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# taz.de -- Grüne Politikerin über Kita-Schließungen: „Eltern werden im St…
> Hamburgs Grüne Landeschefin Anna Gallina warnt vor einer frauen- und
> kinderfeindlichen Politik. Sie fordert ein spezielles Corona-Elterngeld.
Bild: Schwer zu vereinbaren: Homeoffice und Kinderbetreuung
taz: Frau Gallina, die Kitas sind zu. Wie geht es den Eltern im Homeoffice?
Anna Gallina: Wir sehen im Fernsehen und in sozialen Medien, dass viele
ihre lustigen Storys des täglichen Scheiterns erzählen. Das ist eine
Situation, die man einige Tage händeln kann. Nach vier Wochen ist für viele
der Punkt erreicht, wo es gar nicht mehr gutgeht.
Die sehnen die Kitas herbei?
Ja. Vielen Eltern ist die sensible Lage bewusst. Aber sie stehen durch die
Schließung von Kitas und Schulen vor nicht mehr lösbaren Aufgaben. Es gibt
keine Instrumente, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder
ermöglichen. Die Eltern werden im Stich gelassen. Zeitgleich wächst das
Problem der Bildungsungerechtigkeit.
Hamburg öffnet ab dem 27. April schrittweise die Schulen. Von Kitas war
keine Rede. Sie sagen dazu, wir leben wieder in einer frauen- und
kinderfeindlichen Gesellschaft wie 1960?
Wenn es so bleibt, wie gerade beschlossen, ja. In der politischen
Entscheidung zeigt sich ein blinder Fleck. Wie sollen Eltern, die zum
Beispiel in Präsenzberufen arbeiten, das leisten? Wir öffnen die
Friseursalons, aber es wurde nicht mal darüber nachgedacht, wie kreative
Konzepte aussehen können, um zum Beispiel belasteten Kindern und Familien
wieder einen ersten Schritt zu frühkindlicher Bildung zu ermöglichen. Und
die Spielplätze sind auch nach wie vor zu, es gibt keinerlei Kompensation.
Dient es nicht dem Schutz, dass nicht gleichzeitig Kitas und Schulen
öffnen?
Es ist klar, dass wir nicht zum Regelbetrieb übergehen können. Das fordert
auch keiner. Aber diese Kombination ist fatal. Es schadet dem Kindeswohl,
wenn wir hier die Kleinsten mit dem größten Bewegungsdrang und der
niedrigsten Erkrankungswahrscheinlichkeit für die nächsten Monate häuslich
isolieren. Die Kinder haben keinen Kontakt mehr zu den Großeltern, zu
Freunden oder ihren Erzieherinnen. Und in manchen Supermärkten sind sie
auch schon unerwünscht. Kinder werden zu einer Projektionsfläche für das
ganze Übel aufgrund einer unbelegten Superspreader-These.
Was schlagen Sie vor?
Erst mal bin ich sehr froh, dass jetzt Hamburg die Notbetreuung auch für
Alleinerziehende öffnet. Ich hoffe, dass da andere Länder nachziehen. Und
dann brauchen wir eine Debatte über weitere Schritte. Es kann nicht sein,
dass es nicht mal eine Perspektive gibt, wann darüber geredet wird.
Warum fordern Sie ein Corona-Elterngeld?
Weil Homeschooling, Kinderbetreuung und Arbeit auf Dauer unvereinbar sind.
Wir haben Eltern die Grundlage für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
entzogen. Das ist vergleichbar mit der Situation nach der Geburt, wo man
mit ganz kleinen Kindern zu Hause ist, die man noch nicht in die Betreuung
geben kann, sodass man nicht arbeiten kann. So ist es ja auch, wenn man ein
Kind zu Hause beschult oder eine Dreijährige um einen herumspringt, die den
ganzen Tag natürlich auch Aufmerksamkeit fordert.
Haben Eltern nicht bereits einen Entschädigungsanspruch nach
Infektionsschutzgesetz?
Dieser Anspruch besteht nur bis zu sechs Wochen und unter sehr restriktiven
Bedingungen. Für Arbeitnehmer*innen, die im Homeoffice arbeiten können,
greift er nicht und die sechs Wochen sind bald um. Außerdem gibt es keine
Anreize, sich die Mehrarbeit partnerschaftlich zu teilen. Eher im
Gegenteil. Und die Anzahl der Kinder spielt, anders als bei unserem
Corona-Elterngeld, auch gar keine Rolle.
Was ist Corona-Elterngeld?
Die Systematik wäre wie beim Elterngeld. Das Basiselterngeld könnten alle
bis zu drei Monate bekommen, in deren Haushalt Kinder unter 14 Jahren
leben. Man kann ganz oder teilweise auf Arbeit verzichten und erhält 67
Prozent des durch die Coronazeit entfallenden Einkommens und maximal 2.300
Euro, wenn mehrere Kinder betreut werden. Es gibt einen
Partnerschaftsbonus, wenn man sich die Arbeit teilt, und mehr Geld für
Alleinerziehende. Eltern, die kein Einkommen hatten, bekämen 300 Euro, die
nicht auf andere Leistungen angerechnet werden.
Haben Sie schon ein Echo?
Viele positive Rückmeldungen und natürlich auch Fragen, wie das
funktionieren kann. Aber darum geht es. Wir brauchen die Debatte, was wir
für Eltern tun müssen. Wir brauchen auch einen Kündigungsschutz, eine
Corona-Elternzeit und Lohnersatzleistungen. Das müsste schnell umsetzbar
sein.
Kitas könnten bis zum Sommer zu bleiben. Was muss Hamburg als Ausgleich
tun?
Wir könnten für Kinder durch temporäre Spielstraßen mehr Raum schaffen. Und
natürlich müssen wir darüber sprechen, wie wir die Spielplätze wieder
aufmachen können. Eltern können auch in ihren Vierteln darauf achten, dass
die Spielplätze nicht überfüllt sind.
Wann beginnen eigentlich die Koalitionsverhandlungen?
Wir haben uns verständigt, dass wir das bis zur Sommerpause schaffen
wollen.
18 Apr 2020
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kita
Kinderbetreuung
Haushalt
Gleichstellung
Grüne Hamburg
Schulbehörde Hamburg
Kitas
Rettungsschirm
Kolumne Nachsitzen
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