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# taz.de -- Neues Album von Les Amazones d’Afrique: Die Traditionsbrecherinnen
> Sie sind ein Kollektiv von Musikerinnen aus afrikanischen Ländern, die
> für Frauenrechte kämpfen. „Amazones Power“ heißt die neue Platte.
Bild: Les Amazones d'Afrique während der Aufnahmen ihres letzten Albums in Bam…
Sorry, „Xena“: Die schöne, waffenschwingende, kurzberockte Amazone ist ein
Produkt männlicher Geschichtsschreibung. Überlieferungen von
Gesellschaften, in denen männermordende Kriegerinnen das Sagen hatten,
wurden später oft als Mythen entlarvt – als heillos sexualisierte Fantasien
obendrein.
Ein Amazonenheer gab es allerdings wirklich: Auf dem Gebiet des heutigen
Benin zogen die „Amazones du Dahomey“, wie westliche Historiker die
Ehefrauen des dortigen Königs nannten, vom 17. bis 19. Jahrhundert prügelnd
durch die Lande, um die Untertanen in Schach zu halten. Denen war es
nämlich verboten, die Königsfrauen anzufassen.
An dieses Frauenheer wie auch an die Amazones de Guinée, die erste rein
weiblich besetzte Popband Guineas, erinnert – wohl nicht ohne Grund – der
Bandname von Les Amazones d’Afrique: eine echte Supergroup, ein loser
Zusammenschluss von Pop- und Folklore-Musikerinnen aus afrikanischen
Ländern, die gegen die Entrechtung von Frauen kämpfen – und zugleich gegen
westliche Afrikaklischees und Geltungsansprüche in Frauenrechtsdebatten.
Immerhin vergisst man im angelsächsischen Raum gern, dass Frauen auf dem
afrikanischen Kontinent Grausamkeiten wie Genitalverstümmelung erleiden
müssen – aber genauso, dass sie auch als Vorkämpferinnen in Erscheinung
treten: Ruanda zum Beispiel ist mit seinem weiblich dominierten Parlament
ein geschlechterpolitisches Musterland.
## Von der Unterdrückten zur Unterdrückerin
„Im Feminismus kann es nicht nur um Geschlechtergerechtigkeit in westlichen
Ländern gehen, wenn viele Frauen nicht mal Grundrechte haben“, sagt die
Künstlerin Niariu – aktuell jüngstes Mitglied der Amazones d’Afrique – …
einem Statement zum aktuellen Album „Amazones Power“, das im Januar
erschienen ist. „Wenn wir nicht alle frei sind, werden manche zu
Unterdrückerinnen, während andere unterdrückt bleiben.“
Begonnen hatte das Projekt vor gut sechs Jahren. Damals kamen die
malinesischen Sängerinnen Mamani Keïta, [1][Oumou Sangaré] and Mariam
Doumbia, bekannt durch das Duo Amadou und Mariam, ins Gespräch mit Valerie
Malot, Chefin der französischen Booking-Agentur 3D Family. Sie unterhielten
sich über Geschlechterfragen und kamen überein, so erzählte Malot später
dem britischen Guardian, dass Unterdrückung ein Thema sei, das Frauen auf
der ganzen Welt verbinde.
Also gründeten sie ein Künstlerinnenkollektiv, um ihre Positionen
sichtbarer zu machen – und mit dem Ziel, die Panzi-Stiftung, die sich für
Überlebende sexualisierter Gewalt einsetzt, finanziell zu unterstützen. Im
Jahr 2015 fand der erste Auftritt der Amazones d’Afrique statt, zwei Jahre
später erschien das Electronica-lastige Debütalbum „Republique Amazone“ a…
Peter Gabriels Label Real World.
Schon die frühe Single „I Play The Kora“ war eine Provokation, die sich
ohne Kenntnisse der westafrikanischen (Musik-)Geschichte nicht sofort
erschließt: Die Kora, eine Stegharfe, war jahrhundertelang den Männern
vorbehalten. Bekannte Koraspielerinnen gab es nicht, bis die junge
Generation, angeführt von der gambisch-britischen Musikerin Sona Jobarteh,
mit dieser Tradition brach.
## Französischer HipHop trifft Reggaeton
Die Zusammensetzung der Amazones d’Afrique, die sich eher als Kollektiv
denn als Band verstehen, hat sich in den vergangenen Monaten ständig
verändert. Die eigentlich – vor Corona – angedachten Liveshows sollten Fafa
Ruffino, Kandy Guira, Mamani Keïta und eben Niariu bestreiten.
Trotz der großen Namen der Beteiligten, die teilweise Stars in ihren
Herkunftsländern sind, stehen immer das Projekt und seine Botschaft im
Vordergrund – dabei wäre jede Einzelne einen Beitrag wert: Zum Beispiel
Rapperin Moesha13, die französischen HipHop und Reggaeton fusioniert und
schon beim Berliner Auskenner-[2][Musikfestival CTM] zu Gast war.
Trotz all dieser unterschiedlichen Stimmen ist „Amazones Power“ tatsächlich
ein organisches Album, ein Gemeinschaftswerk in jeder Hinsicht. Der
legendäre Produzent Doctor L hat an einem Sound mitgebastelt, der die
Durchlässigkeit zeitgenössischer Electronica-Produktionen mit der Wucht von
perkussiver, traditioneller Folkmusik verbindet.
Die Amazones d’Afrique singen mal vielstimmig zum Sägezahnbass, mal erhebt
eine im Alleingang die strahlende Stimme zur Weh- oder Anklage. Immer
wieder erinnern sie daran, auch im Uptempo oder Dubrhythmus das ernste
Anliegen nicht der Euphorie zu opfern: „Heute ist kein Tag zum Feiern, wir
nehmen die Sache ernst“, ließen sich die Lyrics von „Love“ übersetzen. …
Frauen sind angetreten, um gegen Genitalverstümmelung zu kämpfen.“ Keine
Kriegerinnen, sondern Kämpferinnen mit globaler Mission.
Dieser Text ist Text ist in der Verlagsbeilage der taz erschienen.
12 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Julia Lorenz
## TAGS
Afrikanische Musik
HipHop
Afrika
Intersektionalität
Feminismus
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Pop
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