# taz.de -- Burundi ignoriert Coronavirus: Wahlkampf ohne Mindestabstand | |
> Demonstrationen und Granaten gegen die Opposition: Burundi will am 20. | |
> Mai Präsident und Parlament wählen – und weist WHO-Experten aus. | |
Bild: Dicht gedrängt: Unterstützer der regierenden Partei bei einer Wahlveran… | |
KIGALI taz | Tausende stehen dicht gedrängt in einer Menschenmasse: Alle | |
tragen rot-weiß-grüne T-Shirts, schwenken Fahnen der Regierungspartei | |
CNDD-FDD (Nationalrat/Kräfte für die Verteidigung der Demokratie), Trommler | |
heizen der Menge ein. | |
Der Wahlkampf in Burundis Hauptstadt Gitega läuft wie immer: Ohne | |
Handwaschstationen, Schutzmasken und Abstandsregeln. Corona wird ignoriert. | |
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meldet aus dem Land mit elf Millionen | |
Einwohnern 27 bestätigte Covid-19-Fälle, darunter einen Toten. Ein Arzt aus | |
Bujumbura, der größten Stadt, berichtet der Zeitschrift The Humanitarian | |
jedoch, dass rund zehnmal so viele Patienten in den wenigen Kliniken | |
behandelt werden: „Die Offiziellen sind so mit dem Wahlkampf beschäftigt, | |
dass sie fast gar keine Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid-19 | |
koordinieren“, sagt er. | |
Nachprüfen lässt sich dies nicht: Die Grenzen nach Burundi sind | |
geschlossen. Am Dienstag erklärte das Außenministerium die vier | |
WHO-Experten zu unerwünschten Personen und forderte sie auf, das Land zu | |
verlassen. Das zuständige Ministerium ließ verlauten, dass alle | |
Einreisenden zwei Wochen in Quarantäne müssen. Dies gilt auch für | |
internationale Journalisten und unabhängige Wahlbeobachter. | |
## Oppositionelle nennen ihn „Terminator“ | |
Die Wahl ist für den 20. Mai angesetzt. Die Regierungspartei CNDD-FDD | |
dürfte gewinnen. [1][Präsident Pierre Nkurunziza], seit 15 Jahren an der | |
Macht, hat Ende Januar auf dem CNDD-FDD-Parteitag angekündigt, nicht mehr | |
antreten zu wollen. [2][Sein Vertrauter, Evariste Ndayishimiye], | |
Generalsekretär der Partei und einer der wichtigsten Generäle des Landes, | |
wurde zum Nachfolgekandidaten gekürt. | |
Laut Verfassung hätte Nkurunziza schon [3][bei den Wahlen 2015] nicht mehr | |
antreten dürfen, tat es aber trotzdem. [4][Ein Gesetzentwurf] garantiert | |
dem 55-Jährigen jetzt eine halbe Million US-Dollar Abfindung plus ein | |
Gehalt für den Rest seines Lebens, zudem den Titel „Ewiger oberster | |
Führer“. | |
Wunschnachfolger Ndayishimiye ist ihm gegenüber loyal. Er ist einer der | |
fünf Generäle, die 1994 die CNDD-FDD als Hutu-Guerillabewegung gründeten, | |
um eine Tutsi-Militärdiktatur zu bekämpfen. Nach einem Bürgerkrieg mit über | |
350.000 Toten wurde CNDD-FDD bei der ersten freien Wahl 2005 stärkste | |
Partei. Oppositionelle nennen ihn „Terminator“. Nachdem er 2016 | |
Generalsekretär wurde, kamen oppositionelle Ortsvorsteher, Lehrer und | |
Offizielle in Haft. Schüler der CNDD-FDD-Miliz Imbonerakure verhafteten | |
ihre Lehrer. | |
Die UN-Menschenrechtskommission spricht in ihrem jüngsten Bericht von 2019 | |
von einem Klima der Straflosigkeit: Illegale Verhaftungen, Folter, | |
systematische Tötungen, Vertreibungen. Als Parteichef ist Ndayishimiye | |
Vorsitzender der Imbonerakure, die für viele dieser Verbrechen | |
verantwortlich ist. | |
## Leichen vom Oppositionellen im Fluss | |
Auch im Vorfeld der Wahlen kam es zu Gewalt: Agathon Rwasa, Burundis | |
mächtigster Oppositionsführer der Partei CNL (Nationalkongress für | |
Befreiung), erklärte, dass mehr als 60 seiner Parteimitglieder verhaftet | |
wurden. Richard Havyarimana, CNL-Vorsitzender eines Bezirks, wurde | |
verschleppt, die Leiche schwamm später im nahe gelegenen Fluss. „Es gibt | |
keine Strafgerichtsbarkeit oder Strafverfolgung der Täter“, so Rwasa. Der | |
Grund: Die mutmaßlichen Täter gehören zur Imbonerakure-Parteijugend, deren | |
Chef Ndayishimiye ist. | |
Jetzt wehren sich Oppositionelle: Am Sonntag explodierte eine Granate | |
außerhalb der Bar Iwabo n’abantu in Bujumburas Stadtteil Kamenge, | |
Treffpunkt der Imbonerakure. Zwei Menschen starben, acht wurden verletzt. | |
Die Bar gehörte dem 2015 getöteten Ex-Geheimdienstchef Adolphe | |
Nshimirimana, einem engen Vertrauten Ndayishimiyes. Die Gewalt schaukelt | |
sich auf. | |
Bereits vor der Wahl 2015 flohen Hunderttausende Burundier wegen Terror in | |
die Nachbarländer. Vor allem die Tutsi-Minderheit hat sich in Ruanda | |
niedergelassen. Seitdem kommt es regelmäßig zu Konflikten entlang der | |
Grenze. | |
14 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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