| # taz.de -- Repression in Burundi: Todesschwadron und Staatsterror | |
| > Burundische Journalisten im Exil berichten von der Schreckensherrschaft | |
| > in ihrer Heimat: „Der Präsident lebt in einer permanenten Panik“. | |
| Bild: Gnadenlos: Burundis Präsident Pierre Nkurunziza | |
| KIGALI taz | „Niemand traut sich mehr, den Kopf zu heben“, sagt Innocent | |
| Muhozi. Der burundische Journalist lebt in Ruanda, seit sein Radiosender | |
| Radio-Télé Rénaissance in Burundis Hauptstadt Bujumbura im Mai 2015 von | |
| Soldaten mit Granaten und Sturmgewehren zerstört wurde – Teil der | |
| Niederschlagung eines angeblichen Putschversuchs gegen Präsident Pierre | |
| Nkurunziza. „Nkurunziza und seine Gruppe haben eine Tyrannei eingesetzt, | |
| die den Eindruck erzeugt, das Land sei ruhig. Aber es sitzen Tausende junge | |
| Leute im Gefängnis. Jeden Tag verschwinden Menschen, werden gefoltert oder | |
| verprügelt.“ | |
| Muhozi lebt jetzt im Exil in Ruandas Hauptstadt Kigali, so wie etwa 80 | |
| andere Journalisten aus Burundi. Was sie aus ihrer Heimat berichten und was | |
| sie auch zum Teil in burundischen Onlinemedien im Exil verbreiten, ist | |
| erschreckend. Ein Beispiel: Seit 18. März sind drei Angestellte der | |
| Gemeindeverwaltung von Gitega im Zentrum Burundis verschwunden – sie wurden | |
| von der Polizei mitgenommen. Wenig später wurde im nahen Fluss Ruvubu eine | |
| Leiche aus dem Wasser gefischt: eingewickelt in ein Moskitonetz, die Augen | |
| verbunden – Opfer einer Todesschwadron. | |
| Leichen schwimmen in jüngster Zeit auch wieder im Rweru-See im Norden | |
| Burundis, sagt Désiré Hatungimana, in Kigali lebender Chefredakteur des | |
| burundischen Radiosenders Inzamba und ehemaliger lokaler Korrespondent von | |
| Voice of America. Darunter sind Aktivisten der Oppositionspartei CNL | |
| (Nationalkongress für die Freiheit) des ehemaligen Hutu-Rebellenführers | |
| Agathon Rwasa, obwohl dessen Parteineugründung im Februar zugelassen worden | |
| war. | |
| Für Hatungimana steht die Gewalt im Zusammenhang mit der Vorbereitung der | |
| nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahl im Jahr 2020. Die ehemalige | |
| Hutu-Rebellenbewegung CNDD (Nationalrat zur Verteidigung der Demokratie), | |
| die Burundi seit dem Ende des Bürgerkrieges 2005 regiert, will da ihre | |
| Macht sichern. Präsident Nkurunziza, dessen Einleitung einer dritten | |
| Amtszeit 2015 damals umstritten war und zu Massenprotesten führte, die er | |
| blutig niederschlagen ließ, [1][organisierte im Mai 2018 ein Referendum, | |
| das ihm eine erneute Kandidatur ermöglicht], hat allerdings mittlerweile | |
| erklärt, er wolle keine weitere Amtszeit. Aber Hatungimana ist skeptisch. | |
| „Wir können uns da erst sicher sein, wenn es an seiner Stelle einen anderen | |
| Kandidaten gibt“, sagt er. | |
| ## „Eine richtige Tyrannei“ | |
| Die Repression in Burundi habe sich auch nach vier Jahre nicht gelockert, | |
| sagt Innocent Muhozi: „Es ist eine richtige Tyrannei, die mit Terror eine | |
| fast absolute Kontrolle über das Land ausübt“, erläutert der Journalist. | |
| „Sie haben an die 500.000 Menschen ins Exil gezwungen, darunter die meisten | |
