| # taz.de -- Rügen im Zeichen der Corona-Krise: Insel auf Zwangsurlaub | |
| > Normalerweise würde Roberto Brandt jetzt Hering fangen. Das Restaurant | |
| > Diavolo wäre voll. Doch Touristen ist die Reise nach Rügen strikt | |
| > untersagt. | |
| Roberto Brandt setzt die Brille auf die Nase. Mit einer Netznadel, einer | |
| Art breite Stricknadel, fädelt er das Garn durch die hellgrünen Maschen an | |
| der Netzkante, führt es dann über die mit Blei gefüllte Leine und zurrt | |
| Netz und Bleileine fest zusammen. Masche für Masche, bei gleichem Abstand, | |
| immer entlang der Netzkante – noch ist das Knäuel auf dem Stuhl neben ihm | |
| groß. Was nach Sisyphusarbeit aussieht, soll später das Fischernetz auf | |
| dem Ostseeboden absenken und so Meeresforellen und Lachse fangen. | |
| „Normalerweise wäre ich jetzt mit meinen Jungs auf Hering“, der 64-Jährige | |
| hebt den Kopf, wach ist der Blick der klaren, blauen Augen. Seine Jungs, | |
| das sind Sohn Jan und ein Mitarbeiter, die früh am Morgen das blaue | |
| Fischerboot durch den feinen Strandsand des Ostseebades Baabe auf der Insel | |
| Rügen in die See schieben, die Stellnetze einholen, Heringe herauspulen und | |
| schließlich den Fisch zum Räuchern oder für seine kleine Gaststätte | |
| ausnehmen. | |
| 1,5 Tonnen Hering haben Roberto Brandt und seine Jungs in diesem Frühjahr | |
| schon gefangen. Bleiben bei strenger Quote („Ach, die Quote!“) noch zwei | |
| Tonnen übrig und ein paar Wochen, denn Ende April ist die Heringssaison | |
| schon wieder vorbei. | |
| Doch seit einer Woche liegt Robertos Boot auf dem Trockenen und kann so | |
| nicht einmal als beliebtes Fotomotiv herhalten. Denn die UrlauberInnen, die | |
| es so oft knipsen, fehlen, trotz strahlender Frühlingssonne sind die langen | |
| Strände auf Deutschlands größter Insel in diesen Tagen wie leergefegt. | |
| Pünktlich zum Saisonstart ist der Tourismus, der größte Wirtschaftszweig, | |
| der jährlich acht Milliarden Euro in die Kassen Mecklenburg-Vorpommerns | |
| spült, wegen des Coronavirus zum Erliegen gekommen. | |
| 5 Covid-19-Infizierte werden aktuell auf der 64.000 EinwohnerInnen starken | |
| Insel Rügen gezählt, im Landkreis Vorpommern-Rügen sind es 34 Erkrankte, im | |
| gesamten Bundesland 555 Fälle. Das Corona-Abstrichzentrum in der | |
| Inselhauptstadt Bergen hat bisher noch keinen einzigen negativen Fall | |
| getestet. | |
| Ob nun Glück oder Strategie: „Es läuft alles im Ruder“, sagt Landrat Stef… | |
| Kerth (SPD) über die aktuelle Lage in seinem Landkreis. „Noch haben wir den | |
| Überblick über alle Infektionsketten und das muss so bleiben.“ Schließlich | |
| sei das Gesundheitssystem Mecklenburg-Vorpommerns nur auf die hier mit | |
| Hauptwohnsitz lebenden 1,6 Millionen EinwohnerInnen ausgelegt. Mit nur 14 | |
| Intensivbetten ist das örtliche Inselkrankenhaus ausgestattet, weitere | |
| stehen in den Kliniken der Hansestädte Stralsund und Greifswald zur | |
| Verfügung. | |
| Und dabei hätte es auch ganz anders ausgehen können hier oben an der Küste, | |
| nachdem am ersten schönen Frühlingswochenende vor dreieinhalb Wochen die | |
| Hotels und Restaurants, etwa im Ostseebad Binz, sehr gut ausgelastet und | |
| die Strände voller SpaziergängerInnen waren. Um gerade jetzt der Enge ihrer | |
| Städte zu entfliehen, zog es die Menschen zu Tausenden in den Norden. Und | |
| mit ihnen vielleicht auch ein paar blinde Passagiere. | |
