# taz.de -- Rügen im Zeichen der Corona-Krise: Insel auf Zwangsurlaub | |
> Normalerweise würde Roberto Brandt jetzt Hering fangen. Das Restaurant | |
> Diavolo wäre voll. Doch Touristen ist die Reise nach Rügen strikt | |
> untersagt. | |
Roberto Brandt setzt die Brille auf die Nase. Mit einer Netznadel, einer | |
Art breite Stricknadel, fädelt er das Garn durch die hellgrünen Maschen an | |
der Netzkante, führt es dann über die mit Blei gefüllte Leine und zurrt | |
Netz und Bleileine fest zusammen. Masche für Masche, bei gleichem Abstand, | |
immer entlang der Netzkante – noch ist das Knäuel auf dem Stuhl neben ihm | |
groß. Was nach Sisyphusarbeit aussieht, soll später das Fischernetz auf | |
dem Ostseeboden absenken und so Meeresforellen und Lachse fangen. | |
„Normalerweise wäre ich jetzt mit meinen Jungs auf Hering“, der 64-Jährige | |
hebt den Kopf, wach ist der Blick der klaren, blauen Augen. Seine Jungs, | |
das sind Sohn Jan und ein Mitarbeiter, die früh am Morgen das blaue | |
Fischerboot durch den feinen Strandsand des Ostseebades Baabe auf der Insel | |
Rügen in die See schieben, die Stellnetze einholen, Heringe herauspulen und | |
schließlich den Fisch zum Räuchern oder für seine kleine Gaststätte | |
ausnehmen. | |
1,5 Tonnen Hering haben Roberto Brandt und seine Jungs in diesem Frühjahr | |
schon gefangen. Bleiben bei strenger Quote („Ach, die Quote!“) noch zwei | |
Tonnen übrig und ein paar Wochen, denn Ende April ist die Heringssaison | |
schon wieder vorbei. | |
Doch seit einer Woche liegt Robertos Boot auf dem Trockenen und kann so | |
nicht einmal als beliebtes Fotomotiv herhalten. Denn die UrlauberInnen, die | |
es so oft knipsen, fehlen, trotz strahlender Frühlingssonne sind die langen | |
Strände auf Deutschlands größter Insel in diesen Tagen wie leergefegt. | |
Pünktlich zum Saisonstart ist der Tourismus, der größte Wirtschaftszweig, | |
der jährlich acht Milliarden Euro in die Kassen Mecklenburg-Vorpommerns | |
spült, wegen des Coronavirus zum Erliegen gekommen. | |
5 Covid-19-Infizierte werden aktuell auf der 64.000 EinwohnerInnen starken | |
Insel Rügen gezählt, im Landkreis Vorpommern-Rügen sind es 34 Erkrankte, im | |
gesamten Bundesland 555 Fälle. Das Corona-Abstrichzentrum in der | |
Inselhauptstadt Bergen hat bisher noch keinen einzigen negativen Fall | |
getestet. | |
Ob nun Glück oder Strategie: „Es läuft alles im Ruder“, sagt Landrat Stef… | |
Kerth (SPD) über die aktuelle Lage in seinem Landkreis. „Noch haben wir den | |
Überblick über alle Infektionsketten und das muss so bleiben.“ Schließlich | |
sei das Gesundheitssystem Mecklenburg-Vorpommerns nur auf die hier mit | |
Hauptwohnsitz lebenden 1,6 Millionen EinwohnerInnen ausgelegt. Mit nur 14 | |
Intensivbetten ist das örtliche Inselkrankenhaus ausgestattet, weitere | |
stehen in den Kliniken der Hansestädte Stralsund und Greifswald zur | |
Verfügung. | |
Und dabei hätte es auch ganz anders ausgehen können hier oben an der Küste, | |
nachdem am ersten schönen Frühlingswochenende vor dreieinhalb Wochen die | |
Hotels und Restaurants, etwa im Ostseebad Binz, sehr gut ausgelastet und | |
die Strände voller SpaziergängerInnen waren. Um gerade jetzt der Enge ihrer | |
Städte zu entfliehen, zog es die Menschen zu Tausenden in den Norden. Und | |
mit ihnen vielleicht auch ein paar blinde Passagiere. | |
Die Frage, ob er das Infektionsrisiko zu diesem Zeitpunkt unterschätzt | |
habe, wiegelt Stefan Kerth ab. Dass die BürgerInnen sich nicht immer an die | |
Appelle der Regierung hielten und trotz der Empfehlung, zu Hause zu | |
