| # taz.de -- Von zu Hause arbeiten: Himmel, Hölle, Homeoffice | |
| > Daheim arbeiten ist wie Joggen oder Schokolade: Kann toll sein. Zu viel, | |
| > dann wird einem schlecht. Über die Tücken des Schlabberlookproletariats. | |
| Bild: Super Platz – leider auch zum Prokrastinieren: das Homeoffice | |
| Das Fachmagazin Cyberpsychology wird 40 Jahre alt. Zu seinem Geburtstag | |
| empfiehlt es, zwei Mal täglich in einem [1][virtuellen Garten spazieren zu | |
| gehen], um während einer Corona-Quarantäne nicht durchzudrehen. Ist ein | |
| ernster Ansatz, entwickelt in Italien. | |
| Falls sich nach ein paar Wochen Homeoffice die Tage zäh anfühlen, wenn Sie | |
| ausgebrannt sind: ist ganz normal. Ein Bereich in unserem Hirn ist für die | |
| Wahrnehmung von Orten da. Und diese sind mit [2][autobiografischen | |
| Informationen] verknüpft: „Wir sind Arbeiter, weil wir in die Firma | |
| gehen“, schreibt [3][Cyberpsychology]. Falls nicht, verliert sich die | |
| Arbeiteridentität. | |
| Das passt zu dem, was Mareike Bünning und Kolleg*innen vom | |
| Wissenschaftszentrum Berlin nach einer Onlineumfrage mit 10.000 | |
| Beteiligten[4][in der Zeit Online schrieben]: Im Homeoffice wird man | |
| zufriedener mit dem Familienleben, nicht aber mit der Arbeit, da steigt der | |
| Frust. Besonders bei Frauen, weil die mehr Kinderbetreuung übernehmen als | |
| die Männer. Allerdings sagt das Ergebnis wenig über die Segnungen von | |
| gelegentlichem Homeofficen aus, organisiert und nicht erzwungen. | |
| „Die Romantik des Homeoffice ist wohl zerstört. Aber eben auch das | |
| Totschlagargument vieler Arbeitgeber, das gehe überhaupt nicht“, sagt | |
| Bünning der taz. Oder, wie es SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil kürzlich im | |
| Bundestag ausdrückte: „Dass Homeoffice nicht immer ein Zuckerschlecken ist, | |
| erleben im Moment viele.“ | |
| Heil hat jetzt seinen alten Vorschlag von Anfang 2019 ausgegraben und bis | |
| zum Herbst einen Gesetzentwurf zum [5][„Recht auf Homeoffice“] angekündigt. | |
| Vergangenes Jahr war er damit noch am Widerspruch von Wirtschaftsminister | |
| Peter Altmaier (CDU) gescheitert. Die Grünen wollten kurz vor Ausbruch der | |
| Krise auch ein Heimarbeitsrecht, inklusive neuer Regelungen beim | |
| Datenschutz, Unfallschutz sowie klarer Haftungsfragen: Es gilt gemeinhin | |
| als nicht präzise geregelt, wer zahlt, wenn man beim Homeofficen vom | |
| Dienstrechner aufsteht, in sein eigenes Homeklo pinkelt und sich dabei | |
| verletzt. Außerdem fordern die Grünen ein Rückkehrrecht, falls es einem | |
| daheim zu doof wird. Unternehmen sollen Heimarbeit zudem begründet ablehnen | |
| können. Was für Tätigkeiten wie Dachdecken oder Kernbrennstäbewechseln | |
| sinnvoll erscheint. | |
| Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2016 | |
| [6][Erkenntnisse über das Homeoffice] zusammengetragen: Wer auch daheim | |
| arbeiten darf, ist zufriedener, macht aber mehr und vor allem unbezahlte | |
| Überstunden, auch in vergleichbaren Jobs. Wer daheim arbeiten könnte, aber | |
| nicht darf, ist besonders unglücklich. In den Niederlanden arbeiteten vor | |
| Corona 30 Prozent zumindest gelegentlich von zu Hause aus, bei uns waren es | |
| nur 8,6 Prozent, derzeit ein Viertel. | |
| ## Soziale Frage Homeoffice | |
| Wirtschaftsverbände sind gegen jedwede Pflichten für die Firmen und deshalb | |
| auch gegen eine Pflicht, auf Wunsch Homeoffice zu erlauben und | |
| einzurichten. Auch die Gewerkschaften sehen die Sache nicht nur positiv. | |
| Claudia Dunst arbeitet für die IG Metall in Baden-Württemberg gerade mit | |
| Betriebsräten daran, Regeln zu mobilem Arbeiten umzusetzen. Bisher sei vor | |
| allem die mittlere Führungsebene in Unternehmen schwer zu überzeugen, sie | |
| fürchtet den Verlust der Kontrolle über ihre Beschäftigten, erzählt Dunst. | |
| „Die Erfahrungen jetzt werden aber enorm was ändern“, glaubt sie. „Viele | |
| Betriebsräte sagen uns gerade, dass viel mehr in Sachen Homeoffice geht.“ | |
| Dennoch müssten bei einem Recht auf Daheimarbeiten dringend die konkreten | |
| Umstände in den Unternehmen berücksichtigt werden. | |
| Außerdem könnte es [7][Ungleichheiten verschärfen]: Das DIW hat gezeigt, | |
| dass vor allem gut bezahlte Akademiker*innen vom „HO“ profitieren. „Wird | |
| jemand ein Gesetz bei seinen Vorgesetzten einfordern, der auf sich allein | |
| gestellt ist und keine starke Vertretung durch Betriebsrat oder | |
| Gewerkschaft hat? Ich hab da so meine Zweifel“, sagt auch Dunst. Homeoffice | |
| dürfe auch nicht dazu führen, dass Unternehmen Kosten auf | |
| Arbeitnehmer*innen abwälzten, sagt sie. Wenn im Schnitt 20 Prozent der | |
| Belegschaft daheim arbeiten, spare das auch Strom und Büromiete. Dunsts | |
| Fazit: Recht auf Homeoffice ja, aber die konkreten Bedingungen müssten | |
| vorher geklärt werden. | |
| Auch, was die Technik betrifft. Cyberpsychology verweist auf den Mailänder | |
| Psychologen Luca Bernardelli. Er hat Cyberbrillen für sein Team | |
| angeschafft. Während der Quarantäne hält er Meetings nicht per Videochat | |
| ab, sondern auf japanischen Bergen. „Virtual Reality ist wirklich ein | |
| mächtiges Werkzeug. Das wird eine neue Art des Arbeitens daheim“, sagt | |
| Bernardelli. Man vergesse bei Meetings die Zeit – und Spaß machten sie auch | |
| noch, so als Avatar. | |
| 30 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.covidfeelgood.com/the-self-help-protocol-english-version | |
| [2] https://cshperspectives.cshlp.org/content/7/2/a021808.full | |
| [3] https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/CYBER.2020.29183.gri?utm_source=Ades… | |
| [4] https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-04/heimarbeit-homeoffice-corona-alltag-… | |
| [5] /Homeoffice-Rechte-fuer-Arbeitende/!5678697 | |
| [6] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.526036.de/16-5.pdf | |
| [7] /Prekaer-Beschaeftigte-in-Coronazeiten/!5680834 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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