# taz.de -- Corona-Verschwörer*innen demonstrieren: Braune Infektionskette | |
> Mehr Städte, mehr Teilnehmer: Ein Verschwörerverein gegen die | |
> Corona-Maßnahmen erhält Zulauf – auch von Rechten. | |
Bild: Die Corona-Skeptiker*innen sind eigentlich gegen Masken. Ausnahme:Schland… | |
BERLIN/DRESDEN taz | Den dritten Samstag infolge sind am [1][Berliner | |
Rosa-Luxemburg-Platz Verschwörungstheoretiker*innen auf die Straße | |
gegangen], die angesichts der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen eine | |
Diktatur aufziehen sehen. Nach taz-Zählung beteiligten sich bis zu 500 | |
Personen an dem nicht angemeldeten Protest – etwa dreimal so viele wie in | |
der Vorwoche. Der Verein „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ | |
hatte über die Homepage „Nicht ohne uns“ zu der Demo aufgerufen. | |
Den Platz vor der Volksbühne erreichten allerdings nur wenige | |
Teilnehmer*innen. 180 Polizist*innen riegelten die Zugänge ab und | |
versuchten über mehr als zwei Stunden, die sich an verschiedenen Orten | |
bildenden Menschenansammlungen zu zerstreuen. Unter Buh-Rufen führten sie | |
mehrere Demonstrant*innen ab. Eine kleine Gasse neben dem Kino Babylon | |
wurde zum Wartebereich für 80 festgesetzte Personen. | |
[2][Der prominenteste unter den Demonstrant*innen: der ehemalige | |
RBB-Moderator Ken Jebsen], der als Star der Verschwörungsszene vor Ort | |
zahlreiche Hände schüttelte, ehe ihn Bereitschaftspolizist*innen abführten. | |
Jebsen hatte zuvor auf seinem Youtube-Kanal den Protestinitiator und | |
Gründer des Vereins „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, | |
Anselm Lenz, interviewt und damit die Veranstaltung beworben. Am Samstag | |
folgte ein weiteres Video der beiden Männer auf Jebsens Kanal. | |
Lenz hatte in dem Vorab-Interview seine Theorie verbreitet, das Virus diene | |
nur dazu, den kriselnden Kapitalismus neu zu justieren. Zu den aktuellen | |
Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sagte er: „Man scheint sich zu | |
verständigen wollen, was man als nächstes mit uns vor hat.“ | |
## Extreme Rechte sucht Anschluss | |
Anwesend waren am Samstag auch Vertreter*innen zahlreicher anderer so | |
genannter alternativer Medien – auch der extremen Rechten. So berichtete | |
etwa der Youtube-Kanal Digitaler Chronist Alternative von Thomas Grabinger, | |
dem enge Verbindungen zum Identitären-Chef Martin Sellner nachgesagt | |
werden, per Livestream. Auch die AfD-Youtuberin Carolin Matthie filmte die | |
Szenerie, ebenso Michael Mross' MMNews. | |
Viele Demonstrant*innen hatten Grundgesetzbücher dabei. Einige beschwerten | |
sich per Plakat über die Infektionsschutzmaßnahmen, die menschenunwürdig | |
seien. Eine Frau hatte auf ein Schild geschrieben: „In Deutschland wird | |
niemand verfolgt, Herr Spahn! Kein Jude, kein Virus! Keine Zwangsimpfung, | |
keine Zwangsarbeit, keine Zwangssterilisation!“ | |
Der Versuch, die Nationalhymne zu singen, scheiterte an fehlenden | |
Textkenntnissen; vereinzelt kam es zu „Wir sind das Volk“-Rufen. | |
## Über Berlin hinaus | |
Erstmals schlossen sich auch in anderen Städten Demonstrant*innen an. | |
[3][In Hamburg hatte sich jüngst ein Ableger der Verschwörer*innen | |
gebildet]. Über die Website unsere-grundrechte.de hatte eine Gruppe um Rosa | |
von der Beek, laut Impressum verantwortlich für die Seite, dafür | |
mobilisiert, sich dem „Samstagsspaziergang“ anzuschließen. Rund 30 Menschen | |
folgten dem Aufruf und versammelten sich am Jungfernstieg. Der freie | |
Fotograf [4][Jannis Große berichtet auf Twitter von Anfeindungen] gegen ihn | |