bleiben, ins Land und auf die Insel kamen, ja, das hätte ihn „schon ein | |
bisschen überrascht“, sagt er. Trotzdem habe es seinerzeit keine Kenntnisse | |
über Infektionen auf Rügen gegeben und unter den Fachleuchten vom | |
Gesundheitsamt sei keine einzige Stimme zu vernehmen gewesen, die eine | |
Sperrung der Insel gefordert hätte. Später hätte dann die Landesregierung | |
nachgesteuert. | |
## 64.000 Einwohner, fünf Infizierte, ein Touristenbann | |
Das kann man wohl sagen. Denn seit dem 18. März 2020 gelten in Land | |
Mecklenburg-Vorpommern die strengsten Einreiseverbote der Bundesrepublik. | |
Bereits am Montag, den 16. März, war Rügen für Touristen und Menschen, die | |
keinen Erstwohnsitz vorweisen können, gesperrt worden, wurden Pkws mit | |
nicht heimischen Kennzeichen am Rügendamm überprüft und mitunter | |
zurückgewiesen. Wenige Tage später verschoben sich die Kontrollen dann von | |
den Inseln an die Landesgrenzen. | |
Bis zum 19. April 2020 dürfen Hoteliers und private VermieterInnen von | |
Ferienwohnungen keine Gäste mehr beherbergen. Wer gegen das Verbot | |
verstößt, kassiert heftige [1][Geldstrafen von bis zu 5.000] Euro. Obwohl | |
Landeschefin Manuela Schwesig (SPD) Ende März verlauten ließ, dass das | |
grundsätzliche Einreiseverbot nach Mecklenburg-Vorpommern nicht für die | |
Kernfamilie, also „Eltern, Kinder und Großeltern“ gelte, wurden die | |
Regelungen zu Ostern noch einmal nachgeschärft. Von Karfreitag bis | |
Ostermontag sind Tagesausflüge auf die Inseln, an die Küste und Seenplatte | |
auch für die BewohnerInnen Mecklenburg-Vorpommerns tabu. | |
Er halte es wie die Bundeskanzlerin, die das Land mehr mit Appellen denn | |
Verboten durch die Pandemie navigiere, sagt Kerth über sein | |
Krisenmanagement. „Wir dürfen nicht übersteuern.“ Vielmehr gehe es doch | |
darum, besonnen zu handeln und eben nicht populistisch. Das kann getrost | |
als eine Anspielung auf die Abschottungspolitik der Schwesterinsel | |
Hiddensee gewertet werden. | |
Deren Bürgermeister Thomas Gens hatte quasi im Alleingang angeordnet, | |
Nicht-InsulanerInnen, also auch den EinwohnerInnen Mecklenburg-Vorpommerns, | |
den Zutritt zu seiner Insel zu verbieten. Auf das kleine Eiland durfte ab | |
dem 21. März zwischenzeitlich nur, wer seinen ersten Wohnsitz hier hat, | |
dort arbeitet oder als Angehöriger ersten Grades seine Familie versorgt. | |
Mittlerweile wurde der juristisch fragwürdige Erlass vom Landkreis wieder | |
aufgehoben. | |
Von möglichen Coronafällen auf der langgezogenen, knapp 1.000 | |
EinwohnerInnen starken Insel hört man derzeit nichts. Auch auf Rügen, so | |
der Landrat, würden einige BürgermeisterInnen fordern, die Brücke | |
hochzuziehen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einem | |
Überbietungswettbewerb landen.“ Natürlich sei er sich der öffentlichen | |
Wirkung solcher Maßnahmen, „man ist der Held“, bewusst, sagt Stefan Kerth. | |
Gleichzeitig aber bringe man die anderen Landräte, die ihre Inseln | |
offenhalten, in Bedrängnis. | |
## Sorge vor einer Reisewelle | |
Eine Sache aber bereite ihm gerade doch ziemliche Sorgen. Alle | |
Bürgermeister seines Kreises rechnen mit einer Reisewelle zu Ostern. Der | |
Landrat hofft, dass sie „bloß nicht den Überblick über die Infektionsketten | |
zu verlieren“. | |
Damit er alles im Blick behält, kam Fischer Brandt eine Idee. Mehr als 170 | |
Jahre Erinnerungen an seine Baaber Fischerfamilie wollen schließlich | |
verwaltet werden, 45 davon gehören jetzt schon ihm. Also schrieb Roberto | |
