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# taz.de -- Komplexe Beziehungen in Corona-Zeiten: Verbotene Liebe
> Direkten Kontakt erlaubt der Staat wenig: Kernfamilie, Lebenspartner. Was
> aber, wenn die Situation komplizierter ist?
Bild: Die Liebe sucht sich ihre Wege. Nicht immer führen sie zum Ziel
Es ist zu früh zu sagen, was sein wird. Noch werden die Fetzen, in die der
eingefahrene Lebensrhythmus der Menschen durch die Coronakrise gerissen
ist, neu zusammengesetzt, irgendwie gekittet und geklebt, der Alltag, die
Sorgen, der neue Alltag, die neuen Sorgen. Da wird vielleicht nichts mehr,
wie es vorher war, aber vor allem jetzt gerade ist alles anders, egal, ob
es darum geht, wie wir arbeiten, einkaufen, zusammen sind und auch: wie wir
lieben.
Da gibt es welche, die haben es jetzt sehr gut: Wer sich liebt und gern
zusammen ist, auch so gern noch, dass das die Wahrheit ist und keine
Floskel, der schafft jetzt vielleicht endlich mal die Schachpartie oder die
Diskussion über den letzten Film bei einem Glas Baileys. Den gibt es jetzt
sogar mit Eiswürfeln, weil man schon am Nachmittag daran gedacht hat, wie
schön es am Abend wäre, bei einem Glas Baileys mit Eiswürfeln
beisammenzusitzen und dann sogar die Möglichkeit hatte, kleine
Wasservierecke ins Eisfach zu legen.
Man hat Zeit, die Gespräche zu führen, für die sonst nie Zeit ist. Die eine
schon aufgegebene Beziehung vielleicht retten können. Die einem
abhandengekommen war und die man vermisst hat. Und natürlich bleibt auch
mehr Zeit für Sex.
Die Krise als Chance – diese Aussage kommt als Allerweltsweisheit daher.
Der Psychotherapeut und Autor Andreas Knuf spricht von der Krise als
Lebensereignis. Als Einschnitt in den Alltag, der mitunter Auswirkungen auf
den Rest unseres Lebens hat. Knuf führt eine Praxis in Konstanz und sagt:
„Krisen sind Zeiten, in denen Angstthemen hochkommen“, sie seien wie ein
„Lackmustest für Beziehungen“, und er sagt auch: „Wir werden auf die
Grundlagen zurückgeworfen.“
Diese Grundlagen, die definiert der Staat derzeit sehr traditionell: In
allen Bundesländern ist es erlaubt, mit der eigenen „Kernfamilie“, wie gro…
auch immer sie sein mag, nach draußen zu gehen und in der Regel auch,
seine:n langjährige:n Lebenspartner:in zu besuchen.
## Eine Pandemie kennt keine Bedürfnisse
Was aber, wenn es so einfach nicht ist? Für Menschen, die nicht gemeinsam
wohnen, ist das Zusammensein jetzt mit Risiko verbunden. Auf dem Weg, aber
auch dann, wenn noch mehr Menschen wie etwa Mitbewohner:innen involviert
sind. Keine genauen Vorgaben gibt es für die, die von klassischen Konzepten
abweichen wie [1][polyamor lebende Menschen], Affären, Verliebte, die
frisch zusammen sind. [2][Von Sex mit jemandem außerhalb des eigenen
Haushalts wird abgeraten], wie in den 1950ern. Komplexere Situationen sind
unerwünscht. Nun kann man sagen: Eine Pandemie kennt keine Bedürfnisse. Man
kann aber auch sagen: Liebe kennt keine Pandemie.
Denn sehen möchte man sich trotzdem, wenn man sich gern hat oder gar liebt,
auch wenn der deutsche Staat keine Definition dafür bereithält. Die
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie warnt, dass
soziale Isolation psychische Störungen verstärken und damit auch die Zahl
der Suizide steigen könnte. Studien zur Folge von sozialer Isolation durch
Quarantäne belegen diese Befürchtungen. Sie zeigen: Auch wer zuvor nicht
mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte, berichtet nach der
überstandenen Isolation von Angstgefühlen, Wut und Schlafstörungen. Manche
der Befragten litten auch noch Jahre später an den Folgen.
Im 1. Brief der Korinther, Vers 13, steht: „Nun aber bleiben Glaube,
Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Man muss nicht gläubig sein, um die Bibel für diesen Satz zu schätzen.
