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# taz.de -- Chef der HafenCity über Homeoffice: „Nicht alle brauchen absolut…
> Durch Corona-Homeoffice werden Städte flexibler und sparen Flächen, sagt
> Jürgen Bruns-Berentelg. Dafür müssen wir Wohnen neu bauen.
Bild: Corona beruhigt sogar die Hafencity – bringt es auch eine neue Stadtpla…
taz: Herr Bruns-Berentelg, lassen sich Städte [1][auch aus dem Homeoffice]
planen?
Jürgen Bruns-Berentelg: Planen im Grunde genommen ja, aber es gibt Gewerke,
für die es schwieriger ist, weil ihre Server-Kapazitäten im Homeoffice
nicht ausreichen. Ingenieure oder Verkehrsplaner zum Beispiel. Was für
unsere Arbeit allerdings unverzichtbar ist, ist der Face-to-face-Kontakt
mit den Bürgerinnen und Bürgern, etwa in Diskussionsrunden über
Bauvorhaben. Demokratische Beteiligung lässt sich nicht dauerhaft digital
organisieren.
Sie waren in Berlin an der Planung von Sony Center und und Hauptbahnhof
beteiligt und steuern nun die Entwicklung der [2][Hamburger Hafencity]. Wie
hat sich die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren verändert?
Arbeitsstrukturen werden flexibler, um unterschiedliche Bedürfnisse zu
bedienen. Noch im frühen 20. Jahrhundert ist ein Teil der Literatur in
Wiener Kaffeehäusern entstanden. Die Geräuschkulisse dort ist so
omnipräsent, dass man durch Einzelgespräche nicht gestört wird und sich
durchaus konzentrieren kann. Dass ein Mensch zum Arbeiten absolute Ruhe
braucht, gilt also nicht für alle. Wir wollen öffentliche Flächen schaffen,
die auch zum Arbeiten genutzt werden können. Man kann sich dort einen
Kaffee bestellen, muss aber nicht. Wir verpflichten Bauherren teilweise
dazu, solche flexiblen Flächen anzubieten, zum Beispiel neben einem
Studierendenwohnheim. Auch Hotels werden diese Art von öffentlich nutzbaren
Räumen zunehmend anbieten.
Homeoffice ist also nicht die einzige Alternative zum Firmenbüro …
Nein, es gibt zum Beispiel Unternehmen, die Co-Working-Büros entwerfen
lassen, die flexibel genutzt werden können, auch von Dritten, die nicht im
eigenen Unternehmen arbeiten. So können Mitarbeiter aus ihrem eigenen Büro
in ein anderes Arbeitsumfeld wechseln. Damit werden neue Möglichkeiten der
Zusammenarbeit und des Rückzugs geschaffen. Auch Baugemeinschaften planen
Wohngebäude, die mit gemeinschaftlichen Arbeitsräumen kombiniert werden. So
können berufstätige Eltern, deren Kinder am Nachmittag aus der Schule nach
Hause kommen, kurz in die eigene Wohnung gehen, um sie zu versorgen.
Eine „Stadt der kurzen Wege“ also. Aber was, wenn ich meine Kollegen nicht
auch noch als Nachbarn haben möchte?
Wolfsburg ist dafür ein Beispiel. Diese Stadt wird von einem Großkonzern
dominiert. Die Angestellten pendeln lieber, als Kollegen in der Stadt zu
begegnen. Aber: Wenn ein Stadtquartier gut geplant ist und kein einzelnes
Unternehmen dominiert, kann man ein Fremder bleiben, wenn man das möchte.
Es gibt viele Möglichkeiten soziale Distanz zwischen dem Arbeits- und
Wohnort aufzubauen, ohne dass sie räumlich getrennt sein müssen.
Welche Nachteile sehen Sie im dezentralen Arbeiten?
Laut US-Studien werden diejenigen, die nie in der Firma sind, am sozialen
Aufstieg gehindert. Frauen zum Beispiel, die schneller in die Rolle der
Versorgerin für die Kinder gedrängt werden, verlieren so die Option
aufzusteigen. Außerdem fehlen Anerkennung und Bestätigung von Kollegen. Der
soziale Austausch in einem Büro geht weit über die Kaffeepause hinaus. Im
Silicon Valley hat man das erkannt, weshalb häufiger alle Mitarbeiter auch
in die Firma kommen müssen.
Und derzeit?
In der Coronakrise habe ich Leute sagen hören, dass sie wegen des
Homeoffice in Zukunft mehr Wohnfläche bräuchten. Dafür wollten sie an den
Stadtrand ziehen, wo sie sich ein Haus leisten können. Das wäre eine
konträre Entwicklung zu den Zielen moderner Stadtplanung, den
Flächenverbrauch und den Verkehr zu reduzieren. Wir müssen auch das Wohnen
in den Städten selbst anders bauen.
Wie sehen unsere Städte in Zukunft also aus?
Viertel, in denen nur gearbeitet oder nur gewohnt wird, wird es langfristig
nicht mehr geben. Quartiere werden so geplant, dass alles an einem Ort
möglich ist, mit Arbeitsplätzen zu Hause, die gut funktionieren. Das
Verkehrsaufkommen wird sich in Metropolregionen verringern, aber nicht mehr
als fünf, vielleicht zehn Prozent auf absehbare Zeit. Denn einige Menschen
werden auch in Zukunft noch an getrennten Orten leben und arbeiten – unsere
falschen Strukturen sind langlebig. Mobilität ist zudem auch eine soziale
Freiheit.
30 Apr 2020
## LINKS
[1] /Homeoffice-Rechte-fuer-Arbeitende/!5678697
[2] /Herzog--de-Meuron-gewinnen-Wettbewerb/!5674541
## AUTOREN
Nora Belghaus
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