Brandt mit einem wasserfesten Stift Nummern auf die gerahmten historischen | |
Fotografien seiner Vorfahren, die an den Wänden seines kleinen Restaurants | |
hängen, und auf der Rückseite eine Legende mit den Namen dazu. Nummerierte | |
Vergangenheit, dazu passt, dass alle Welt gerade über Zahlen spricht. | |
Zahlen waren es auch, die dem Fischer in den letzten Wochen viele | |
schlaflose Nächte bereiteten, nachdem er zuerst den Gaststättenbetrieb | |
herunterfahren musste und schließlich, als die Gäste ausblieben, völlig | |
einstellte. Da inzwischen die Kühltruhen voll mit Fisch und die Hotelbetten | |
leer sind, lohnt es sich nun auch nicht mehr, mit dem Boot rauszufahren. | |
Was tun mit den zehn Festangestellten, die jetzt eigentlich an Bord, in der | |
Küche und in der Räucherei arbeiten würden? | |
Und dabei war es so gut gelaufen für ihn, hatte der Fischer dank eines | |
cleveren Konzepts und Förderprogramms des Landes in schweres Küchengerät | |
wie eine Fischverarbeitungsmaschine für Steinbutt für Räucherei und | |
Gaststätte investiert. | |
Wohlweislich, um in schwierigen Zeiten, falls noch strengere Quoten die | |
Fischer weiter in die Knie zwingen würden, sein zweites Standbein | |
auszubauen. Die nun wegbrechenden Einnahmen zum Ostergeschäft wären | |
dringend nötig gewesen. Das Problem sei ja, dass niemand wisse, wie lange | |
das jetzt gehe, sagt Roberto Brandt und gibt selbst einen Tipp ab: „Ich | |
glaube, vor Mai wird dat nüscht werden.“ | |
## Jetzt heißt es Zusammenrücken | |
Deshalb hat der Fischer Kurzarbeitergeld für seine Angestellten beantragt | |
und die Differenz zum eigentlichen Gehalt oben draufgepackt. Auch für einen | |
Kredit beim Landesförderinstitut MV hat er sich vormerken lassen und sich | |
um Corona-Soforthilfe für die laufenden Kosten bemüht. Nun wartet er, | |
schaut ab sieben Uhr morgens mehrmals täglich in sein E-Mail-Postfach. „Ich | |
bräuchte mal ne Rückmeldung“, sagt Roberto Brandt. Aber, Moment mal, fast | |
hätte er „etwas ganz Wichtiges“ vergessen, der Fischer greift zum Telefon. | |
Der Getränkelieferant soll einen Kasten Bier vorbeibringen, „für Besuch“, | |
sagt er. | |
Dass die GastgeberInnen der Insel in der Coronakrise „dichter | |
zusammenrücken“, hat auch Knut Schäfer, Vorstand des Tourismusverbandes | |
Rügen, einem Lobbyverband von 230 Hoteliers und Gastronomen, beobachtet. So | |
mancher Hotelier halte in diesen Tagen regen telefonischen Kontakt zu | |
seinen Stammgästen, auch die vielen Bilder und Videos der Insel würden in | |
den sozialen Medien oft geklickt. | |
Knut Schäfer ist froh über diesen Umstand, denn zuletzt hatten schlechte | |
Schlagzeilen die Runde gemacht, die von Stimmung der Einheimischen | |
gegenüber Fremden, von Verfolgungsfahrten ortsfremder Autokennzeichen, | |
Meldungen über brennendes Licht in Ferienwohnungen, berichteten. Neben | |
selbst ernannten Hilfssheriffs würden sogar „verdeckte Ermittler“ | |
kontrollieren, ob sich ja alle VermieterInnen und BesucherInnen an die | |
Tourismusverbote hielten, hieß es aus den Ämtern einiger Badeorte. Verstöße | |
würden strafrechtlich verfolgt. Selbstredend. | |
Derlei „Einzelfälle“ bedauern sie beim Tourismusverband, sagt Knut Schäfe… | |
Dass deshalb in Zukunft weniger UrlauberInnen auf die Insel Rügen kämen, | |
könne er sich aber nicht vorstellen. Vergessen dürfe man nicht, dass die | |
derzeitige Ausnahmesituation Angst und Druck erzeuge, sagt er: „Da schießt | |
der eine oder andere eben übers Ziel hinaus.“ Außerdem sei da noch die | |
Sache mit der „norddeutschen Freundlichkeit“, so der 43-Jährige. „Rauer | |