Liebe ist mehr und immer mehr gewesen als Mutter, Vater, Kind oder die
monogame Zweierbeziehung, immer mehr als Begriffe, die nie alles fassen
können. Liebe hat unzählige Facetten, sie kann sich heute ganz anders
anfühlen als morgen, und nicht für jede:n wird sie weniger, wenn man sie
(ver)teilt. Liebe kennt keine Grenzen und hat doch manchmal Grenzen. In
Zeiten einer Pandemie zum Beispiel.
Wir haben fünf Menschen gefunden, die erzählen. Sie sind verliebt, sie
lieben und passen doch in keine „Kern“-Fassung. Es sind Menschen, deren
Liebesleben sich durch Corona verändert hat, einmal zum Guten, viermal zum
Schlechten, manchmal tut es auch weh.
* Kaum etwas ist privater als die Liebe. Auf Wunsch der Befragten wurden
die Namen deshalb geändert.
* * *
## Die Geliebte
Tanja Großejohann* führt einen Friseursalon in einer kleinen Stadt in
Schleswig-Holstein. Die 35-Jährige liebt einen verheirateten Mann. Am
Telefon klingt sie resigniert.
„Wir sind seit acht Monaten zusammen. Kennengelernt haben wir uns über
Freunde. Am Anfang wusste ich nicht, dass er verheiratet ist, das ist ja
nicht unbedingt das Erste, was man fragt. Wir haben angefangen, uns über
Facebook zu schreiben. Beim ersten Date hat er dann von seiner Ehe erzählt.
Mein erster Gedanke war natürlich: Das geht nicht, das kann ich nicht
machen. So ein Verhältnis entspricht nicht dem, was ich mir unter einer
Partnerschaft vorstelle. Aber das sagt sich leicht, wenn man verliebt ist.
Ich habe mir vorgenommen: Ich mache das nur so lange mit, wie es mir
guttut. Wenn sich das ändert, dann muss man das Ganze eben beenden.
Und so kam es dann auch. Vor ein paar Wochen habe ich zu ihm gesagt:
entweder ganz oder gar nicht. Ich möchte nicht ewig die Geliebte sein.
Daraufhin hat er entschieden, dass er seine Frau verlässt.
Dann kam Corona. Mit seiner Frau hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nicht
gesprochen. Und jetzt ist es zu spät. Dass er seine Familie in solchen
Zeiten verlässt, das erwarte ich nicht. Aber schwierig ist das schon. Denn
ich sitze hier alleine. Mit all den Gedanken und Sorgen um meinen Salon,
und ärgere mich, während er bei seiner Familie ist.
Wir schreiben uns viel über WhatsApp und telefonieren regelmäßig. Er ruft
mich oft aus seiner Mittagspause an. An einem Sonntag haben wir uns auch
kurz gesehen. Da war er gerade in der Gegend und ist für eine Stunde
vorbeigekommen. Aber das reicht natürlich nicht. Ich hätte nie gedacht,
dass ich mal in so eine Situation komme. Gerade habe ich viel Zeit zum
Nachdenken.
Ich weiß: Ich bin in einer Position, in der ich nicht sein möchte. Ich
möchte einen Partner haben, der für mich da ist.“
Protokoll: Gesa Steeger
* * *
## Der Single
Christian Weber*, 48, arbeitet in der Filmbranche und lebt in Berlin.
„Mein normales Ausgehverhalten hat sich durch Corona extrem verändert.
Normalerweise gehe ich viel in Bars und Clubs, auch innerhalb der Woche mal
auf ein Glas Wein oder einen Cocktail. Das fällt jetzt natürlich komplett
weg. Da lerne ich für gewöhnlich auch Männer kennen. Es geht nicht jedes
Mal darum, jemanden mit nach Hause zu nehmen. Für mich gehört auch Flirten
zu Sex dazu und kann etwas sehr Inspirierendes sein. Und da, wo ich
hingehe, hängt eigentlich immer jemand rum, der interessant ist.
Da das nun wegfällt, bin ich jetzt vor allem noch auf den einschlägigen
Seiten unterwegs. Da suchst du dann nur noch nach Sex, ja, auch in Zeiten
von Corona. Wer das aus Angst vor dem Virus nicht will, lässt es von
vornherein bleiben.
Was ich jetzt aber tatsächlich manchmal erlebe, was sonst nicht vorkommt:
Leute, mit denen man chattet, gestehen plötzlich, dass sie gar nicht auf
der Suche nach einer Nummer sind, sondern einfach mal wieder mit jemandem
quatschen wollten. Oder sie wollen nur vorbeikommen, um zu kuscheln. Da
merkt man schon, wie schnell menschliche Nähe fehlt.