| Die Frage, ob er das Infektionsrisiko zu diesem Zeitpunkt unterschätzt | |
| habe, wiegelt Stefan Kerth ab. Dass die BürgerInnen sich nicht immer an die | |
| Appelle der Regierung hielten und trotz der Empfehlung, zu Hause zu | |
| bleiben, ins Land und auf die Insel kamen, ja, das hätte ihn „schon ein | |
| bisschen überrascht“, sagt er. Trotzdem habe es seinerzeit keine Kenntnisse | |
| über Infektionen auf Rügen gegeben und unter den Fachleuchten vom | |
| Gesundheitsamt sei keine einzige Stimme zu vernehmen gewesen, die eine | |
| Sperrung der Insel gefordert hätte. Später hätte dann die Landesregierung | |
| nachgesteuert. | |
| ## 64.000 Einwohner, fünf Infizierte, ein Touristenbann | |
| Das kann man wohl sagen. Denn seit dem 18. März 2020 gelten in Land | |
| Mecklenburg-Vorpommern die strengsten Einreiseverbote der Bundesrepublik. | |
| Bereits am Montag, den 16. März, war Rügen für Touristen und Menschen, die | |
| keinen Erstwohnsitz vorweisen können, gesperrt worden, wurden Pkws mit | |
| nicht heimischen Kennzeichen am Rügendamm überprüft und mitunter | |
| zurückgewiesen. Wenige Tage später verschoben sich die Kontrollen dann von | |
| den Inseln an die Landesgrenzen. | |
| Bis zum 19. April 2020 dürfen Hoteliers und private VermieterInnen von | |
| Ferienwohnungen keine Gäste mehr beherbergen. Wer gegen das Verbot | |
| verstößt, kassiert heftige [1][Geldstrafen von bis zu 5.000] Euro. Obwohl | |
| Landeschefin Manuela Schwesig (SPD) Ende März verlauten ließ, dass das | |
| grundsätzliche Einreiseverbot nach Mecklenburg-Vorpommern nicht für die | |
| Kernfamilie, also „Eltern, Kinder und Großeltern“ gelte, wurden die | |
| Regelungen zu Ostern noch einmal nachgeschärft. Von Karfreitag bis | |
| Ostermontag sind Tagesausflüge auf die Inseln, an die Küste und Seenplatte | |
| auch für die BewohnerInnen Mecklenburg-Vorpommerns tabu. | |
| Er halte es wie die Bundeskanzlerin, die das Land mehr mit Appellen denn | |
| Verboten durch die Pandemie navigiere, sagt Kerth über sein | |
| Krisenmanagement. „Wir dürfen nicht übersteuern.“ Vielmehr gehe es doch | |
| darum, besonnen zu handeln und eben nicht populistisch. Das kann getrost | |
| als eine Anspielung auf die Abschottungspolitik der Schwesterinsel | |
| Hiddensee gewertet werden. | |
| Deren Bürgermeister Thomas Gens hatte quasi im Alleingang angeordnet, | |
| Nicht-InsulanerInnen, also auch den EinwohnerInnen Mecklenburg-Vorpommerns, | |
| den Zutritt zu seiner Insel zu verbieten. Auf das kleine Eiland durfte ab | |
| dem 21. März zwischenzeitlich nur, wer seinen ersten Wohnsitz hier hat, | |
| dort arbeitet oder als Angehöriger ersten Grades seine Familie versorgt. | |
| Mittlerweile wurde der juristisch fragwürdige Erlass vom Landkreis wieder | |
| aufgehoben. | |
| Von möglichen Coronafällen auf der langgezogenen, knapp 1.000 | |
| EinwohnerInnen starken Insel hört man derzeit nichts. Auch auf Rügen, so | |
| der Landrat, würden einige BürgermeisterInnen fordern, die Brücke | |
| hochzuziehen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einem | |
| Überbietungswettbewerb landen.“ Natürlich sei er sich der öffentlichen | |
| Wirkung solcher Maßnahmen, „man ist der Held“, bewusst, sagt Stefan Kerth. | |
| Gleichzeitig aber bringe man die anderen Landräte, die ihre Inseln | |
| offenhalten, in Bedrängnis. | |
| ## Sorge vor einer Reisewelle | |
| Eine Sache aber bereite ihm gerade doch ziemliche Sorgen. Alle | |