Ton, wortkarg – aber eine lieb gemeinte Botschaft – diesen Dialekt verstehe | |
eben nicht jeder.“ | |
Über die Botschaft derlei Mistgabel-Gebaren lässt sich wahrlich streiten, | |
doch nicht nur UrlauberInnen geht es auf Rügen wie im gesamten Land derzeit | |
an den Kragen. Mehr als 900 kleine wie große Unternehmen sind vom | |
darniederliegenden Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern betroffen. | |
Auch wenn man den Schaden noch nicht richtig beziffern kann und das | |
Bundesland einen Schutzfonds über 1,1 Milliarden Euro aufgelegt hat, gehen | |
WirtschaftsexpertInnen davon aus, dass 40 bis 60 Prozent der Betriebe | |
Mecklenburg-Vorpommerns die Pandemie nicht überstehen werden. Im | |
vergangenen Jahr verbrachten [2][1.485.659 Gäste] ihren Urlaub auf den | |
Inseln Rügen und Hiddensee. Allein in Binz, dem größten Ostseebad der | |
Insel, standen dazu 2019 17.260 Betten zur Verfügung. | |
Auf der Strandpromenade des Ferienortes haben sich eben ein paar Wolken vor | |
die Sonne geschoben. Die Seebrücke ist menschenleer, eine Frau putzt ihrem | |
Hund mit einem Taschentuch den Hintern. Nichts los im mondänen Ostseebad, | |
in dem sich sonst die Reichen und Schönen in weißen fließenden Stoffen | |
zuwinken. | |
Nur wenige hundert Meter weiter gibt es etwas zu feiern. Heute vor neun | |
Jahren eröffneten Isabel und André Trost ihr Restaurant Diavolo, das von | |
fangfrischem Fisch bis Steak vom Lavasteingrill baltisch-mediterrane Küchen | |
auf raffinierte Weise kombiniert. Der schwarz gehaltene, modern-rustikal | |
eingerichtete Gastraum kann bis zu 80 Gäste beherbergen, hinzu kommen 50 | |
Terrassenplätze. | |
Tatsächlich muss es hier mit dem Teufel zugehen, wenn man der | |
Erfolgsgeschichte der Gastronomin und dem gelernten Koch, Eltern zweier | |
Kinder, lauscht, die sich mit ihrem Abendrestaurant und 13 ganzjährig | |
Angestellten in nur wenigen Jahren von der zweiten in die erste Reihe der | |
Binzer Strandpromenade gekocht haben. Also, hoch die Gläser! Aber wie, wenn | |
das Restaurant geschlossen und Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen im | |
öffentlichen Raum verboten sind? | |
Isabel Trost hatte die zündende Idee. Ihr Mann André wird Pizzen backen, | |
die Isabel Trost ihren MitarbeiterInnen, Freunden und Familie später auf | |
der Terrasse über eine rote Kordel reichen wird. Zum Mitnehmen, denn | |
„niemand betritt den Laden“ – versteht sich, minutiös wie ein Raketensta… | |
ist die Abholung geplant. | |
Doch bevor es losgeht, führt die 42-Jährige schwungvoll durch die Küche, | |
zeigt die jetzt leeren Arbeitsplätze des Sauciers, Entremetiers, das bis | |
auf ein paar Weinflaschen leere Getränkelager und ein mit eingekochten | |
Gemüsen und selbst gemachter Pasta vollgestopftes Kühllager. Im Büro | |
nebenan sitzt Sohn Artur beim Homeschooling. Der Elfjährige mit wuscheligen | |
blonden Haaren soll eine Geschichte über den Alltag einer Familie | |
schreiben. Nur weiß er nicht, wie. „Erzähl doch von uns“, ruft Isabel Tro… | |
im Vorbeigehen. | |
Schon am 18. März, also drei Tage vor dem Erlass der Landesregierung, | |
hatten sie ihr Lokal zugemacht, „um das Risiko für unsere Angestellten, | |
Gäste und für uns zu minimieren“. Eine echte Zitterpartie. Denn | |
„knackevoll“ war das Geschäft in den Tagen zuvor gewesen, als sie jeden | |
zweiten Tisch reservierten, um den Mindestabstand von zwei Metern | |
einzuhalten, und Desinfektionsspender im Eingangsbereich montierten. „Wir | |
hatten Bomben-Umsätze, aber ein unbehagliches Gefühl“, sagt Isabel Trost | |
