Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Fleischindustrie in Deutschland: Das Schweinesystem schrumpft
> Die deutsche Fleischindustrie ist keine Boombranche: Sie schrumpft
> kontinuierlich. Diesen Konzentrationsprozess überleben nur große
> Fleischkonzerne.
Bild: Kein gutes Bild: Schweinehälften im Schlachthaus
Deutschland ist keine Fleischoase, sondern liegt inmitten von Europa, das
einen gemeinsamen Binnenmarkt hat. Die Quizfrage lautet daher: Wäre die
deutsche Fleischindustrie noch konkurrenzfähig, wenn sie anständige Löhne
zahlen würde?
Diese Frage ist allerdings gar nicht leicht zu beantworten, denn es fehlen
belastbare Zahlen, wie viel teurer das Kilo Fleisch würde, wenn die
Arbeitnehmer in den Schlachthöfen nicht ausgebeutet würden. „Aktuell gibt
es dazu keine Berechnungen“, sagt Thomas Bernhard, Referatsleiter bei der
Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Bernhard schätzt aber,
dass die Preise um 2 Euro pro Kilo Fleisch steigen müssten, „wenn das Wohl
von Menschen und Tieren vom Bauern bis zum Tisch des Verbrauchers
angemessen berücksichtigt werden soll“.
Bernhard kann die Sorgen der Fleischindustrie nicht nachvollziehen, dass
sie dann nicht mehr konkurrenzfähig wäre. „Das ist immer eine
Mischkalkulation.“ Schon jetzt würden ein Drittel bis die Hälfte eines
geschlachteten Tieres exportiert, „weil die Deutschen keine Füße oder
Schwänze essen wollen“. Entscheidend sei nicht der Export, sondern ob sich
höhere Preise in Deutschland durchsetzen lassen: „Die Verbraucher müssen
bereit sein, mehr Geld für Fleisch zu bezahlen.“
Es sei auch nicht zu befürchten, dass sich die Handelsketten dann mit
billigem Importfleisch eindecken würden. „Im Ausland gibt es gar nicht die
nötigen Schlachtkapazitäten“, sagt Bernhard. Es sei „höchstens langfrist…
denkbar“, dass die Fleischindustrie Schlachthöfe und Ställe in
Billiglohnländern wie Rumänien aufbaut.
## Schlachthöfe beauftragen Subunternehmer
Die Gewerkschaft NGG fordert daher seit langem, dass Werkverträge
prinzipiell verboten werden, wenn es sich um den Kern des Geschäftsbetriebs
handelt. Bisher beauftragen die Schlachthöfe diverse Subunternehmer, die
dann das Schlachten übernehmen. Allerdings würde ein derartiges Gesetz
nicht nur die Fleischindustrie treffen, sondern auch die Schiffsindustrie.
„Das macht die politischen Verhandlungen bisher schwierig“, wie Bernhard
erleben musste. Alternativ könnte man auch die einschlägigen
EU-Verordnungen ändern, „aber das würde vermutlich Jahrzehnte dauern“.
Kritik an den NGG-Plänen kommt vom Frankfurter Unternehmensberater Klaus
Martin Fischer, der auf die deutsche Fleischindustrie spezialisiert ist:
Wenn Fleisch in Deutschland teurer würde, „öffnen wir Tür und Tor für
Fleischimporte aus Drittländern“. Denn andere Weltregionen könnten Fleisch
deutlich billiger produzieren. Dies würde beispielsweise für Osteuropa, die
USA oder Brasilien gelten.
Fest steht jedenfalls: Die deutsche Fleischindustrie ist keine Boombranche,
sie schrumpft kontinuierlich. Diesen Konzentrationsprozess überleben nur
die größten Fleischkonzerne, während viele kleine Höfe schließen.
2019 haben die deutschen Schlachthöfe 59,7 Millionen Schweine, Rinder,
Schafe, Ziegen und Pferde geschlachtet. Zählt man das Geflügel hinzu,
erzeugten die Unternehmen knapp acht Millionen Tonnen Fleisch – 1,4 Prozent
weniger als 2018.
12 May 2020
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schlachthof
Schwerpunkt Coronavirus
Schweine
Preise
Tier
Schlachthof
Schwerpunkt Coronavirus
Fleischindustrie
Schwerpunkt Coronavirus
Schlachthof
Landwirtschaft
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues aus der Geflügelforschung: Huhn oder nicht Huhn
Während die arme Sau in aller Munde ist, rückt das Huhn uns eher geistig
näher. Denn wer sind wir schon ohne das putzige Federvieh?
Corona-Ausbruch in Schlachthof: Osteuropäer als Sündenböcke
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kassiert Kritik für eine Äußerung über
osteuropäische Beschäftigte, die sich mit Corona infiziert haben.
Corona-Ausbruch in einer Fleischfabrik: Tönnies macht wegen Corona zu
Der Branchenriese Tönnies meldet, dass hunderte Mitarbeiter positiv auf das
Virus getestet wurden. Nun stellt das Unternehmen den Schlachtbetrieb ein.
Neue Regeln für die Fleischbranche: Werkverträge nur noch als Ausnahme
Als Konsequenz aus der Häufung von Corona-Fällen sollen große
Schlachtbetriebe ihre Arbeiter künftig direkt anstellen. Die Branche
reagiert empört.
Nach Coronainfektionen in Schlachthöfen: Das Ende der Subunternehmen?
SPD-Arbeitsminister Heil will Werkverträge in der Fleischindustrie
verbieten. Die Grünen verlangen strengere Regeln gegen Ausbeutung in
Schlachthöfen.
Priester über Schlachthof-Kontrollen: „Wo Symptome sind, ist es zu spät“
Schon vor Wochen hat der Priester Peter Kossen Kontrollen rund um
Schlachthöfe gefordert. Er hofft, dass endlich grundsätzliche
Verbesserungen kommen.
Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen: Ein Gesetz, das krank macht
In der deutschen Fleischindustrie schuften osteuropäische Beschäftigte mit
Werkverträgen – wie es die CSU wollte.
Das Coronavirus in den USA: Virenherd Fleischfabrik
Tausende arbeiten dicht gedrängt in US-amerikanischen Schlachthäusern, den
Hotspots in der Coronapandemie. Viele bekommen keinen Schutz.
Corona in Baden-Württemberg: Ein Schlachthof, 300 Infektionen
Enges Wohnen und prekäres Arbeiten begünstigt Ansteckungen mit Covid19. Nun
hat es hunderte Beschäftigte eines Fleischbetriebs erwischt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.