| Bürgermeister seines Kreises rechnen mit einer Reisewelle zu Ostern. Der | |
| Landrat hofft, dass sie „bloß nicht den Überblick über die Infektionsketten | |
| zu verlieren“. | |
| Damit er alles im Blick behält, kam Fischer Brandt eine Idee. Mehr als 170 | |
| Jahre Erinnerungen an seine Baaber Fischerfamilie wollen schließlich | |
| verwaltet werden, 45 davon gehören jetzt schon ihm. Also schrieb Roberto | |
| Brandt mit einem wasserfesten Stift Nummern auf die gerahmten historischen | |
| Fotografien seiner Vorfahren, die an den Wänden seines kleinen Restaurants | |
| hängen, und auf der Rückseite eine Legende mit den Namen dazu. Nummerierte | |
| Vergangenheit, dazu passt, dass alle Welt gerade über Zahlen spricht. | |
| Zahlen waren es auch, die dem Fischer in den letzten Wochen viele | |
| schlaflose Nächte bereiteten, nachdem er zuerst den Gaststättenbetrieb | |
| herunterfahren musste und schließlich, als die Gäste ausblieben, völlig | |
| einstellte. Da inzwischen die Kühltruhen voll mit Fisch und die Hotelbetten | |
| leer sind, lohnt es sich nun auch nicht mehr, mit dem Boot rauszufahren. | |
| Was tun mit den zehn Festangestellten, die jetzt eigentlich an Bord, in der | |
| Küche und in der Räucherei arbeiten würden? | |
| Und dabei war es so gut gelaufen für ihn, hatte der Fischer dank eines | |
| cleveren Konzepts und Förderprogramms des Landes in schweres Küchengerät | |
| wie eine Fischverarbeitungsmaschine für Steinbutt für Räucherei und | |
| Gaststätte investiert. | |
| Wohlweislich, um in schwierigen Zeiten, falls noch strengere Quoten die | |
| Fischer weiter in die Knie zwingen würden, sein zweites Standbein | |
| auszubauen. Die nun wegbrechenden Einnahmen zum Ostergeschäft wären | |
| dringend nötig gewesen. Das Problem sei ja, dass niemand wisse, wie lange | |
| das jetzt gehe, sagt Roberto Brandt und gibt selbst einen Tipp ab: „Ich | |
| glaube, vor Mai wird dat nüscht werden.“ | |
| ## Jetzt heißt es Zusammenrücken | |
| Deshalb hat der Fischer Kurzarbeitergeld für seine Angestellten beantragt | |
| und die Differenz zum eigentlichen Gehalt oben draufgepackt. Auch für einen | |
| Kredit beim Landesförderinstitut MV hat er sich vormerken lassen und sich | |
| um Corona-Soforthilfe für die laufenden Kosten bemüht. Nun wartet er, | |
| schaut ab sieben Uhr morgens mehrmals täglich in sein E-Mail-Postfach. „Ich | |
| bräuchte mal ne Rückmeldung“, sagt Roberto Brandt. Aber, Moment mal, fast | |
| hätte er „etwas ganz Wichtiges“ vergessen, der Fischer greift zum Telefon. | |
| Der Getränkelieferant soll einen Kasten Bier vorbeibringen, „für Besuch“, | |
| sagt er. | |
| Dass die GastgeberInnen der Insel in der Coronakrise „dichter | |
| zusammenrücken“, hat auch Knut Schäfer, Vorstand des Tourismusverbandes | |
| Rügen, einem Lobbyverband von 230 Hoteliers und Gastronomen, beobachtet. So | |
| mancher Hotelier halte in diesen Tagen regen telefonischen Kontakt zu | |
| seinen Stammgästen, auch die vielen Bilder und Videos der Insel würden in | |
| den sozialen Medien oft geklickt. | |
| Knut Schäfer ist froh über diesen Umstand, denn zuletzt hatten schlechte | |
| Schlagzeilen die Runde gemacht, die von Stimmung der Einheimischen | |
| gegenüber Fremden, von Verfolgungsfahrten ortsfremder Autokennzeichen, | |
| Meldungen über brennendes Licht in Ferienwohnungen, berichteten. Neben | |
| selbst ernannten Hilfssheriffs würden sogar „verdeckte Ermittler“ | |