und streicht über ihre langen dunkelblonden Haare. | |
Mit befreundeten GastronomInnen gründen sie die WhatsApp-Gruppe „Corona | |
Extra“, treffen sich im Restaurant der Schwester, um gemeinsam und doch | |
jeder für sich an einem extra Tisch, das Telefon mit dem Steuerberater in | |
der Mitte, Antragsformulare für Kurzarbeitergeld auszufüllen. Isabel Trost | |
hat „Coronapanik“ in diesen Tagen, innerlich zerrissen hätte sie die Frage, | |
ob sie weiter Geld verdienen sollten, solange es noch ging. „Wir haben es | |
alle nicht so richtig begreifen wollen“, sagt sie. | |
Bis André Trost ein Machtwort spricht: Nach Mitternacht verschickt er eine | |
lange Nachricht an „Corona Extra“, die die Gruppe wachrüttelt. Sie handelt | |
von Respekt gegenüber Menschenleben, von Verzicht statt Profit. Somit ist | |
die Entscheidung gefallen, das Diavolo schließt. Er habe sich vorgestellt, | |
wie ein Stammgast, der seiner betagten Mutter regelmäßig einen Pastateller | |
mit Garnelen mitnehme, durch ihren Kontakt infiziert würde, sagt der | |
40-Jährige über seinen Entschluss. „Das hätte ich mir nie verziehen.“ | |
Markige Worte angesichts von saftigen Kreditraten für das Restaurant und | |
monatlich hohen Personalkosten von über 30.000 Euro. | |
In Isabel Trosts Leben beginnt nun das, was sie „Corona-Burn-out“ nennt. | |
Der Teufel ist los. Sie trommelt ihre MitarbeiterInnen zusammen, spricht | |
allen bei einem Gläschen Schnaps und mit Tränen in den Augen ihre | |
vorübergehende Kündigung aus, um sie kurz darauf wieder zurückzunehmen. | |
„Eine vorschnelle Fehlentscheidung“, sagt die Gastronomin. Zum Glück hätt… | |
ihre Angestellten mitgezogen – „einmal Teufel, immer Teufel“. | |
Inzwischen ist etwas Ruhe eingekehrt, wohl auch weil die Strom- und | |
Gasversorger sehr kulant sind, die Raten für das Auto-Leasing gestundet und | |
die Beiträge zur Berufsgenossenschaft ausgesetzt wurden. Neben | |
Kurzarbeitergeld haben sie auch Corona-Soforthilfe und einen zinsgünstigen | |
KfW-Kredit beantragt. | |
## Hoffen auf den Juni | |
Nun leben die Trosts von Tag zu Tag und hoffen, dass sie ihren | |
Restaurantbetrieb spätestens Anfang Juni wieder starten können. „Wenn der | |
finanzielle Druck nicht wäre, wäre das alles auszuhalten“, sagt Isabel | |
Trost. Und die Krise habe auch etwas Gutes. Zum ersten Mal seit neun Jahren | |
haben sie Ostersonntag frei. In diesem Jahr fällt der Tag auf den | |
Geburtstag von Sohn Artur. Der hält seiner Mutter jetzt das linierte Heft | |
mit der Familiengeschichte unter die Nase. „Die Blöden vier“, steht in | |
Schreibschrift darüber. „Sollen wir das sein?“, Isabel Trost rollt mit den | |
Augen – wenn man vom Teufel spricht. | |
Am Abend auf dem südöstlichsten Zipfel der Insel Rügen verabschiedet sich | |
der Tag mit einem gewohnt spektakulären Sonnenuntergang über dem | |
Greifswalder Bodden. Zuerst gelb, dann orange und schließlich tiefrot färbt | |
der große Sonnenball den Himmel und mit ihm die Hochwasserpfützen auf den | |
Salzwasserwiesen hinterm Deich. | |
Die Fensterscheiben der wenigen Häuser im Dorf wirken im glühenden | |
Sonnenlicht so, als würden sie brennen. Einsam dreht der Busfahrer die | |
letzte Runde des Tages, um diese Uhrzeit fährt niemand mit. In der Ferne | |
kreischen und bellen die Möwen, pfeift der um diese Jahreszeit noch kalte | |
Westwind durch die von ihm gebogenen Kronen der Strandkiefern. Es ist die | |
dritte Woche, da Corona die Insel angehalten hat. | |
8 Apr 2020 | |
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