# taz.de -- SPD-Fraktionschef bei der IHK: Alles nicht so richtig stimmig | |
> Raed Saleh erklärt bei Unternehmern Franziska Giffey zur Nummer 1 bei der | |
> SPD – und wirft so die Frage auf, warum es dann eine Doppelspitze | |
> braucht. | |
Bild: Raed Saleh bei seiner Ankündigung Ende Januar, mit Franziska Giffey die … | |
Wie macht er das bloß? Wie schafft es Raed Saleh, der SPD-Fraktionschef im | |
Abgeordnetenhaus, sich noch mehr runterzuziehen? Erst seine äußerst | |
[1][missliche Einschätzung nach dem Thüringen-Eklat], uneingeschränkt zur | |
Demokratie und zum Grundgesetz stünden „nur die Parteien der linken Mitte, | |
nämlich SPD, Grüne und Linke“. Dann sein viel kritisierter Besuch in der | |
RBB-Sendung „Chez Krömer“. Und nun an diesem Mittwoch dieser Auftritt bei | |
der Industrie- und Handelskammer (IHK). Die lädt seit vielen Jahren alle | |
paar Monate Politiker zum sogenannten wirtschaftspolitischen Frühstück ein | |
– knappe Begrüßung, kurze Eingangsworte, dann Fragen und Diskussion. | |
Eine gewisse Franziska Giffey war [2][im vergangenen April bei dieser | |
Unternehmer-Runde zu Gast] – und rockte einen voll besetzten Saal mit rund | |
260 Frühstückern. Der Applausometer lag nach IHK-Einschätzung unter den TOP | |
3 aller Zeiten. | |
Raed Saleh ist 10 Monate später die kongeniale Ergänzung, die er ab Mai | |
auch in einer neuen Doppelspitze der Berliner SPD mit Giffey bilden soll: | |
Wo sie rockte, schläfert er in einem 25minütigen Eingangsbeitrag ein. Schon | |
nach wenigen Minuten schließen sich bei einem Zuhörer in der zweiten Reihe | |
kurz die Augen, anderswo geht der Blick aufs Handy – und das an einem Tag, | |
an dem andere beim „Politischen Aschermittwoch“ ihre Zuhörer fesseln. | |
Zu allgemein sind Salehs Aussagen zu seiner Forderung „Berlin muss lernen, | |
groß zu denken“. Überraschendes, Neues, Großes ist nicht dabei – abgeseh… | |
davon, dass er mehrfach Noch-Landeschef Michael Müller lobt, was in | |
früheren Zeiten ganz anders war. Wo Giffey mehrfach Zwischenapplaus bekam, | |
bleibt es bei Saleh ruhig | |
## Eine Kunst im Hintergrund | |
Ende Januar haben die beiden samt Müller gemeinsam bekannt gegeben, dass | |
Müller beim Mai-Parteitag der SPD nicht erneut kandidieren und dass sich | |
nun das Duo Giffey-Saleh bewerben würde. Beeindruckt konnte man da noch | |
meinen, der Saleh habe es mal wieder in eine neue Zeit geschafft, wie ein | |
Talleyrand der Berliner Politik – jener französische Diplomat, der sowohl | |
in der französischen Revolution als auch unter Napoleon genauso | |
Außenminister war wie nach dessen Sturz im wieder hergestellten Königtum. | |
Saleh kann sich in gleicher Weise irgendwie mit Parteifreunden | |
unterschiedlichster Strömungen arrangieren, mit Klaus Wowereit, mit dem | |
zwischenzeitlichen SPD-Landeschef Jan Stöß – der an diesem Morgen auch beim | |
IHK-Frühstück sitzt – genauso wie mit Michael Müller und nun eben mit | |
Giffey. | |
Aber Diplomatie ist eben eine Kunst im Hintergrund und nicht auf einem | |
Podium. Da versucht sich Saleh anekdotisch, als er berichtet, wie er von | |
dem Thüringen-Deaster erfahren haben will. „Kemmerich gewählt“, habe ihm | |
seine Pressesprecherin an jenem 6. Februar in eine Sitzung gesimst. Er habe | |
zurück gefragt „Wer ist Kemmerich?“ Saleh will nicht gewusst haben, wer der | |
FDP-Fraktions- und Landesvorsitzende war, der schon ab Ende Januar | |
Meldungen produzierte, er wolle als Ministerpräsident kandidieren? | |
Und dann sagt Saleh auf dem Podium mit Blick auf das jüngste | |
SPD-Landtagswahlergebnis noch einen Satz wie „Hamburg ist für uns Vorbild, | |
Hamburg macht uns Mut“. Ausgerechnet Hamburg, wo die dortige SPD vom | |
Mietendeckel ihrer Berlin Parteifreunde gar nichts hält und von sonstiger | |
Regulierung auch wenig, dafür aber viel von Bündnissen mit privaten | |
Wohnungsbauunternehmen. | |
Das passt alles nicht zusammen, und inzwischen melden sich auch zunehmend | |
SPDler, die in ihm nicht den Mann an ihrer Parteispitze sehen wollen: Der | |
Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten meldete schon über einer Woche | |
Zweifel an, und am Vortag von Salehs-IHK-Auftritt [3][forderte im RBB der | |
Chef eines großen SPD-Kreisverbands], noch einmal zu überlegen, was die | |
beste Doppelspitze für die SPD und für die designierte Landesvorsitzende | |
Franziska Giffey sei. | |
## Von der Logik her nicht passend | |
Am Freitag, so kündigt Saleh an, will er mit Giffey zusammen zum ersten Mal | |
als Führungsduo der Zukunft auftreten, im BMW-Werk in Spandau, seinem | |
Heimatbezirk. „Das ist natürlich ein Statement“, sagt Saleh, der sich bei | |
der IHK auch sonst müht, seine Partei als ansiedlungs- und | |
wirtschaftsfreundlich darzustellen. | |
Das klappt wegen des Mietendeckels bloß nicht so richtig, zu dem sich | |
gleich mehrere kritische Stimmen melden – und dabei unter anderem Salehs | |
Deckel-Argument zerlegen, er er kenne eine Wohnung, wo der Preis bei | |
Neuvermietung von 700 auf 1.200 Euro gestiegen sei. Das sei schon längst | |
ungesetzlich und verboten, da braucht es aus Sicht des Kritikers keinen | |
Mietendeckel, sondern konsequente Kontrolle und Durchsetzung der | |
bundesrechtlichen Mietpreisbremse. | |
Und letztlich ist da noch so ein Satz, der von der Logik her einfach nicht | |
passt. „Franziska ist die Nummer 1“, sagt Saleh über Giffey und die | |
künftige SPD-Führungskonstruktion. Das aber ist die übliche Reihung beim | |
traditionellen Modell Chef(in) und Vize, nicht jedoch unter zwei | |
Amtskollegen – und lässt so die Frage offen im Saal stehen: Wenn es bei der | |
SPD eine klare Nummer 1 gibt, wieso braucht es dann eine Doppelspitze? | |
26 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gastbeitrag-raed-saleh… | |
[2] /Giffey-und-die-Berliner-SPD/!5583588&s=alberti+IHK+giffey/ | |
[3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/02/spd-berlin-doppelspitze-kritik… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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