| kontrollieren, ob sich ja alle VermieterInnen und BesucherInnen an die | |
| Tourismusverbote hielten, hieß es aus den Ämtern einiger Badeorte. Verstöße | |
| würden strafrechtlich verfolgt. Selbstredend. | |
| Derlei „Einzelfälle“ bedauern sie beim Tourismusverband, sagt Knut Schäfe… | |
| Dass deshalb in Zukunft weniger UrlauberInnen auf die Insel Rügen kämen, | |
| könne er sich aber nicht vorstellen. Vergessen dürfe man nicht, dass die | |
| derzeitige Ausnahmesituation Angst und Druck erzeuge, sagt er: „Da schießt | |
| der eine oder andere eben übers Ziel hinaus.“ Außerdem sei da noch die | |
| Sache mit der „norddeutschen Freundlichkeit“, so der 43-Jährige. „Rauer | |
| Ton, wortkarg – aber eine lieb gemeinte Botschaft – diesen Dialekt verstehe | |
| eben nicht jeder.“ | |
| Über die Botschaft derlei Mistgabel-Gebaren lässt sich wahrlich streiten, | |
| doch nicht nur UrlauberInnen geht es auf Rügen wie im gesamten Land derzeit | |
| an den Kragen. Mehr als 900 kleine wie große Unternehmen sind vom | |
| darniederliegenden Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern betroffen. | |
| Auch wenn man den Schaden noch nicht richtig beziffern kann und das | |
| Bundesland einen Schutzfonds über 1,1 Milliarden Euro aufgelegt hat, gehen | |
| WirtschaftsexpertInnen davon aus, dass 40 bis 60 Prozent der Betriebe | |
| Mecklenburg-Vorpommerns die Pandemie nicht überstehen werden. Im | |
| vergangenen Jahr verbrachten [2][1.485.659 Gäste] ihren Urlaub auf den | |
| Inseln Rügen und Hiddensee. Allein in Binz, dem größten Ostseebad der | |
| Insel, standen dazu 2019 17.260 Betten zur Verfügung. | |
| Auf der Strandpromenade des Ferienortes haben sich eben ein paar Wolken vor | |
| die Sonne geschoben. Die Seebrücke ist menschenleer, eine Frau putzt ihrem | |
| Hund mit einem Taschentuch den Hintern. Nichts los im mondänen Ostseebad, | |
| in dem sich sonst die Reichen und Schönen in weißen fließenden Stoffen | |
| zuwinken. | |
| Nur wenige hundert Meter weiter gibt es etwas zu feiern. Heute vor neun | |
| Jahren eröffneten Isabel und André Trost ihr Restaurant Diavolo, das von | |
| fangfrischem Fisch bis Steak vom Lavasteingrill baltisch-mediterrane Küchen | |
| auf raffinierte Weise kombiniert. Der schwarz gehaltene, modern-rustikal | |
| eingerichtete Gastraum kann bis zu 80 Gäste beherbergen, hinzu kommen 50 | |
| Terrassenplätze. | |
| Tatsächlich muss es hier mit dem Teufel zugehen, wenn man der | |
| Erfolgsgeschichte der Gastronomin und dem gelernten Koch, Eltern zweier | |
| Kinder, lauscht, die sich mit ihrem Abendrestaurant und 13 ganzjährig | |
| Angestellten in nur wenigen Jahren von der zweiten in die erste Reihe der | |
| Binzer Strandpromenade gekocht haben. Also, hoch die Gläser! Aber wie, wenn | |
| das Restaurant geschlossen und Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen im | |
| öffentlichen Raum verboten sind? | |
| Isabel Trost hatte die zündende Idee. Ihr Mann André wird Pizzen backen, | |
| die Isabel Trost ihren MitarbeiterInnen, Freunden und Familie später auf | |
| der Terrasse über eine rote Kordel reichen wird. Zum Mitnehmen, denn | |
| „niemand betritt den Laden“ – versteht sich, minutiös wie ein Raketensta… | |
| ist die Abholung geplant. | |
| Doch bevor es losgeht, führt die 42-Jährige schwungvoll durch die Küche, | |
| zeigt die jetzt leeren Arbeitsplätze des Sauciers, Entremetiers, das bis | |
