseitern, Obdachlosen,
Tippelschicksen, Prostituierten, Drogensüchtigen. Heute macht seine Bilder
wieder interessant, dass er oft die Frauen als die Hauptleidtragenden der
sozialen Ungerechtigkeit in den Mittelpunkt rückte. Fast immer stehen sie
im Vordergrund der Bilder, oft in unbarmherzigen Porträts, während im
Hintergrund die Verantwortlichen für ihre Misere oder Ausbeutung szenisch
angedeutet sind.
Unter diesen Milieuschilderungen ist ein Zyklus, „Opfer“, von 1906
besonders beeindruckend, große Bilder mit schwarzer Kreide und Kohle
gezeichnet. Es ist Nacht oder Winter in den Bildern, eine Lebensmüde beugt
sich rückwärts über die Balkonbrüstung, ein ausgerissener Junge muss mit
gefesselten Händen einen weiten Weg durch den Schnee laufen, neben einem
Uniformierten zu Pferde.
## Leiche im Fluss
Eine Leiche, aus dem Fluss gefischt, liegt auf einer Treppe am Wasser; eine
junge Frau, Opfer eines Gewaltverbrechens, liegt mit verrenkten Gliedern an
einer Böschung. Zu jedem der Blätter kann man sich einen Roman denken, wie
von Emile Zola, den Baluschek sehr schätzte, geschrieben.
Diese Papierarbeiten vertragen nicht viel Licht, deshalb werden immer nur
drei für ein paar Wochen gezeigt. Aber schon sie lohnen den Weg in die
Baluschek-Ausstellung.
21 May 2020
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Malerei
Politische Kunst
Proletariat
Bildende Kunst
DDR
Kunst
zeitgenössische Kunst
Kunst
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