# taz.de -- Corona-Hilfen für freie Journalist*innen: Das Geld fließt. Meiste… | |
> Viele freie Journalist*innen haben schon Zuschüsse aus Landesprogrammen | |
> erhalten. Die Verbände sind aber nicht komplett zufrieden mit den | |
> Verfahren. | |
Bild: Seit einer Woche können freie Journalist*innen Corona-Zuschüsse beantra… | |
BERLIN taz | 98.383. So viele Menschen stehen am Dienstag kurz vor 12 Uhr | |
in der virtuellen Warteschlange auf der Website der Investitionsbank Berlin | |
(IBB). Sie hoffen auf Corona-Soforthilfen. Als konkrete Wartezeit wird das | |
hier in „mehr als eine Stunde“ übersetzt. Viele Antragsteller*innen | |
erwarteten das schlimmste. | |
Aber manchmal täuscht der erste Eindruck. Laura Aha, 29, ist Pauschalistin | |
bei Groove, einem Magazin für elektronische Musik, als freie | |
Musikjournalistin schreibt sie auch für Spex und Musikexpress. Über die | |
Soforthilfen sagt sie: „Ich hatte keine andere Wahl und musste die Hilfe | |
beantragen. Und das ging ganz unkompliziert.“ Aha hatte sich am vergangenen | |
Freitagnachmittag „in die Warteschlange gestellt“, am frühen Freitagabend | |
füllte sie dann das fünfseitige Formular aus. Angeben musste sie unter | |
anderem Anschrift, Bankdaten, Steuer-ID, Ausweisnummer, und sie musste von | |
Eides statt versichern, dass ihre Angaben stimmen. Am Montag gingen 5.000 | |
Euro auf ihrem Konto ein. | |
„Ich bin verblüfft“, sagt auch Konstantin Nowotny, 29, freier Journalist, | |
der für den Freitag arbeitet und auch für andere Zeitungen schreibt. Bei | |
ihm seien wegen Corona auch Moderationen ausgefallen, sein zweites | |
Standbein. Er habe sich am Montagabend in die Warteschlange gestellt – mit | |
knapp 350.000 Personen vor ihm laut Angabe der Webseite –, am Dienstag zur | |
Mittagszeit konnte er den Antrag ausfüllen. | |
Zehn Minuten habe das gedauert, sagt er. Man hat insgesamt 35 Minuten Zeit. | |
Einen Tag später, am Mittwoch, waren 5.000 Euro auf seinem Konto. Nowotny | |
erinnert sich, wie er vor zwei Jahren in einem mehrmonatigen Prozedere | |
vergeblich Wohngeld beantragt hatte. „Jetzt sehe ich bis Mitte oder sogar | |
Ende des Jahres keine finanziellen Schwierigkeiten auf mich zukommen.“ | |
Weitere [1][freie Journalist*innen] aus Berlin berichten der taz, wie | |
unbürokratisch und rasch die Zuschüsse bei ihnen eingegangen sind. Seit | |
letztem Freitag können Kleinstunternehmer*innen und Solo-Selbstständige in | |
der Hauptstadt Corona-Zuschüsse beantragen. Das Hilfeprogramm ist eines von | |
vielen Landesprogrammen, die teilweise mit Zuschüssen des Bundes in Höhe | |
von 9.000 Euro für Betriebskosten aufgestockt werden können. Die | |
Landeszuschüsse sind auch für den Lohn vorgesehen. In Berlin können | |
Selbstständige somit insgesamt Zuschüsse von bis zu 14.000 Euro beantragen. | |
Am Mittwochmittag hat die IBB nun das Verfahren bis inklusive über das | |
Wochenende gestoppt, um es mit dem Bundesprogramm zu harmonisieren. Am | |
Montag können ab 10 Uhr wieder Anträge gestellt werden. | |
Die Bank gibt an, bis Dienstagabend rund 900 Millionen Euro an mehr als | |
100.000 [2][Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmer*innen] überwiesen zu | |
haben, bis Donnerstag rechnete die Bank mit rund 1,4 Milliarden Euro. | |
Weitere zwei Milliarden stünden ab Montag im „einheitlichen Bundesprogramm“ | |
