# taz.de -- ZDFneo-Serie „Liebe. Jetzt!“: Pandemische Comedy | |
> Das in Coronazeiten geborene Comedyformat „Liebe. Jetzt!“ wird mit einer | |
> Weihnachtsedition fortgesetzt. Endlich auch mit ernsteren Themen und | |
> Tönen. | |
Bild: Kinder betreuen und finanzielle Nöte: Während Corona kommt alles zusamm… | |
Bereits im Frühjahr wurde ZDFneo für seine Spontanität gelobt. Denn gleich | |
zwei Formate starteten im Frühjahr, die sich mit der damals [1][völlig | |
neuen Lockdownsituation] beschäftigten. Zunächst das ausschließlich zu | |
Hause gedrehte Format „Drinnen – Im Internet sind alle gleich“ mit einer | |
kurzweiligen Story um die Berlinerin Charlotte (Lavinia Wilson). | |
Hauptsächlich über Laptop- und Smartphone-Bildschirme wurde erzählt, dass | |
sie sich eigentlich gerade von ihrem Mann scheiden lassen und ihren Job in | |
einer Marketingagentur hinschmeißen wollte. Doch dann kam Corona. | |
Ebenfalls mit vielen Skype-und Whatsapp-Anrufen arbeitet das kurz darauf | |
erschienene „Liebe. Jetzt!“– und erstaunlich oft standen auch hier in der | |
Werbebranche tätige Menschen und solche, die zumindest nach seelenloser | |
Berlin-Mitte-Agentur aussahen, im Fokus. Ziel der sechs jeweils | |
zwanzigminütigen Kurzgeschichten war es, [2][die Auswirkungen der Krise auf | |
Paare] zu erörtern. Was die Ausnahmesituation mit solchen anstellt, bei | |
denen es vor der Krise schon kriselte. Solchen, die eigentlich noch gar | |
keines sind. Und solchen, die gerade aufhören, eines zu sein. | |
Meist aus schicken Altbauwohnungen heraus wurde die Situationskomik | |
digitaler Paartherapien und unbeholfener Flirtversuche im Videochat | |
eingefangen. Auch düsterere Seiten, wie die plötzliche Sprachlosigkeit im | |
Miteinander-Festsitzen fanden Platz. Richtig ernst wurde es jedoch nie. | |
„Liebe. Jetzt!“ war als Comedyformat ausgelegt, um die Zuschauenden | |
abzulenken. Wenn man sich jedoch thematisch so nah am dem bewegt, was die | |
Ablenkung erst notwendig macht, wirkt es schräg, essenzielle Dinge | |
auszusparen und die Pandemie wie ein kleines, wenn auch sehr | |
beschwerliches, Abenteuer darzustellen. Eines, an dem scheinbar nur hippe | |
Kreative teilnehmen dürfen. | |
## Geld, Sex und andere Probleme | |
Die Fortsetzung versteht sich zwar ausdrücklich als „Christmas Edition“, | |
doch Weihnachten bleibt oft nur ein Hintergrundrauschen. Während drei der | |
sechs Episoden völlig neue Geschichten erzählen, versteht sich die andere | |
Hälfte als Weitererzählung. Den zwischenzeitlichen Lockerungen in den | |
Sommermonaten sei Dank, gibt es mehr Ortswechsel und weniger Bildschirme zu | |
sehen. Viel wichtiger aber: Nun wird all das thematisiert, was zuvor noch | |
übergangen wurde. Der gesamte Ton hat sich verändert, ist an angebrachten | |
Stellen ernster geworden und trifft nun das tatsächliche Lebensgefühl unter | |
Corona wesentlich besser. | |
So werden gleich in der ersten Folge die finanziellen Probleme eines | |
alleinerziehenden Vaters (Sebastian Fräsdorf) zur Sprache gebracht, der | |
über stundenlanges Warten in Info-Hotlines die Geduld verliert. Durch | |
Tochter Martha (Úna Lir) wird gleichsam die Perspektive eines Kindes auf | |
die Situation miteingewoben. Und mit dem Opa (Heiner Hardt), der den | |
gewissenhaft Maske tragenden Schwiegersohn schon mal „Panikmacher“ nennt, | |
wird auch die seit der letzten Staffel [3][enorm gewachsene Zahl der | |
„Verweigerer“] immerhin subtil angeschnitten. | |
Später werden abgelehnte Überbrückungshilfen für Studierende und die Kluft | |
zwischen systemrelevanten und vermeintlich irrelevanten Jobs als | |
zusätzlicher Streitpunkt zwischen Paaren angesprochen. Insgesamt können die | |
erzählten Geschichten nun von einer größeren Vielfalt der vorkommenden | |
Figuren zehren: So verbringt ein queeres Paar, zu dem auch eine non-binary | |
Person gehört, die Feiertage in einer Waldhütte. In einem anderen Fall hat | |
die just geschiedene Rosa (Kirsten Block) einen jüngeren Geliebten (Timo | |
Jacobs) – und plötzlich werden sonst so tabuisierte Sexszenen zwischen | |
Menschen jenseits der Fünfzig gezeigt. | |
Was zugegebenermaßen nach Abhaken einer Checkliste für politisch | |
Wünschenswertes klingt, wirkt beim Schauen nicht erzwungen. Das ist den | |
ambitionierten Geschichten zu verdanken, in die sich die neue Diversität | |
natürlich einfügt. Dank ihrer wirkt nun auch die Komik authentischer – denn | |
die steht gemeinsam mit dem Feel-Good-Anspruch trotz der kritischeren | |
Themen weiterhin im Vordergrund. Man kann sich jetzt schon vorstellen, was | |
für ein hervorragendes Analysematerial die Serie einmal abgeben wird, um | |
herauszufinden, wie sich das allgemeine Mindset in der Krise verändert hat. | |
30 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Arabella Wintermayr | |
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