Die meisten auf diesen Seiten aber suchen nach wie vor nach Sex, und
anderes ist jetzt ja eh nicht mehr möglich. Manche verbringen da fünf
Stunden oder noch länger täglich, ich gehe meistens ein-, zweimal die Woche
drauf. Auf mehr habe ich keine Lust, mir ist das schlicht nicht spannend
genug. Mir fehlt das Kennenlernen, das Flirten, eben alles, was sonst vor
dem Sex kommt. Das ist einfach anders, wenn man auf diesen Seiten unterwegs
ist. In der Regel ist es weit nach Mitternacht, wenn ich jemanden zu mir
einlade; da ist dann ohnehin jedem klar, was ich will.
Ich war jetzt sieben Jahre in einer Beziehung und genieße mein momentanes
Single-Dasein eigentlich sehr. Aus meinem Bekanntenkreis, in dem die
meisten liiert sind, bekomme ich gerade mit, welche Abgründe sich in
Beziehungen auftun. Plötzlich kann man nicht mehr behaupten, dass man noch
länger im Büro braucht. Da wird sich nun zeigen, wer es auch in
Krisenzeiten miteinander aushält.
Generell ist das gerade eine hochspannende Zeit. Ich bin wahnsinnig
erschrocken, wie schnell Menschen bereit sind, ihre Freiheiten aufzugeben.
Auch, wenn damit so viel Verzicht einhergeht. Ich lade auch immer noch
Menschen zu mir ein, immer die gleichen Freunde oder eben Männer. Vor zwei
Tagen war einer bei mir, der danach ein Taxi zurück nach Hause nehmen
wollte. Er habe Angst, sonst von der Polizei angehalten zu werden, weil die
ja jetzt ständig kontrollieren. Das muss man sich mal vorstellen. Ansonsten
aber versuche ich schon, das Thema auszuklammern. Corona ist einfach ein
Stimmungskiller.“
Protokoll: Hanna Voß
* * *
Die Fernbeziehung
Rita Schneider* ist 66 Jahre alt, Rentnerin und lebt seit 24 Jahren in
einer Fernbeziehung.
„Die Ungewissheit ist das Schlimmste gerade. Wir wissen nicht, wann wir uns
wiedersehen. Er lebt in Nürnberg, wegen der Arbeit. Kurz bevor in Bayern
die Ausgangssperre verhängt wurde, war er noch hier. Ich habe es mit dem
Rücken und wenn er hier ist, dann holen wir immer die schweren
Wasserkästen.
Wir telefonieren gerade viel. Ich habe Angst um ihn. Er arbeitet bei einem
Sicherheitsdienst und hat viel Kontakt zu Menschen. Der Betrieb hat ihm nur
einen Handschuh gegeben, für den ganzen Tag. Er ist schon vorsichtig, aber
trotzdem. Das geht doch nicht. Ich sage ihm jeden Tag, dass er aufpassen
soll.
Kennengelernt haben wir uns 1996, auf einer Faschingsparty in einer
Gaststätte. Wir kamen beide aus Beziehungen, und er lebte damals schon in
Nürnberg. Wir haben uns dann Stück für Stück angenähert. Wir haben viele
Gemeinsamkeiten. Er ist auch aus dem Osten, in Jena geboren und kennt sich
hier in der Gegend gut aus. Wir sind viel wandern gegangen, auch mit den
Kindern. Er ist kein Stiefvater für meine Kinder, wollte er auch nicht
sein. Aber er war immer nett zu ihnen und hat mir nicht reingeredet in die
Erziehung. Das hätte ich auch nicht gewollt. Meine vorherige Ehe war sehr
unglücklich und traumatisch, für mich und die Kinder.
Deswegen bin ich auch nicht nach Nürnberg gezogen. Ich habe hier eine
Arbeit gehabt, immer selbst mein Geld verdient. Hier hat alles seine
Ordnung. Die Geldanlagen, die Versicherung, die Kinder. Ich habe mich immer
selbst um alles gekümmert, da brauchte ich keine weitere Ehe. Da bin ich
auch dran gewachsen.
Mein Partner und ich sehen uns nicht regelmäßig. Er ist in Schichtarbeit,
die ist sehr unregelmäßig. Manchmal arbeitet er mehrere
Zwölfstundenschichten am Stück, auch nachts. Oft muss er auch einspringen.
Da hat die Liebe schon öfter mal gelitten. Wenn man auf jemanden wartet und
der kommt dann doch nicht.