| politischen Führer. Sie haben alle unabhängigen Radiosender und Verbände | |
| zerstört. Jetzt glaube ich nicht, dass sie denken, dass sie in Sicherheit | |
| sind. Denn man kann keine Ruhe haben in einem Land, das Hunderttausende | |
| Flüchtlinge exportiert hat und das weiter tut! Der oberste Vertreter der | |
| burundischen Flüchtlinge in Ruanda hat mir vor einer Woche gesagt, dass in | |
| jüngster Zeit 3.000 neue Flüchtlinge angekommen sind.“ | |
| Der Versuch, Nkurunziza auf dem Höhepunkt der Proteste gegen ihn 2015 per | |
| Putsch zu stürzen, scheiterte mangels Organisation, meint Muhozi im | |
| Rückblick. Aber er warnt: „Mehrere tausend Soldaten und Polizisten sind | |
| seitdem ins Ausland geflohen – und sie warten vielleicht einfach auf die | |
| Gelegenheit, mit ihren Kameraden im Land ihr Werk zu vollenden.“ | |
| Das könnte auch erklären, warum Burundis Regierung Kämpfer der ruandischen | |
| Hutu-Rebellenbewegung FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) | |
| angeworben hat – die einst von flüchtigen Tätern des ruandischen | |
| Völkermordes im Ostkongo gegründete Miliz. Die Identitäten dieser Rekruten | |
| hat Radio-Télé Renaissance veröffentlicht. „Es ist kein Geheimnis“, | |
| bestätigt Désiré Hatungimana. „Es gibt FDLR-Mitglieder in Burundis | |
| Präsidialgarde.“ | |
| Im März bereits hatte Radio Inzamba enthüllt, dass neben drei | |
| Armeebataillonen in Mabayi in der nordwestburunischen Provinz Cibitoke | |
| Kämpfer der Imbonerakure-Jugendmiliz von Burundis Regierungspartei sowie | |
| „ruandischsprachige Leute“ stationiert seien. Die FDLR hat sich | |
| mittlerweile mit anderen ruandischen Exilgruppen zur MRCD (Ruandische | |
| Bewegung für Demokratischen Wandel) zusammengeschlossen, und die MRCD | |
| beanspruchte im Sommer 2018 mehrere Angriffe im Süden Ruandas für sich, die | |
| von Burundi aus verübt wurden. | |
| Burundis Präsident Nkurunziza, so Muhozi, traut seiner eigenen Armee nicht. | |
| „Der Präsident weiß, dass er nicht ruhig schlafen kann in der Situation, | |
| die er selbst geschaffen hat. Es ist nicht lange her, da erzählte er selbst | |
| von einem Albtraum. Er wachte nachts auf, rannte in sein Wohnzimmer und | |
| schrie ‚Sie kommen, sie kommen!‘ Seine Frau fragte: ‚Wer denn?‘ Er | |
| antwortete: ‚Ja siehst du sie denn nicht?‘ Er lebt in einer permanenten | |
| Panik, in Paranoia.“ | |
| Besonders gefährdet in dieser Situation sind Burundis Tutsi, gegen deren | |
| Herrschaft im Land die Hutu-Rebellen Nkurunzizas einst gekämpft hatten. Der | |
| aus Ruandas Völkermord bekannte Code für Massaker an Tutsi, nämlich der | |
| Aufruf an die Hutu-Bevölkerung, „an die Arbeit zu gehen“, sei auch von | |
| Burundis Senatspräsident Révérien Ndikuriyo benutzt worden, so Muhozi. Das | |
| war im Oktober 2015 und erregte Aufsehen, sodass die Staatsmacht jetzt | |
| diskreter vorgehe. „Man sagt jetzt ‚kamwe kamwe‘ – einer nach dem ander… | |
| Sie töten nicht massiv, sondern unauffällig: mal einer hier, mal einer da. | |
| Am Ende sind es trotzdem Hunderte Tote.“ | |
| 19 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| François Misser | |
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