# taz.de -- Gastronomie in der Coronakrise: Warten auf Gäste | |
> Dirk Zander und Sören Günther betreiben ein Restaurant in Berlin. Die | |
> Coronakrise könnte das Ende ihres Lebensprojekts bedeuten. | |
Bild: Die Betreiber der Berliner „Oderquelle“ warten auf staatliche Hilfe �… | |
BERLIN taz | Normalerweise gibt es jetzt German Mittagessen im Restaurant | |
Oderquelle in Berlin-Prenzlauer Berg. Von den 80 Stühlen unter dem Rotdorn | |
am Bürgersteig wäre ein guter Teil besetzt. „Remmidemmi“, sagt Inhaber Di… | |
Zander, mehrere Stunden Gerenne zwischen Küche, Tresen und den Gästen auf | |
der Terrasse. „Nach einer 12-Stunden-Schicht bist du knülle.“ Er putzt den | |
Laden auch noch selbst. „Das ist der Beruf“, er macht ihn gern. Die | |
Oderquelle ist Zanders Lebensprojekt. | |
Brunch haben sie hier nicht, sondern was Ordentliches. „Nichts für Hipster, | |
wir zaubern nicht mit Blattgold.“ Auf der Karte stehen „Halbe Brandenburger | |
Landente, kross aus dem Ofen, an Apfelrotkohl und Kartoffelklößen“ und | |
„Ofenfrischer Schweinebraten in Schwarzbiersoße“. Pommes sind nicht im | |
Programm, eine Fritteuse sucht man in der Küche vergebens. „Schnitzel | |
gehören in die Pfanne“, sagt Zanders Kompagnon Sören Günther. Vor allem | |
kochen sie für ihre Stammgäste, die Leute aus der Gegend. Wobei auch | |
Touristen kommen, weil der Laden im Reiseführer „Lonely Planet“ steht. | |
Doch an diesem Sonntag Anfang Mai sprudelt die Oderquelle nicht. Die | |
Inhaber, beide Mitte 40, sitzen wieder mal hinter der gläsernen | |
Terrassentür ihres leeren Restaurants. Seit der coronabedingten Schließung | |
der Gastronomie im März haben sie Holztische abgeschliffen und lackiert, | |
die Küche renoviert. Nun ist eigentlich nichts mehr zu tun. „Es könnte | |
sofort losgehen“, sagt Zander. Er trägt Jeans und T-Shirt. Ein paar graue | |
Strähnen zeigen sich in Bart und Zopf. | |
Bis es losgeht, dauert es aber noch – wie der Berliner Senat einige Tage | |
später entscheidet, bis zum 15. Mai. Währenddessen wird in der Oderquelle | |
[1][das Geld knapp]. Die Berliner Volksbank hat sich nach Angaben der | |
beiden Gastwirte geweigert, ihren Kreditantrag an die öffentliche | |
KfW-Bankengruppe weiterzuleiten, die die Hilfsprogramme der Bundesregierung | |
für Unternehmen umsetzt. Für Zander und Günther bedeutet die Coronakrise, | |
dass sie seit Wochen null Einnahmen haben und trotzdem der staatliche | |
Rettungskredit nicht kommt. Das Geschäft steht auf der Kippe. | |
## Die Lage bleibt für viele prekär | |
Zahlreiche Firmen stecken deutschlandweit in derselben Bredouille. Die KfW | |
spricht zwar nur von einigen hundert Beschwerden, nach Angaben des | |
Gastronomieverbands Dehoga dagegen haben über 10 Prozent der Betriebe | |
Probleme mit ihrer Bonität bei den Hausbanken. „Viele Kredite werden nicht | |
genehmigt“, sagt Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges. Aus anderen | |
Branchen kommen ähnliche Hinweise. Auch wenn Gaststätten, Biergärten und | |
Cafés ab Mitte Mai langsam und eingeschränkt wieder öffnen dürfen, bleibt | |
die Lage prekär. Denn in den ersten Monaten werden die Firmen wegen der | |
Abstandsregeln viel weniger verdienen als vor der Krise. | |
Die Oderquelle liegt in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg in Berlin. | |
Fünfstöckige Altbauten, viel Grün, nebenan die Feuerwache. Gerade fahren | |
zwei Leiterwagen raus. Die Mannschaft in den dicken Schutzanzügen winkt | |
herüber. An der nächsten Ecke, wo früher die Mauer stand, wird die Sirene | |
eingeschaltet. „Die sitzen ooch öfters hier“, sagt Günther, „dann hamwa | |
Feuerwehrrabatt.“ | |
Die Tür geht auf, ein Mann mit Sonnenbrille tritt ein. „Hallo Lutz“, sagt | |
Günther. Auch ein Stammgast. Dessen Blicke wandern über den leeren Tresen, | |
der früher in der Kantine der Filmhochschule Babelsberg stand, dann über | |
den polierten Holzboden, die aufgearbeiteten Kirchenbänke und um die | |
verwaisten Tische. „Wann macht ihr wieder alles auf?“ – „Morgen“, pro… | |
Günther einen Witz. Das soll nach guter Laune klingen. Manchmal ist ihm | |
eher zum Heulen zumute. | |
Als die Bundesregierung Ende März die Schließung verkündete, gab es | |
Champagner für die Belegschaft. „In zwei Wochen sehen wir uns hier wieder“, | |