Von Jena nach Nürnberg fährt man drei Stunden. Wenn ich ihn besuche, fahre
ich Freitagnachmittag hin und Sonntag wieder zurück. Er hat ein Auto, da
kann er auch spontan mal kommen. Das ist gut. Ohne Auto wäre unsere
Beziehung nicht lebbar.
Wenn man mich fragt, wie man das aushält, jahrelang eine Fernbeziehung zu
führen, dann schaue ich mir andere Beziehungen an. Die flachen in der Regel
nach zwei bis drei Jahren ab, weil alles zur Routine wird. Bei uns gibt es
keinen echten Alltag, da gibt es immer noch das Gefühl der Vorfreude, wenn
wir uns endlich sehen. Für mich ist er der Einzige, und ich bin es für ihn.
Wir haben eine herzliche Verbindung, da passt vieles. Seit Jahren fahren
wir nach Schweden, bis hoch in den Norden sind wir schon gekommen. Das
trägt sehr, diese Liebe zu diesem schönen Land.
Nächstes Jahr geht mein Partner in Rente, dann haben wir schon Pläne. Er
zieht dann vermutlich nach Jena und sucht sich eine kleine Wohnung in der
Nähe. Dann können wir uns endlich mehr sehen.“
Ein paar Tage nach dem Telefonat ruft Rita Schneider noch mal an: Sie hat
sich mittlerweile beim Gesundheitsamt informiert. Dort sagte man ihr, dass
ihr Partner sie besuchen darf, trotz Kontaktverbot und
Ausgangsbeschränkung. Allerdings dürfen sie niemand anderen treffen.
Protokoll: Gesa Steeger
* * *
## Die Frischverliebte
Julia Fluss*, ist Pädagogin, 42 Jahre alt und frisch verliebt. Vor vier
Wochen zog ihr neuer Freund in ihre Dreizimmerwohnung in Berlin-Neukölln.
Normalerweise wohnt er in einer 5er-WG. Am Telefon lacht Fluss viel, sie
klingt glücklich.
„Normalerweise sehen mein Freund und ich uns ein Mal die Woche. Er ist
Musiker und viel unterwegs, ich arbeite bei einem Verein in Neukölln, im
Bereich der Erwachsenenbildung. Da bleibt nicht viel Zeit.
Am 19. März, kurz bevor die Ankündigung zum Kontaktverbot kam, ging es
plötzlich los: Ich bekam eine Absage nach der anderen, und innerhalb
kürzester Zeit hatte ich für März und April keine Aufträge mehr. Jetzt wäre
ich eigentlich gerade in Riga, um einen Workshop zu geben. Bei meinem
Freund ist es ähnlich. Alle Konzerte sind abgesagt oder verschoben worden.
Wir haben gedacht: Okay, Arbeitsleben gecancelt. Was machen wir?
Dann habe ich gesagt: Vielleicht kommst du einfach ein paar Tage zu mir? Er
lebt eigentlich in einer 5er-WG, und ich wohne alleine in einer
Dreizimmerwohnung. Am Anfang dachten wir, er bleibt eine Woche. Die ersten
Tage ist er noch gependelt. Das wurde mir dann aber zu heikel, mit der Bahn
und dem Proberaum und allem. Da trifft man einfach zu viele Leute.
Wir haben die Nachrichten verfolgt und gesehen, was in anderen Ländern
passiert. In Italien und Frankreich. Das ist schlimm. Wir haben dann
spontan entschieden, dass er hier bleibt. Wir können beide im Homeoffice
arbeiten, daher ist es egal, wo wir sind. Er hat noch seine Gitarre geholt
und seinen Laptop, seitdem ist er hier.
Wir sind noch am Anfang der Beziehung, und es ist wirklich schön, dass wir
so viel Zeit miteinander verbringen. Aber natürlich beschleunigt die
Situation auch einiges. Man hat Zeit für Gespräche, wir lesen uns
gegenseitig aus Büchern vor, kochen und backen gemeinsam. Letzte Woche
haben wir die Wohnung geputzt. Normalerweise vergehen Wochen oder Monate,
bis Paare an diesem Punkt sind. Bei uns passiert das jetzt alles innerhalb
weniger Tage. Das ist schon komisch.
Aber bisher gab es noch keinen Streit. Auch, wenn ich am Anfang innerlich
etwas gestresst war. Ich war krank, und irgendwie will man ja auch gut
aussehen für den anderen, vor allem am Anfang der Beziehung. Das ist in so
einer Situation natürlich schwierig. Ich gehe nicht voll geschminkt ins
Bett, aber achte schon auf eine Basishygiene. Mittlerweile hängen wir aber
auch in Jogginghosen rum.
