# taz.de -- Grünen-Parteitag zur Coronakrise: Uneins über Reichensteuer | |
> Die Grünen-Spitze will am liebsten nicht über Steuern sprechen. Doch vor | |
> dem Parteitag werden Forderungen nach einer Vermögensabgabe laut. | |
Bild: Ob Sie mit dem Vorstoß zu einer Vermögensabgabe glücklich sind? Annale… | |
Berlin taz Die Debatte über Verteilungsgerechtigkeit in der Krise nimmt bei | |
den Grünen Fahrt auf. Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen fordert | |
eine europäische Vermögensabgabe, um Maßnahmen gegen die Corona-Krise zu | |
finanzieren. Andresen will einen entsprechenden Antrag auf dem | |
[1][digitalen Länderrat der Grünen] stellen, der am Samstag stattfindet. | |
Ein weiterer Antrag von einem Mitglied aus dem Kreisverband Neukölln | |
fordert eine innerdeutsche Vermögensabgabe. | |
In Andresens Antragstext, der der taz vorliegt, heißt es: „Um die sozialen | |
Folgen der Krise abzumildern, die Krisenkosten fair aufzuteilen und um die | |
EU zusammenzuhalten, schlagen wir eine europäische Vermögensabgabe vor.“ | |
Während immer mehr EuropäerInnen vor existenziellen Fragen stünden, blieben | |
die Vermögen der reichsten ein Prozent in der EU hoch. „Wenn die Folgen von | |
[2][Corona] diese Spaltung weiter verschärfen, ist die EU existenziell | |
gefährdet“, heißt es in dem Antrag weiter. | |
Der Antrag aus dem Kreisverband Neukölln fordert eine „verfassungsfeste, | |
ergiebige, umsetzbare und einmalige Vermögensabgabe für Superreiche“. Jene | |
solle mit hohen Freibeträgen und über einen sehr langen Zeitraum gestreckt | |
so ausgestaltet werden, „dass kein Unternehmen Schaden nimmt“. | |
Die Vorschläge dürften für eine Diskussion auf dem Länderrat sorgen. Die | |
Grünen-ChefInnen Annalena Baerbock und Robert Habeck vermieden in den | |
vergangenen Wochen bewusst ein Bekenntnis zur Vermögensabgabe. Sie | |
fürchten, sich damit angreifbar zu machen. Im Leitantrag wird den | |
Delegierten zu dem Thema nur eine vage Formulierung vorgeschlagen. Es | |
brauche zur Tilgung der Schulden einen solidarischen Ausgleich, heißt es | |
dort. Und: „Wer starke Schultern hat, kann mehr tragen.“ | |
## Idee von US-Ökonomen | |
Ob damit auch eine Vermögensabgabe gemeint ist, wer diese starken Schultern | |
besitzt und mit welchem Konzept sie belastet werden sollen, bleibt offen. | |
Andresen, der neulich bereits einen Blogbeitrag zu mehr | |
Verteilungsgerechtigkeit verfasste, argumentiert nun: „Die Wirtschaftskrise | |
darf nicht dazu führen, dass Verluste vergemeinschaftet und Gewinne | |
privatisiert werden.“ Eine europäische Vermögensabgabe sei gerecht und | |
solle „Teil der Krisenantwort der Grünen sein“. | |
Der Antrag dockt an eine Idee von US-Ökonomen an. Emmanuel Saez und Gabriel | |
Zucman, beide Professoren an der kalifornischen Berkeley-Universität, sowie | |
Camille Landais von der London School of Economics warben bereits Anfang | |
April für eine befristete, europaweit erhobene Vermögensabgabe. Eine solche | |
sei eine „konkrete Verkörperung europäischer Solidarität“ im Kampf gegen | |
die Pandemie, schrieben sie in einem Debattenbeitrag. | |
Die Kosten der europäischen Krisenbekämpfung sind enorm. | |
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach von „Billionen“ Euro, die | |
nötig seien. Andresen weist in seinem Antrag darauf hin, dass die Krise | |
Menschen in der EU sehr unterschiedlich trifft. Laut Internationalem | |
Währungsfonds werde die Arbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland auf | |
über 20 Prozent steigen. Davon seien junge Menschen besonders stark | |
betroffen, Ältere litten unter den Folgen eines auf Verschleiß gefahrenen | |
Gesundheitssystems. | |
Die Grünen-Spitze fürchtet einen Steuerstreit – und erinnert sich mit | |
Grausen an den Bundestagswahlkampf 2013, als die Partei mit dem Thema | |
manche WählerInnen verschreckte. Die Vermögensabgabe ist bei Konservativen, | |
Liberalen und mächtigen Wirtschaftsverbänden verhasst. Wie die Diskussion | |
auf dem Parteitag ausgeht, ist offen. Andresen hält die von ihm | |
vorgeschlagene europäische Vermögensabgabe für einen „guten Kompromiss“. | |
Die nationale Debatte werde nicht berührt, sagt er – „und auf europäischer | |
Ebene knüpfen wir an unsere Beschlusslage an.“ | |
Der Hintergrund: Die Strategie der Grünen-Spitze, über eine Abgabe zu | |
schweigen, wird dem eigenen Programm nicht gerecht. Darin fordern die | |
Grünen sogar „eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare | |
Vermögensteuer“. An diese Formulierung lehnt sich der Antrag aus dem | |
Neuköllner Kreisverband an. Eine Vermögensteuer wäre für Reiche sogar eine | |
härtere Abgabe, weil sie unbefristet wäre. | |
30 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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