# taz.de -- Machtkampf in der Berlin SPD: Aufgeschoben, aufgehoben? | |
> Eigentlich sollte im Mai Familienministerin Giffey als Nachfolgerin von | |
> Parteichef Müller inthronisiert werden. Daraus wird nichts – vorerst. | |
Bild: Die drei von der SPD: Franziska Giffey im Gespräch mit Fraktionschef Sal… | |
Berlin taz | Lange Zeit haben sie stillgehalten. Weder Michael Müller noch | |
Franziska Giffey oder Raed Saleh äußerten sich zu der Frage, wer nach der | |
Coronakrise die Berliner SPD in den Wahlkampf 2021 führen wird. Müller hat | |
als Regierender Bürgermeister genug damit zu tun, Rot-Rot-Grün durch die | |
Pandemie zu moderieren. Giffey mahnte als Bundesfamilienministerin zuletzt | |
eine Perspektive für die Wiedereröffnung von Kitas an. Und Fraktionschef | |
Raed Saleh? Wo ist eigentlich Raed Saleh? | |
Das Stillhalteabkommen der drei Führungsfiguren in der Sozialdemokratie | |
währte bis zum vergangenen Mittwoch. Müller war da [1][zu Gast bei | |
TV-Moderator Markus Lanz] und ließ es sich nicht nehmen, am Schluss der | |
Sendung eine kleine Pointe zu setzen. „Ich habe das Gefühl, Sie haben | |
gerade wieder richtig Spaß an der Politik“, sagte Lanz zu Müller. Der | |
antwortete lachend: „Hatte ich immer.“ | |
Also bohrte Lanz weiter, lobte, dass Müller während der Corona-Pandemie in | |
die Rolle des Krisenmanagers hineinwachse, und wollte wissen, ob dessen | |
Ankündigungen zu seiner Zukunft in der Landespolitik ein Fehler gewesen | |
sei. Der Regierungschef erwiderte: „Erst mal haben wir was verabredet für | |
den Parteivorsitz und haben gesagt, wir gucken dann, wie es weitergeht.“ | |
Daraufhin Lanz: „Ein knallhartes Dementi ist etwas anderes.“ | |
Die Medien sprangen auf die Pointe an. „Müller hält sich weitere Amtszeit | |
offen“, kommentierte die Süddeutsche Zeitung. Der Tagesspiegel | |
konstatierte: „Michael Müller macht das Regieren großen Spaß“. Aber ist … | |
tatsächlich wahrscheinlich, dass die Berliner SPD bei den Wahlen im Herbst | |
2021 noch einmal mit Michael Müller ins Rennen geht? | |
Auf eine Spitzenkandidatur haben sich die Sozialdemokraten tatsächlich noch | |
nicht verabredet, nicht einmal auf ein Procedere. Es gilt lediglich, was | |
bei anderen Parteien normalerweise auch gilt: Der Landeschef hat den | |
Vortritt für die Spitzenkandidatur. Und noch heißt dieser Landeschef | |
Michael Müller. | |
Kurz nach der Fraktionsklausur im Januar in Nürnberg, bei der überraschend | |
auch Franziska Giffey aufgetaucht war, hatte Müller bekannt gegeben, den | |
Landesvorsitz zur Verfügung zu stellen. Auf einem Parteitag am 16. Mai | |
sollten sich Franziska Giffey und Raed Saleh gemeinsam als Doppelspitze für | |
die Führung der Berliner SPD bewerben; ihre Wahl galt als sehr sicher. | |
Allerdings wurde der Parteitag im März wegen der Coronakrise verschoben – | |
auf unbestimmte Zeit. Die Exekutive hat nun das Heft des Handels in der | |
Hand und – da das nun auch in der Berliner Landespolitik gilt – das | |
Parteileben der SPD weitgehend lahmgelegt. | |
Allerdings drängt der Zeitplan. „Bis Ende des Jahres muss ein neuer | |
Landesvorstand gewählt werden“, sagte SPD-Landessprecherin Claudia | |
Kintscher der taz. Grund ist der Paragraf 11.1 des Parteiengesetzes, der | |
vorschreibt, dass ein Vorstand mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr | |
gewählt wird. | |
## Kein digitaler Parteitag möglich | |
Erschwerend kommt für die Berliner SPD hinzu, dass sie für die | |
Vorstandswahl einen [2][so genannten Präsenzparteitag] braucht. Soll | |
heißen, alle 279 Delegierten müssen physisch anwesend sein. Zwar hatte der | |
Landesverband bereits einen regulären Landesparteitag für den 12. Dezember | |
angesetzt, auf dem sollte allerdings schon die Liste für die Bundestagswahl | |
verabschiedet werden. Sollte es bei diesem Fahrplan bleiben, müsste der | |
Landesvorstand also eher gewählt werden. | |
Ursprünglich war geplant, den ausgefallenen Mai-Parteitag im September | |
nachzuholen. Dafür hat der Landesverband bisher aber keine Räume gefunden, | |
die die Corona-bedingten Abstandsregeln erlauben würden, hieß es aus der | |
SPD. | |
Sollten die neuen Landeschefs tatsächlich erst im Dezember gewählt werden | |
können, wäre damit auch ein Szenario obsolet, auf das Saleh und Giffey noch | |
im Januar spekuliert hatten: ein Machtwechsel im Roten Rathaus noch vor den | |
nächsten Parlamentswahlen im Herbst 2021. Wenn Franziska Giffey Michael | |
Müller noch in dieser Legislaturperiode abgelöst hätte, hätte sie nicht nur | |
als Spitzenkandidatin, sondern auch als Amtsinhaberin in den Wahlkampf | |
gehen können. | |
Allerdings ist fraglich, ob Linke und Grüne dafür überhaupt den Weg frei | |
gemacht hätten. „Wir haben eine stabile Koalition und einen Regierenden | |
Bürgermeister. Und es gibt keinen Grund, etwas daran zu ändern“, hatte | |
Kultursenator und Vize-Regierungschef Klaus Lederer (Linke) [3][Ende Januar | |
erklärt]. Von Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek war zu hören: „Ich habe | |
das Gefühl, dass er [Michael Müller, d. Red.] gerade vor Kraft und Elan | |
strotzt und seinen Job gern weitermachen würde.“ | |
Aus dem Roten Rathaus heißt es, dass für Michael Müller derzeit nur | |
feststehe, dass es einen Wechsel an der Parteispitze geben wird. Ein | |
Wechsel im Roten Rathaus sei kaum vorstellbar, da die Coronakrise nicht in | |
zwei Monaten zu Ende sei: Weil die Wirtschaft unter der Krise leide, seien | |
Kontinuität und Krisenmanagement gefragt. Außerdem, so heißt es, arbeiteten | |
Michael Müller und seine beiden Stellvertreter Klaus Lederer und Ramona Pop | |
(Grüne) derzeit so gut zusammen wie noch nie seit dem Beginn von | |
Rot-Rot-Grün im Dezember 2016. | |
Von Fraktionschef Raed Saleh war am Sonntag keine Stellungnahme zu | |
bekommen. Allerdings betonte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende | |
Ülker Radziwill gegenüber der taz, dass die bisherigen Absprachen weiter | |
gelten würden. „Müller, Saleh und Giffey sind in engem Kontakt“, sagte | |
Radziwill der taz. | |
Franziska Giffey wiederum hält sich derzeit mit öffentlichen Äußerungen zur | |
Landespolitik zurück. Gut möglich, dass Corona nicht nur den Fahrplan der | |
Berliner SPD durcheinandergewirbelt hat, sondern auch den persönlichen | |
Karriereplan der Familienministerin. Sollten die Grünen im Bund weiter | |
schwächeln, wäre auch eine Fortsetzung der CDU/SPD-Koalition denkbar. Warum | |
sollte sich Giffey dann auf den Berliner Schleudersitz setzen? | |
27 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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