zur Verfügung. Ein Sprecher der IBB sagte der taz, dass in einem | |
elektronischen Verfahren bis zu 6.000 Anträge pro Stunde bearbeitet würden. | |
Die Bank kategorisiert freie Journalist*innen nicht als eigenen | |
Berufszweig, diese fallen unter die Kategorie „Sonstige Dienstleistungen“, | |
bis Mitte der Woche haben 150.000 Personen aus dieser Gruppe Zuschüsse | |
erhalten. Auch in Nordrhein-Westfalen läuft das Hilfsprogramm seit | |
vergangenem Freitag. Am Donnerstag gab das Bundesland Zahlen bekannt: | |
320.000 Kleinunternehmer haben Anträge gestellt, ausgezahlt wurden bisher | |
Zuschüsse in Höhe von 2,33 Milliarden Euro. In Hamburg konnte man dagegen | |
erst ab dem späten Montagabend auf Anträge zugreifen. Sachsen dagegen zahlt | |
keine Zuschüsse, bietet stattdessen Darlehen an. | |
## Verbände fordern mehr Geld | |
Trotz positiver Überraschungen gibt es aber auch Kritik an der Umsetzung | |
des Hilfsprogramms für Solo-Selbständige. In Berlin kam es am Freitag etwa | |
zu einer Datenpanne, bei der Antragssteller*innen Daten von Dritten | |
angezeigt wurden. Und die Verbände klagen über Grundsätzliches: Michael | |
Hirschler vom DJV findet, dass Bund und Länder zu wenig Geld in die Hand | |
nehmen. Vor allem für kleine Medienunternehmen mit mehr als einer Person | |
und für Medienschaffende mit hohen Betriebskosten, etwa Fotograf*innen oder | |
Dokumentarfilmer*innen, reiche das laufende Programm nicht aus. „Wer von | |
der Hand in den Mund lebt, dem hilft das. Den anderen nicht“, sagt | |
Hirschler. Er rechnet damit, dass 90 Prozent der rund 60.000 freien | |
Journalist*innen in Deutschland Hilfen beantragen werden. | |
Oliver Eberhardt, Vorstandsmitglied des Verbandes Freischreiber, bemängelt | |
derweil uneinheitliche Kriterien und Vorgehensweisen der Bundesländer. „Die | |
Richtlinien für die Zuschüsse sind sehr vage“, sagt er. Mitunter | |
unterscheide sich von Bundesland zu Bundesland, ob Landeszuschüsse mit | |
Bundeszuschüssen aufgestockt werden dürfen, einzelne Bundesländer änderten | |
zudem laufend ihre Kriterien, sodass es schwierig sei, den Überblick zu | |
behalten. „Viele steigen da nicht durch“, sagte Eberhardt im taz-Gespräch | |
am Mittwoch. Gerade die Mischung aus möglichen Steuerstundungen, Zuschüssen | |
und Sozialleistungen erschwere den Überblick, lasse manchmal eine | |
eigentlich nachteilige Vorgehensweise für Freie vorteilhaft erscheinen. Er | |
schlägt bundesweit einheitliche Antragsformulare und Antragsbedingungen | |
vor. Man solle auch darüber nachdenken, ob man das Verfahren nicht bei | |
einem Bundesland zentralisieren könne. | |
Ungewiss bleibt derzeit zudem, ob man – und wenn ja wer – die Zuschüsse | |
zurückzahlen muss. Als Berliner Antragssteller*in muss man versichern, dass | |
das Geld für die Sicherung der beruflichen Existenz entgegengenommen wird, | |
und dass das eigene Unternehmen vor dem 31.12.2019 nicht in | |
wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen ist. Zahlungen, die den Bedarf | |
übersteigen, seien zurückzuzahlen. Ein Sprecher der IBB sagte der taz, man | |
prüfe die Bedürftigkeit im laufenden Verfahren nur stichprobenartig. Im | |
Nachgang könne aber etwa das Finanzamt genauer draufschauen. | |
4 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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