| # taz.de -- Die „Operation Greenup“ in der NS-Zeit: Der Sommer des Widersta… | |
| > Jüdische Antifaschisten halfen, die „Alpenfestung“ von den Nazis im Mai | |
| > 1945 zu befreien. Vor allem katholische Frauen unterstützten sie dabei. | |
| Bild: Dank Agenten erfolgreich: die weitgehend kampflose Übergabe Innsbrucks | |
| Als Dyno Löwenstein im Mai 1943 das Bewerbungsformular des amerikanischen | |
| Kriegsheimdienst Office of Strategic Services (OSS) ausfüllte, gab er, | |
| gefragt nach seinen Sportarten und Hobbys, Folgendes an: „Ökonomische | |
| Forschung, Arbeiterorganisation, soziale Gesetzgebung, Bildung, | |
| Jugendprobleme.“ Er beschäftigte sich also überwiegend mit den ernsten | |
| und eher wichtigen Dingen des Lebens. | |
| Auch sonst schien sich der 29-jährige Mann aus Berlin für den OSS sehr zu | |
| empfehlen. Seit einigen Monaten verhörte Löwenstein im Auftrag der US Army | |
| bereits deutsche Kriegsgefangene. Und seine Vorgesetzten attestierten ihm | |
| dabei ein scharfsinniges und analytisches Denken, große Loyalität und | |
| unermüdlichen Aktivismus. | |
| Löwensteins Profil erinnert ein wenig an die linken Berufsrevolutionäre in | |
| Europa während und nach dem Ersten Weltkrieg. In den Augen des | |
| amerikanischen OSS qualifizierte es ihn für das Schwierigste: Spionage, | |
| [1][Sabotage und Widerstand] im Inneren des Deutschen Reichs zu | |
| organisieren. Und tatsächlich sollte Löwenstein im Frühjahr 1945 mit der | |
| „Operation Greenup“ für einen der erfolgreichsten Einsätze des OSS gegen | |
| Nazideutschland sorgen. Schauplatz war die mythenumwobene „Alpenfestung“ | |
| der Nazis in Tirol. | |
| Dyno Löwenstein war kein Berufsrevolutionär. Aber der Sohn eines | |
| Berufsrevolutionärs. Sein Vater, Kurt Löwenstein, trachtete bis zu seinem | |
| Tod 1939 in Paris danach, das bürgerliche Bildungssystem radikal zu | |
| verändern. Er wirkte als Stadtrat von Neukölln in Berlin, als Mitbegründer | |
| der „Kinderfreunde“ und als Reichsratsabgeordneter der SPD in Deutschland. | |
| ## Organisator von „Kinderrepubliken“ | |
| Dynos Vater war als Funktionär der Sozialistischen | |
| Bildungs-Internationale und Organisator von „Kinderrepubliken“ in Europa | |
| bekannt. Seine Hoffnung galt der Überwindung der Drillschulen, der | |
| Schaffung antiautoritärer Freiräume für deklassierte Kinder. | |
| Sohn Dyno Löwenstein maturierte 1933 selbst an der Karl-Marx-Schule in | |
| Neukölln. Sein Vater hatte sie in eine Gesamtschule umgewandelt. Zu diesem | |
| Zeitpunkt befand sich Vater Kurt schon im Exil. Der rechten Presse als Jude | |
| und Sozialist verhasst, trachtete ihm die SA mit der „Machtübernahme“ im | |
| Februar 1933 nach dem Leben. | |
| Der junge Dyno Löwenstein sammelte an der Seite seiner Eltern – auch seine | |
| Mutter Mara war politisch aktiv – Erfahrungen, die das OSS in keinem Kurs | |
| vermitteln konnte. Auch Mara und Dyno mussten Berlin verlassen und folgten | |
| ins Exil nach Frankreich. Nach dem Einmarsch der Deutschen flüchtete er mit | |
| seiner Mutter von Paris weiter nach Südfrankreich. | |
| ## Tarnen, Fälschen, Täuschen und Schleusen | |
| Dort wurde er zum Fluchthelfer für das amerikanische [2][Emergency Rescue | |
| Committee] (ERC). Bald war er mit den Techniken des Untergrunds vertraut: | |
| Tarnen, Fälschen, Täuschen und Schleusen. Entlassene Polizisten, | |
| Schmuggler, Geldwäscher und Gangster waren Geburtshelfer dieses | |
| Rettungswiderstands – und später auch der Résistance. | |
| Im Mai 1941 erreichten Dyno und Mara Löwenstein schließlich auf der | |
| „Captain Paul Lemerle“, dem letzten Rettungsschiff des ERC, den Hafen von | |