| auf ein paar Weinflaschen leere Getränkelager und ein mit eingekochten | |
| Gemüsen und selbst gemachter Pasta vollgestopftes Kühllager. Im Büro | |
| nebenan sitzt Sohn Artur beim Homeschooling. Der Elfjährige mit wuscheligen | |
| blonden Haaren soll eine Geschichte über den Alltag einer Familie | |
| schreiben. Nur weiß er nicht, wie. „Erzähl doch von uns“, ruft Isabel Tro… | |
| im Vorbeigehen. | |
| Schon am 18. März, also drei Tage vor dem Erlass der Landesregierung, | |
| hatten sie ihr Lokal zugemacht, „um das Risiko für unsere Angestellten, | |
| Gäste und für uns zu minimieren“. Eine echte Zitterpartie. Denn | |
| „knackevoll“ war das Geschäft in den Tagen zuvor gewesen, als sie jeden | |
| zweiten Tisch reservierten, um den Mindestabstand von zwei Metern | |
| einzuhalten, und Desinfektionsspender im Eingangsbereich montierten. „Wir | |
| hatten Bomben-Umsätze, aber ein unbehagliches Gefühl“, sagt Isabel Trost | |
| und streicht über ihre langen dunkelblonden Haare. | |
| Mit befreundeten GastronomInnen gründen sie die WhatsApp-Gruppe „Corona | |
| Extra“, treffen sich im Restaurant der Schwester, um gemeinsam und doch | |
| jeder für sich an einem extra Tisch, das Telefon mit dem Steuerberater in | |
| der Mitte, Antragsformulare für Kurzarbeitergeld auszufüllen. Isabel Trost | |
| hat „Coronapanik“ in diesen Tagen, innerlich zerrissen hätte sie die Frage, | |
| ob sie weiter Geld verdienen sollten, solange es noch ging. „Wir haben es | |
| alle nicht so richtig begreifen wollen“, sagt sie. | |
| Bis André Trost ein Machtwort spricht: Nach Mitternacht verschickt er eine | |
| lange Nachricht an „Corona Extra“, die die Gruppe wachrüttelt. Sie handelt | |
| von Respekt gegenüber Menschenleben, von Verzicht statt Profit. Somit ist | |
| die Entscheidung gefallen, das Diavolo schließt. Er habe sich vorgestellt, | |
| wie ein Stammgast, der seiner betagten Mutter regelmäßig einen Pastateller | |
| mit Garnelen mitnehme, durch ihren Kontakt infiziert würde, sagt der | |
| 40-Jährige über seinen Entschluss. „Das hätte ich mir nie verziehen.“ | |
| Markige Worte angesichts von saftigen Kreditraten für das Restaurant und | |
| monatlich hohen Personalkosten von über 30.000 Euro. | |
| In Isabel Trosts Leben beginnt nun das, was sie „Corona-Burn-out“ nennt. | |
| Der Teufel ist los. Sie trommelt ihre MitarbeiterInnen zusammen, spricht | |
| allen bei einem Gläschen Schnaps und mit Tränen in den Augen ihre | |
| vorübergehende Kündigung aus, um sie kurz darauf wieder zurückzunehmen. | |
| „Eine vorschnelle Fehlentscheidung“, sagt die Gastronomin. Zum Glück hätt… | |
| ihre Angestellten mitgezogen – „einmal Teufel, immer Teufel“. | |
| Inzwischen ist etwas Ruhe eingekehrt, wohl auch weil die Strom- und | |
| Gasversorger sehr kulant sind, die Raten für das Auto-Leasing gestundet und | |
| die Beiträge zur Berufsgenossenschaft ausgesetzt wurden. Neben | |
| Kurzarbeitergeld haben sie auch Corona-Soforthilfe und einen zinsgünstigen | |
| KfW-Kredit beantragt. | |
| ## Hoffen auf den Juni | |
| Nun leben die Trosts von Tag zu Tag und hoffen, dass sie ihren | |
| Restaurantbetrieb spätestens Anfang Juni wieder starten können. „Wenn der | |
| finanzielle Druck nicht wäre, wäre das alles auszuhalten“, sagt Isabel | |
| Trost. Und die Krise habe auch etwas Gutes. Zum ersten Mal seit neun Jahren | |
| haben sie Ostersonntag frei. In diesem Jahr fällt der Tag auf den | |
| Geburtstag von Sohn Artur. Der hält seiner Mutter jetzt das linierte Heft | |