und die „gleichgeschaltete Presse“. | |
Die Polizei hatte die Demonstration verboten, ließ die Demonstrant*innen | |
aber weitgehend gewähren. Erst nach anderthalb Stunden forderte sie die | |
Anwesenden auf, den Kundgebungsort zu verlassen. | |
In Frankfurt/Main stellte sich der Rechtsextremist Henryk Stöckl mit einer | |
Handvoll Gleichgesinnten vor die Alte Oper, vorgeblich aus Sorge um die | |
Grundrechte. Die Polizei nahm seine Personalien auf. Stöckl kündigte auf | |
seinem öffentlichen Telegram-Kanal an, dass es ab nun deutschlandweit jeden | |
Samstag um 15.30 Uhr Demonstrationen geben werde; ganz so wie es „Nicht | |
ohne uns“ auch fordert. | |
## Uneindeutige Ausrichtung | |
Auch in Dresden kam es auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche zu einem | |
unangemeldeten „Spaziergang“ von etwa 20 Demonstrant*innen. Sie hielten | |
großen räumlichen Abstand voneinander. Am Sockel des Lutherdenkmals lagen | |
mehrere Exemplare des Grundgesetzes aus. Teilnehmer*Innen zitierten | |
Paragraphen, insbesondere die Garantien von Meinungs- und | |
Versammlungsfreiheit. | |
Unter den Teilnehmer*innen befanden sich zwar auch Mitglieder der Linken | |
und der Grünen, eine eindeutige politische Ausrichtung war aus den | |
Äußerungen aber nicht zu erkennen. Gespräche drehten sich um die | |
Außerkraftsetzung von Grundrechten wegen der Pandemiebekämpfung und die | |
ungleich bedrohlicheren Zustände in ärmeren Teilen der Welt. Der Termin war | |
ohne konkrete Urheberschaft über die sozialen Netzwerke verbreitet worden. | |
Am Sonntag erklärte ein Teilnehmer gegenüber der taz, die Dresdner | |
Demonstrant*innen hätten sich an dem durch die Berliner Initiative | |
gesetzten Termin orientiert. Darüber hinaus sei die Kundgebung aber | |
unabhängig gewesen. Es gebe „keine organisatorischen Verbindungen“, auch | |
teile er nicht die Auffassung, dass die Corona-Pandemie ungefährlich oder | |
bewusst gesteuert sei. Sorgen bereite ihm jedoch die Aushöhlung des | |
Grundgesetzes wie der Versammlungsfreiheit. | |
Dagegen stützen sich die Hamburger und Berliner Verschwörer*innen mit ihrer | |
Kritik an den Corona-Maßnahmen auf die Heidelberger Anwältin Beate Bahner, | |
die einen Eilantrag gegen die Maßnahmen beim Bundesverfassungsgericht | |
gestellt hat. Darin bezeichnet sie die Berichterstattung der Medien und die | |
Informationen der Bundesregierung als „beispiellose Propaganda, wie | |
Deutschland sie zum letzten Mal im Dritten Reich erlebt hat“. Die | |
Einschränkungen, die die Bevölkerung derzeit hinnehmen müsse, sind für sie | |
vergleichbar mit der Judenverfolgung in Nazideutschland. | |
Am Freitag lehnte das Bundesverfassungsgericht den Antrag als unbegründet | |
ab. Bahner kündigte daraufhin auf ihrer Homepage an, ihre Zulassung | |
zurückzugeben. Die Polizei ermittelt wegen der öffentlichen Aufforderung zu | |
Straftaten gegen die bald Ex-Anwältin, weil sie zu bundesweiten | |
Demonstrationen am Ostersamstag gegen die Corona-Maßnahmen aufgerufen | |
hatte. | |
Auch am kommenden Wochenende wollen die Verschwörer*innen wieder auf die | |
Straßen gehen. | |
12 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-und-Verschwoerungstheoretiker/!5675712/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=d_Gn1bR4dME&fbclid=IwAR35jMckhHW3LQnq9Y… | |
[3] /Verschwoerungstheoretiker-gegen-Corona/!5677840&s=schipkowski/ | |
[4] https://twitter.com/jannisgrosse/status/1249016225096744962 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Katharina Schipkowski | |
Michael Bartsch | |
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