| New York. Im Spätsommer 1944 schickte das OSS Löwenstein zurück nach | |
| Europa. Zunächst an die OSS-Basis im italienischen Bari. Von dort sollte er | |
| eine Einheit für Spionage im Deutschen Reich anleiten. | |
| Vor der Invasion der alliierten Armeen in der Normandie im Juni 1944 hatten | |
| sich die westlichen Geheimdienste auf den Aufbau von militantem | |
| Widerstandsgruppen in Frankreich, Italien und am Balkan konzentriert. Sie | |
| unterstützten diese durch Agenten mit Waffen und Sprengstoff, um die | |
| Infrastruktur der Wehrmacht zu sabotieren. | |
| An diesen Operationen in West- und Südeuropa waren neben Briten und | |
| Amerikanern, auch viele Flüchtlinge aus den von den Nazis besetzten Staaten | |
| Europas beteiligt. Die AntifaschistInnen aus dem Exil konnten dabei oftmals | |
| auf lokale AktivistInnen bauen. Der Sommer des europäischen Widerstands war | |
| ein transnationaler. | |
| Dyno Löwenstein musste im folgenden Herbst und Winter jedoch kleinteilig | |
| arbeiten. Es lag an ihm, aus zwei Dutzend junger, gut trainierter Agenten | |
| Aktionsgruppen zu bilden und deren Ziele im Deutschen Reich zu definieren. | |
| In den österreichischen Alpen- und Donauregionen verfügte das OSS ebenso | |
| wie in Bayern kaum über Verbindungen zu NS-GegnerInnen. Doch ohne lokales | |
| Wissen schienen die Agenten blind und schutzlos. | |
| Zwei von Löwensteins Schützlingen in Bari, Fred Mayer und Hans Wijnberg, | |
| unterbreiteten ihm daraufhin einen konkreten Vorschlag: Wo das KZ Dachau | |
| war, wusste man. Sie wollten dort per Fallschirm mit einer Ladung Waffen | |
| abspringen und einen Aufstand der Häftlinge gegen die SS anzetteln. Mayer | |
| und Wijnberg waren zu jener Zeit mit ihrer Geduld am Ende. Seit 1942 waren | |
| sie bei der Armee, und dann beim OSS. Sie warteten zuerst in Algerien, dann | |
| in Italien auf einen Einsatz hinter der Front. | |
| Fred Mayer stammt aus einer der ältesten jüdischen Familien in Freiburg im | |
| Breisgau. Sein Vater betrieb dort eine Eisenwarenhandlung im Stadtzentrum. | |
| Er war im Synagogenrat und leitete den lokalen Reichsbund jüdischer | |
| Frontkämpfer. Die Nationalsozialisten zwangen die Familie 1938 zur | |
| Flucht nach New York. Dort, im Stadtteil Brooklyn eröffnete sich für Sohn | |
| Fred ein neues Leben. Er erhielt einen Job bei General Motors. Auf den | |
| Straßen New Yorks wurde er gewieft im Improvisieren und Erkennen von | |
| Gelegenheiten. | |
| „Hass auf die Nazis und Liebe zu Amerika“, so beschrieb er seine Motive für | |
| den freiwilligen Eintritt in die US Army. Mayer hatte Charisma. Und er | |
| strotzte vor Selbstbewusstsein, Entschlossenheit und Tatkraft. | |
| ## Antifaschistische Bewegung | |
| Bei Hans Wijnberg war es ähnlich. Und anders. Seine Familie hatte in einem | |
| Vorort von Amsterdam das mittelständische Leben säkularisierter Juden | |
| geführt. Sie betrieb eine kleine Fabrik für Fahrradflickzeug. Sein Vater | |
| Leo war einer der Mitbegründer der liberalen antifaschistischen Bewegung | |
| „Eenheid door Democratie“. | |
| Anfang 1939, nach den Pogromen in Deutschland, entschieden die Eltern den | |
| 17-jährigen Hans zusammen mit seinem Zwillingsbruder Loek nach New York zu | |
| schicken. Sobald es finanziell möglich sein sollte, wollten sie mit dem | |
| jüngsten Sohn nachfolgen. Im Januar 1942 brach die Korrespondenz ab. | |
| Hans und Loek traten in die US Army ein. Hans fiel den Scouts des OSS | |
| schnell auf. Mathematisches Talent, Intelligenz und Besonnenheit machten | |
| ihn zu einem idealen Funker. | |
| Fred Mayer und Hans Wijnberg kannten den Antisemitismus der Nazis, sie | |
| glaubten – anders als so manch Amerikaner – die Berichte über die | |