| mit der Familiengeschichte unter die Nase. „Die Blöden vier“, steht in | |
| Schreibschrift darüber. „Sollen wir das sein?“, Isabel Trost rollt mit den | |
| Augen – wenn man vom Teufel spricht. | |
| Am Abend auf dem südöstlichsten Zipfel der Insel Rügen verabschiedet sich | |
| der Tag mit einem gewohnt spektakulären Sonnenuntergang über dem | |
| Greifswalder Bodden. Zuerst gelb, dann orange und schließlich tiefrot färbt | |
| der große Sonnenball den Himmel und mit ihm die Hochwasserpfützen auf den | |
| Salzwasserwiesen hinterm Deich. | |
| Die Fensterscheiben der wenigen Häuser im Dorf wirken im glühenden | |
| Sonnenlicht so, als würden sie brennen. Einsam dreht der Busfahrer die | |
| letzte Runde des Tages, um diese Uhrzeit fährt niemand mit. In der Ferne | |
| kreischen und bellen die Möwen, pfeift der um diese Jahreszeit noch kalte | |
| Westwind durch die von ihm gebogenen Kronen der Strandkiefern. Es ist die | |
| dritte Woche, da Corona die Insel angehalten hat. | |
| 8 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.regierung-mv.de/serviceassistent/_php/download.php?datei_id=162… | |
| [2] https://www.laiv-mv.de/Statistik/Ver%C3%B6ffentlichungen/Statistische-Beric… | |
| ## AUTOREN | |
| Julia Boek | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Rügen | |
| Tourismus | |
| Teilnehmende Beobachtung | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Teilnehmende Beobachtung | |
| Nachhaltigkeit | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Ferienwohnungen in Schleswig-Holstein: Sylter Verhältnisse in Scharbeutz | |
| Scharbeutz will die Zahl der Ferienwohnungen begrenzen. Einheimische würden | |
| verdrängt. In zehn Jahren hat sich die Wohnungszahl verdoppelt. | |
| Sommer vorm Balkon: Ein Abschied in glühenden Farben | |
| Berlin im Winter ist nicht so dolle. Aber im Sommer! Selbst in | |
| Corona-Zeiten. Eine – allerletzte – Kolumne unserer Autorin über ihre | |
| Wahlheimat. | |
| Tourismus im Norden läuft wieder an: Vor der Seebrücke wird's eng | |
| St. Peter-Ording musste wegen der Coronapandemie in den Ruhemodus schalten. | |
| Montag wird wieder hochgefahren. Eine Ortsbegehung. | |
| Die Zeit in Zeiten von Corona: Vollbremsung mit Muße | |
| Corona entschleunigt. Auf einmal wäre Zeit für so vieles, die Ukulele zum | |
| Beispiel. Doch irgend etwas stimmt nicht. Hat die Autorin die Muße | |
| verlernt? | |
| Nachhaltige Fischerei: Der Siegelstreit | |
| Neue Regeln für Fischereien der Zertifizierungs-Organisation MSC gehen dem | |
| Umweltverband WWF nicht weit genug. | |
| Reisen aktuell und im Rückblick: Miese Zeiten für Entdecker | |
| Die Reisewelt steht still, über die Kosten der Krise wird gestritten. Wir | |
| entführen derweil zu den Abenteuern historischer Entdecker. | |
| Demoverbot im öffentlichen Raum: Wie Protest trotzdem klappen kann | |
| Durch Corona ist die Demokratie teilweise außer Kraft gesetzt. Doch Protest | |
| muss weiter möglich sein, nicht nur im digitalen Raum. Ein Gastkommentar. | |
| Politik in der Corona-Krise: Merkel am Bügeleisen | |
| Notstandsgesetze, SPD unter fünf Prozent – alles vorstellbar. Aber | |
| Bügeltipps von der Bundeskanzlerin? Eine Glosse. | |
| Geschlossene Grenzen in Deutschland: Nachbar, ein Virenträger | |
| Im Kampf gegen Corona werden die Schlagbäume gesenkt. Eindrücke aus Aachen, | |
| von der polnischen Grenze, entlang der B96 – und aus dem Baumarkt. |