Mich stören nur Kleinigkeiten. Wenn er zum Beispiel meinen Föhn benutzt und
das Kabel nicht richtig zusammenwickelt oder wenn er beim Essen auf die
Gabel beißt. Da entsteht so ein Geräusch, das ich nicht mag. Aber das sind
Dinge, die sind so klein, dass ich sie noch nicht mal anspreche.
Als mein Freund hier einzog, haben wir uns einen Plan gemacht. Wann wir
morgens aufstehen, wann wir arbeiten, wann wir Pause machen und so. Wir
arbeiten in getrennten Zimmern. Aber wir haben das nicht lange
durchgehalten. Dafür verbringen wir einfach zu gerne Zeit miteinander.
Ich mache viel Yoga. Ich versuche jetzt jeden Tag, einen Online-Kurs zu
machen, ich habe wenig zu tun. Da muss man sich beschäftigen. Mein Freund
macht jetzt auch mit und bringt mir im Gegenzug Gitarre bei.
Wie es wohl wird, wenn die ganze Situation vorbei ist? Bestimmt merkwürdig.
Wir haben aber schon darüber geredet. Ich habe gesagt: Ich möchte nicht
mehr zurück zu dem Zustand, dass wir uns nur ein Mal die Woche sehen. Und
bestimmt ziehe ich nicht zu ihm in die 5er-WG. Vielleicht kommt er her oder
pendelt zwischen den Wohnungen. Ich weiß nicht, was in den nächsten Wochen
passiert. Aber gerade fühlt es sich gut an.“
Protokoll: Gesa Steeger
* * *
## Die Polyamoure
Katja Meister* ist 27 Jahre alt, Juristin und lebt mit ihrem Verlobten in
Münster. Neben dieser Beziehung hat Meister noch zwei weitere Partner.
„Seit drei Jahren bin ich mit meinem Verlobten zusammen, seit etwa einem
Jahr leben wir in einer gemeinsamen Wohnung. Er lebt monogam, ich date
nebenher noch zwei andere Männer. Wir sind Monopoly, wie man so schön sagt.
Das ist in Coronazeiten natürlich etwas schwierig. Einen der Partner habe
ich bis vor drei Wochen regelmäßig getroffen. Den sehe ich jetzt gar nicht
mehr. Die Kommunikation ist schwierig, das war auch vorher schon so. Aber
gerade ist der Kontakt irgendwie eingeschlafen. Ich kann das annehmen,
denke aber, dass wir auf Dauer als Paar nicht funktionieren.
Mit dem anderen Mann bin ich durch Corona ganz eng zusammengerückt, obwohl
er in einer anderen Stadt lebt. Auf einmal reden wir miteinander und haben
die Möglichkeit, Dinge zu klären, die immer problematisch waren. Wie reden
wir miteinander? Was sind unsere Regeln? Was wollen wir generell von einer
Partnerschaft? Das ist ganz interessant. Mindestens ein Mal am Tag sagt
einer von uns: Wie lange noch, bis diese Situation vorbei ist? Wir wollen
uns endlich sehen und schauen, was sich durch unsere Gespräche verändert
hat.
Unsere Kommunikation findet vor allem schriftlich statt. Ich wohne ja mit
meinem Verlobten zusammen. Da kann man kein wirklich privates Gespräch
führen, weil immer einer mithört. Das ist nicht schlimm, aber eine andere
Baustelle. Deswegen ist das gerade etwas schräg, und ich gehe zum
Telefonieren raus.
Letztes Wochenende sind mein Verlobter und ich uns hart auf den Keks
gegangen. Wir sind richtig laut geworden. Das fand ich spannend. Das ist
vorher noch nie passiert.
Ich brauche viel Freiraum und Ich-Zeit. Morgens möchte ich meinen Kaffee
auf der Terrasse trinken und meine Ruhe haben. Das ist natürlich schwierig,
wenn man mit jemandem zusammenwohnt.
Unsere Konstellation funktioniert momentan ganz gut. Keiner hat das
Bedürfnis, etwas zu ändern. Was spannend ist: Ich merke gerade, dass der
Grundpfeiler in den jeweiligen Partnerschaften eine gute Kommunikation ist.
Das ist jetzt die Feuerprobe.“
Protokoll: Gesa Steeger
12 Apr 2020
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