| Konzentrationslager. Hans konnte aber noch nicht wissen, dass die Nazis die | |
| Eltern und den jüngeren Bruder in Auschwitz bereits ermordet hatten. Er | |
| drängte darauf, den Plan – Aufstand und Befreiung der Insassen im KZ Dachau | |
| – umsetzen zu dürfen. | |
| Doch Dyno Löwenstein lehnte den Vorschlag als sinnloses, selbstmörderisches | |
| Kommando ab. Er suchte nach einer anderen Aufgabe für sie. Ziel der US Army | |
| war es, den Krieg gegen die Nazis mit möglichst geringen Verlusten, | |
| möglichst schnell und auf allen Linien siegreich zu beenden. | |
| Dafür wichtige Informationen über neuralgische Punkte der Infrastruktur | |
| im Deutschen Reich zu liefern, das schien ein vielversprechender Beitrag, | |
| den Agenten des OSS leisten konnten. Der Schlüssel hierfür waren Deserteure | |
| der Wehrmacht. | |
| ## Ziel: die Eisenbahnlinie über den Brennerpass | |
| Im Dezember 1944 fand Löwenstein im POW Camp 209 in Afragola, wonach er | |
| suchte. Ein Verhöroffizier empfahl ihm Leutnant Franz Weber, einen | |
| 24-jährigen österreichischen Katholiken, der im September bei La Spezia zu | |
| den Amerikanern übergelaufen war. Weber stammte aus Oberperfuss bei | |
| Innsbruck. Letzteres ließ Löwenstein und den OSS aufhorchen. Denn ganz weit | |
| oben auf der Liste der strategischen Ziele der alliierten Luftwaffe stand | |
| die Eisenbahnlinie durch Tirol über den Brennerpass nach Italien, mit | |
| Innsbruck als Knotenpunkt. | |
| Die Brennerlinie war die Lebensader der Wehrmachtstruppen in Norditalien. | |
| Die Deutschen hatten einen Verteidigungsriegel über die Gebirgszüge des | |
| nördlichen Apennin gezogen. Im Winter 1944/45 bereiteten sich die | |
| alliierten Armeen dort auf die Frühjahrsoffensive in Norditalien vor. | |
| Die alliierte Luftwaffe bombardierte Schienen und Bahnhöfe an der | |
| Brennerstrecke, doch die Schäden konnten von den Deutschen rasch behoben | |
| werden. Und die Transporte für den Nachschub selbst wurden von den Bombern | |
| nur selten getroffen. Darauf aber würde es ankommen. | |
| Die alliierten Kommandostäbe beschäftigte zudem das Szenario einer | |
| „Alpenfestung“. Also Orte, an denen die NS-Führung Waffen produzieren und | |
| sich zudem verschanzen könnte. Deren Bezwingung würde verlustreich sein. | |
| Löwenstein hatte hier das Einsatzziel für Mayer und Wijnberg gefunden. | |
| ## Landung mit Fallschirm in Tirol | |
| Franz Weber, der das Ghetto in Warschau gesehen und die Aufstandsbekämpfung | |
| der Wehrmacht in Kroatien mitgemacht hatte, wollte den Alliierten helfen | |
| ein „KZ Europa“ zu verhindern. Durch Löwenstein bot sich ihm dafür die | |
| Chance. Er solle, so Löwenstein, zusammen mit Mayer und Wijnberg per | |
| Fallschirm in Tirol landen und einen Unterschlupf in Oberperfuss | |
| organisieren. | |
| Wijnberg würde dort seine Funkstation installieren, Mayer im nahen | |
| Innsbruck die erhofften Daten über Wehrmachtstransporte, Waffenproduktion | |
| und Abwehrstellungen in der „Alpenfestung“ sammeln. | |
| Löwenstein beobachtete, dass sich Mayer und Weber ausgezeichnet verstanden. | |
| Sie kamen aus ähnlichen bäuerlich-gewerblichen Milieus, sprachen einen | |
| ähnlichen Dialekt. Weber war bereit, das Risiko der beiden jüdischen | |
| Agenten zu teilen. Sollte er als Deserteur erwischt werden, war ihm die | |
| Todesstrafe sicher. Auch seine Familie, Verwandte und Bekannte brachte er | |
| mit in Gefahr. Das war ihm klar, und der OSS vertraute ihm. | |
| ## Riskante Landung verläuft nach Plan | |
| Bei der konkreten Vorbereitung ließ Löwenstein den drei Agenten viel | |
| Spielraum. Er setzte auf deren einvernehmliche Urteilskraft. Die riskante | |