hieß es. Nun sind sieben Wochen vorbei. Das Finanzamt hat die Steuerzahlung | |
gestundet, der Vermieter die Pacht. 14.000 Euro Zuschüsse vom Berliner | |
Senat und Bund hat die Oderquelle erhalten – wie Hunderttausende andere | |
Firmen. Und Ende April ist endlich das März-Kurzarbeitsgeld für die neun | |
Arbeitsplätze eingegangen. „Aber jetzt wird es schwierig“, sagt Zander. | |
[2][Nicht nur hier]: Kürzlich meldete der Gastronomieverband Dehoga, dass | |
bei „jedem dritten Betrieb die Liquidität weniger als 20 Tage reicht“. | |
## Die Bank zieht nicht mit | |
Die Oderquelle hat einen Kredit über 50.000 Euro bei der KfW beantragt. | |
Günther und Zander müssen schließlich auch jetzt die Miete für ihre | |
Wohnungen weiterzahlen. Nach der Wiedereröffnung wird die ausgesetzte | |
Restaurantpacht fällig. Und die Küche braucht für den Start frische | |
Lebensmittel. | |
Doch die Berliner Volksbank, bei der die Wirte ihr Geschäftskonto führen, | |
zieht gerade nicht mit. Die Hausbanken nehmen bei den | |
Corona-Hilfsprogrammen – wie auch bei normalen KfW-Krediten – die Anträge | |
der Firmen an und prüfen deren Kreditwürdigkeit, um die Papiere dann an die | |
Staatsbank weiterzuleiten. Letzteres mache die Volksbank in diesem Fall | |
einfach nicht, sagen die Wirte. Das Institut selbst will sich dazu nicht | |
äußern – Bankgeheimnis und Datenschutz. | |
Auf dem Tisch an der Terrassentür hat Günther Papiere ausgebreitet. Am 16. | |
April schickte er den Kreditantrag an die Volksbank. Am 27. April habe ein | |
Bankmitarbeiter ihm erklärt: Geht nicht. Als Grund sei angeführt worden, | |
dass der Gewinn der Oderquelle 2019 weniger als 60.000 Euro betrug. Nach | |
den internen Kriterien des Geldhauses reicht das anscheinend nicht, um die | |
Firma als stabil einzustufen. | |
Zander und Günther sehen die Sache so: Seit dem Erwerb des Restaurants 2014 | |
schwarze Zahlen, gleichzeitig über 100.000 Euro Kaufpreis abbezahlt, | |
zusätzlich 50.000 Euro investiert. Sie hätten sich selbst nur 2.000 Euro | |
pro Kopf und Monat als Gewinn überwiesen, um möglichst viel in die Firma zu | |
stecken. „Es geht auch um unsere Altersvorsorge“, sagt Zander, „außer | |
diesem Laden haben wir nichts.“ Corona, die Ausgangsbeschränkung, die | |
Geschäftsschließung und jetzt das Nein der Bank – das alles fühle sich an | |
„wie ein unerwarteter Todesfall. Mit den Wochen, die vergehen, wird es | |
nicht besser, eher schlimmer.“ | |
## Hoffen auf Zuschüsse | |
Absurd mutet das alles auch deshalb an, weil das Risiko für die Volksbank | |
wohl nur bei 5.000 Euro liegt. Denn würde die Oderquelle den KfW-Kredit | |
bekommen und dann pleitegehen, übernähme die öffentliche Bank 90 Prozent | |
der Haftung. Nur auf 10 Prozent der Kreditsumme, also 5.000 Euro, bliebe | |
die Volksbank sitzen. Es könne sein, wurde den Wirten gesagt, dass das | |
Institut ihnen demnächst einen Kredit aus eigenem Programm anbiete – aber | |
wohl zu deutlich höheren Zinsen als bei der KfW, was die Zukunftsaussichten | |
der Gaststätte nicht verbessert. | |
Auch politisch mag sich etwas tun. Man prüfe die Staatshaftung für | |
KfW-Kredite, wie die Oderquelle einen braucht, auf 100 Prozent zu erhöhen, | |
heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Das erleichtert der Volksbank | |
eventuell die Entscheidung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will | |
in diesen Tagen einen „Vier-Stufen-Plan“ vorstellen, ein | |
Raus-aus-der-Krise-Programm, auch für die Gastronomie. Ein Punkt darin: | |
Darlehen werden in Zuschüsse umgewandelt. Darin könnte eine Chance für | |
Zander und Günther liegen – wenn sie den KfW-Kredit doch bekämen. Sowieso | |
fordert der Gastronomieverband Dehoga einen zusätzlichen Rettungsfonds | |
mit Bargeld für die Branche. | |
In der Tür der Oderquelle steht jetzt ein Paar von gegenüber. Die beiden | |
wollen nicht reinkommen. Sören Günther geht ihnen entgegen. Mit gedämpfter | |
Stimme bieten sie an, eine Monatsmiete zu übernehmen. Wenn es hart auf hart | |
kommt. Dirk Zander schüttelt den Kopf, erstaunt, gerührt. „So ist das hier. | |
Aber wir wollen unseren Gästen nichts schulden, sondern es selbst | |
schaffen.“ | |
11 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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