| Landung am Sulztaler Gletscher und die Unterbringung in Oberperfuss | |
| verliefen weitgehend nach Plan. Die Angaben Webers erwiesen sich als | |
| zutreffend. | |
| Von Beginn an bildeten Frauen das Rückgrat der nun angelaufenen „Operation | |
| Greenup“. Webers Schwestern Eva, Margarete und Luise, seine Nachbarin Maria | |
| Hörtnagl, seine Verlobte Anni Niederkircher und deren Mutter Anna. Die | |
| verwitwete Chefin des traditionsreichen Hotels Krone in Oberperfuss und die | |
| anderen tiefkatholischen Hitlergegnerinnen sorgten für Verstecke und die | |
| ersten Kontakte. Sie übernahmen auch die Kurierdienste zwischen Innsbruck | |
| und Wijnbergs Funkstation im Dachboden eines Bauernhofs. | |
| Sie legten Mayer die Grundsteine für ein Netzwerk, das Mitte April bis in | |
| den Machtapparat des NS-Regimes hineinreichte. Eisenbahner, Lademeister, | |
| Frächter, Schutz- und Kriminalpolizisten, Wehrmachtsoffiziere und | |
| Unternehmer, etliche von ihnen lange Stützen des Systems, lieferten Daten. | |
| ## Die „Alpenfestung“ existierte gar nicht | |
| Bald funkte Wijnberg Standorte und Fahrpläne von Wehrmachtszügen nach Bari. | |
| Die Agenten schlugen vor, den Zeitplan der Bombardierungen zu ändern, um | |
| die Züge in den Bahnhöfen besser zu treffen. Und sie lieferten den | |
| Nachweis, dass die Produktion von Düsenjets in den unterirdischen | |
| Messerschmitt-Werken stillstand, die „Alpenfestung“ gar nicht existierte. | |
| Neben der Spionage begann Fred Mayer, der in Innsbruck und Umgebung | |
| zunächst als Wehrmachtsoffizier, dann als französischer Fremdarbeiter | |
| auftrat, Widerstand zu organisieren. Seinen Vorschlag, 500 Zwangsarbeiter | |
| eines Messerschmitt-Werks zu bewaffnen, lehnte das OSS jedoch ab. | |
| Mayer traf sich auch mit einigen Offizieren der Gebirgsjäger. Angesichts | |
| des raschen Vormarschs der alliierten Armeen durch Deutschland wandten sie | |
| sich vom Regime ab. Statt den Durchhalteparolen von Gauleiter Franz Hofer | |
| zu folgen, begannen sie, sich mit Regimegegnern und dem US-Offizier Mayer | |
| abzusprechen. | |
| ## Helfer brechen unter Folter zusammen | |
| Doch am 18. April 1945 schlug die Gestapo zu. Schon vor der Ankunft Mayers | |
| hatte sie einen V-Mann unter Regimegegnern platziert. Einige von Mayers | |
| Helfern brachen unter Folter zusammen. Den Elektrohändler Robert Moser, der | |
| Mayer pro forma als Fremdarbeiter beschäftigt hatte, peitschten die | |
| Polizisten zu Tode. Am zweiten Tag der Razzia wurde auch Mayer | |
| festgenommen. 24 Stunden lang überstand er die Folter, ohne das Versteck | |
| Wijnbergs und Webers preiszugeben. | |
| Fred Mayer wurden wohl deshalb nicht exekutiert, weil Gauleiter Franz Hofer | |
| in ihm eine letzte Chance erblickte. Dass Mayer ein bedeutender Offizier | |
| war, darauf hatte ihn ein anderer Schützling Löwensteins gebracht, der | |
| Hamburger Matrose und Wehrmachtsdeserteur Hermann Matull. | |
| Auch ihn hatte Dyno Löwenstein in einem Kriegsgefangenenlager rekrutiert. | |
| Er war ein völlig anderer Typ als der Katholik Franz Weber. Matull hatte in | |
| Udine Partisanen mit Waffen der Wehrmacht versorgt. Löwenstein rekrutierte | |
| ihn, weil er die Tricks der Unterwelt beherrschte, ein Typ, der nicht als | |
| besonders politisch galt, aber Antifaschisten bei Schwierigkeiten mit der | |
| Polizei half. Für ein Spionageteam schien er ungeeignet. | |
| ## Der „einsame Wolf“ | |
| Doch als „einsamer Wolf“ konnte er den Antifaschisten nützlich sein. Matull | |
| landete also ebenfalls in Tirol, wurde jedoch bald geschnappt. Als ihm ein | |
| Gestapobeamter ein Foto von Fred Mayer vorlegte, gratulierte er diesem zu | |
| dem außergewöhnlichen Fang. | |
| Hofer ließ Mayer auf sein Anwesen außerhalb von Innsbruck bringen. Er | |
| wusste von den Verhandlungen des SS-Obergruppenführers Karl Wolff mit den | |
| Amerikanern in der Schweiz über eine vorzeitige Kapitulation der | |
| Heeresgruppe C in Italien. Hofer dachte ebenfalls an Verhandlungen, hatte | |
| bislang aber keine eigenen Kanäle dafür. Ende April ließen er und die | |
| Befehlshaber der Wehrmacht in Tirol an der alten deutsch-österreichischen | |
| Grenze Brücken und Straßen sprengen sowie Abwehrstellungen besetzen, zum | |
| Teil mit fanatisierten Hitlerjungen. | |
| So stieß die 103. US-Infanteriedivision am 1. Mai bei Scharnitz nach Tagen | |
| erstmals wieder auf heftigen Widerstand. Für die 30 Kilometer lange Strecke | |
| nach Innsbruck benötigte die Division unter dem Feuer von Heckenschützen | |
| und Artillerie zwei Tage mit zahlreichen Verlusten. Die „Alpenfestung“ | |
| existierte nicht, aber ihre Tiroler Schimäre war hinterhältig. | |
| ## Die „Tiroler Widerstandbewegung“ | |
| Am Vormittag des 3. Mai besetzten einige Dutzend Wehrmachtsdeserteure und | |
| Regimegegner in Innsbruck Kasernen und andere neuralgische Positionen. | |
| Gauleitung, Gestapo und SS hatten sich verzogen. Doch vor der Stadt schoss | |
| die NS-Artillerie weiter auf die US-Truppen. Und die „Tiroler | |
| Widerstandsbewegung“ war denn doch etwas zu schwach, um diese Stellungen | |
| auszuschalten. | |
| Als die US-Truppen unmittelbar vor Innsbruck standen, bot Hofer Fred Mayer | |
| an, für die Einstellung der Abwehrkämpfe zu sorgen und Innsbruck zur freien | |
| Stadt zu erklären. Im Gegenzug wollte er als Kriegsgefangener behandelt | |
| werden. Fred Mayer stimmte zu und fuhr mit einer weißen Fahne über die | |
| Verteidigungslinien zu den US-Truppen. | |
| Das Auftauchen des OSS-Agenten war so überraschend wie willkommen. Es | |
| führte letztlich dazu, dass die GIs ohne weitere Verluste Innsbruck | |
| einnehmen konnten. Am Stadtrand jubelten ihnen ZwangsarbeiterInnen und | |
| Kriegsgefangene zu, in der Innenstadt auch einige Dutzend Einheimische. | |
| Die GIs wussten nicht wie ihnen geschah. Gerade noch hatten sie gekämpft, | |
| nun sah es so aus, als würden sie seit Langem sehnsuchtsvoll erwartet. Auf | |
| einem der ersten amerikanischen Panzer saß der Armeefotograf Irving | |
| Leibowitz. Seine Nahaufnahmen rückten die Tiroler in ein günstiges Licht. | |
| Nach den düsteren Erfahrungen in Deutschland sah Leibowitz eine | |
| Gelegenheit, in Österreich die US-Truppen als Befreier der Bevölkerung | |
| darzustellen. | |
| ## „Selbstbefreiung Tirols“ ist Mär | |
| Doch viele männliche Tiroler verstanden es, die Story schnell zu drehen. | |
| Kaum hatten die US-Truppen Tirol verlassen, verbreiteten sie, voran der | |
| Anführer der „Tiroler Widerstandsbewegung“ und erste Außenminister | |
| Österreichs, Karl Gruber, die Mär von der „Selbstbefreiung“ Tirols. Währ… | |
| die US-Truppen noch gezögert hätten, in den Alpen vorzurücken, hätten sie | |
| gehandelt. | |
| Journalisten und Historiker zitierten ihn ehrfurchtsvoll. Und so entstand | |
| eine Legende, die sich in der „Alpenfestung“ bis heute hartnäckig hält. D… | |
| Opfer und Leistungen von Fred Mayer, Hans Wijnberg, Franz Weber und der | |
| Frauen von Oberperfuss hingegen fielen weitgehend unter den Tisch. | |
| Gegen diese Überschreibung arbeitete Dyno Löwenstein bereits früh an. Die | |
| Fotos, die er im Mai 1945 von seinen Agenten und ihren HelferInnen in | |
| Oberperfuss knipste, bilden die Grundlage, um die andere Geschichte der | |
| Befreiung in der „Alpenfestung“ zu erzählen. | |
| 26 Apr 2020 | |
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