| # taz.de -- Fußball in Coronakrise: Plötzlich egal | |
| > In Corona-Zeiten wird klar: Man kann auch ohne Fußball leben. Für die | |
| > Bosse muss das eine harte Erkenntnis sein. | |
| Bild: Volles Stadion in Dortmund: Bild aus vergangenen Zeiten... | |
| Keine Liebe mehr am Samstag, kein Hass mehr. Kein Daumendrücken, keine | |
| Schadenfreude. Keine Tränen, keine geballten Fäuste. Nicht freitags, nicht | |
| sonntags und auch unter der Woche nicht. [1][Die Fußballbundesliga hat sich | |
| in die Coronapause verabschiedet], die Champions League ruht, und auch die | |
| Nationalmannschaften kicken nicht mehr. Die Fußballrepublik Deutschland, so | |
| möchte man meinen, muss in ein tiefes emotionales Loch gefallen sein. Kein | |
| Kampf um die Meisterschaft, kein Abstiegskampf. Keine Hass auf Dietmar Hopp | |
| und kein Entsetzen über den Videobeweis. Was macht das mit einer | |
| Fußballnation wie Deutschland? Die Antwort nach den ersten fußballfreien | |
| Wochen fällt für die Branche ernüchternd aus. Nichts. Der Fußball mag die | |
| erfolgreichste Nebensache der Welt sein. Die Krise zeigt, dass er nie eine | |
| echte Hauptsache sein wird. | |
| Die Milliardenumsätze, an die man sich gewöhnt hat, die irrwitzigen | |
| Ablösesummen und auch die Millionengehälter der besten Profis, die nichts | |
| unversucht lassen, diese so anzulegen, dass Steuerbehörden keinen Zugriff | |
| darauf haben, können noch so groß sein, sie zeigen, dass der [2][Fußball | |
| ein irres Geschäft] ist. Und doch scheint er verzichtbar. So egal war der | |
| Fußball den Menschen selten. Und statt zu den Stadien zu pilgern und dort | |
| gegen den Stillstand des Spielbetriebs zu demonstrieren, haben die in den | |
| vorvergangenen Wochen so viel gescholtenen Ultras Transparente vor | |
| Krankenhäusern angebracht, auf denen sie ihre Dankbarkeit dem | |
| Pflegepersonal gegenüber zum Ausdruck gebracht haben. Man kann ganz gut mal | |
| ohne Fußball leben. Für die Macher des Fußballs, die Manager der Ligen und | |
| die Bosse der Klubs muss das eine harte Erkenntnis sein. | |
| Ein Fifa-Präsident wird behandelt wie ein Staatsgast, wenn er Wladimir | |
| Putin oder die Herrscherfamilie von Katar besucht. In der Coronakrise merkt | |
| er, dass sein Reich nicht wirklich mächtig ist. Der Fußball ist als | |
| Unterhaltungsbusiness alles andere als systemrelevant. Der Welt geht es | |
| dreckig und der Fußball kann nicht viel mehr machen, als seine bekannten | |
| Gesichter nach vorne schicken und die Menschen zu einem gesunden Lebensstil | |
| aufzufordern. Auch das eine bittere Erkenntnis für eine Szene, die es | |
| gewohnt ist, angehimmelt zu werden. | |
| Wird diese Erkenntnis den Fußball demütig machen? Wird anders gespielt, | |
| [3][wenn der Ball endlich wieder rollt]? Gibt es bald schon den | |
| Profifußball mit menschlichem Antlitz? Hört man den Protagonisten der Szene | |
| zu, muss man das fast glauben. Da nehmen Menschen das Wort Solidarität in | |
| den Mund, die bis dato nichts anderes kannten als den gnadenlosen | |
| Wettbewerb. Uli Hoeneß, der Ehrenpräsident des FC Bayern München mit | |
| Zuchthausvergangenheit, sagte in der Sportpostille Kicker: „Solidarität | |
| muss jetzt gelebt werden, nicht nur erzählt.“ Dann legen die vier | |
| Champions-League-Teilnehmer dieser Saison 20 Millionen Euro in einen Topf, | |
| um die kleineren Profivereine in der Ersten und Zweiten Liga vor dem | |
| Untergang zu retten. | |
| ## Entgangene TV-Einnahmen | |
| Fehlende Einnahmen aus dem nicht laufenden Geschäft haben die Profivereine | |
| dazu gezwungen, mit den Spielern über Gehaltseinbußen zu verhandeln. 750 | |
| Millionen Euro gehen der Liga allein an Einnahmen aus TV-Rechten verloren, | |
| sollte sich das Vorhaben der Liga nicht umsetzen lassen, die Meisterschaft | |
| zur Not ohne Publikum im Sommer zu Ende zu spielen. Es geht sogar echten | |
| Weltmeistern ans Geld. Manuel Neuer und seine Kollegen aus der Mannschaft | |
| des FC Bayern München verzichten auf 20 Prozent ihres Gehalts, damit die | |
| niederen Mitarbeiter des Klubs nicht in die Kurzarbeit geschickt werden | |
| müssen. Auch das wird als Geste der Solidarität verkauft. Wird der Fußball | |
| also wieder gut? Werden aus kickenden Geschäftsleuten wieder die viel | |
| besungenen elf Freunde? | |
| Doch wer von der großen Umverteilung träumt, wird schon bald wach werden. | |
| Uli Hoeneß mag recht haben, wenn er vermutet, dass sich die Branche ein | |
| wenig zurechtschrumpft. Sollte in diesem Jahr in Europa nicht mehr gespielt | |
| werden, können die Klubs wohl in der Tat erst einmal keinen | |
| 100-Millionen-Euro-Transfer mehr stemmen. Doch das Prinzip, nach dem der | |
| Profifußball organisiert wird, steht nicht infrage. | |
| Es ist noch keine 20 Jahre her, da war schon einmal die Rede davon, dass | |
| die Liga bescheidener werden müsse, dass man ausscheren müsse aus dem | |
| Wachstumswahnsinn mit immer höheren Umsatzzahlen. Das Medienimperium der | |
| Kirchgruppe war pleitegegangen, und statt immer mehr gab es für die Saison | |
| 2001/2002 plötzlich weniger Geld als zuvor. Das Ringen und Raufen um die | |
| gesunkenen Einnahmen ging sofort wieder los. Von Solidarität war da nichts | |
| zu spüren. Wieso sollte das diesmal anders sein? | |
| ## Vorgeschobene Solidarität | |
| Wie schlecht es um den Zusammenhalt in der Liga wirklich bestellt ist, | |
| zeigt eine Äußerung von Borussia Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke. Der | |
| hat mit dem Finger auf die Klubs gezeigt, die ein weniger dickes Polster | |
| angehäuft haben als sein BVB, hinter dem FC Bayern Umsatzvizemeister. Und | |
| auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ist nicht zu trauen, wenn er sich | |
| als Seelsorger für die kleinen Klubs aufmandelt. Er weiß genau, dass der FC | |
| Bayern für die Saison 2018/19 mit 63,2 Millionen Euro weit mehr aus dem | |
| TV-Topf bekommen hat als etwa Fortuna Düsseldorf mit 24,7 Millionen. Auch | |
| wenn nach der großen Krise weniger Geld da sein sollte, den Löwenanteil | |
| werden die Bayern beanspruchen. Das Wort Solidarität wird schnell wieder | |
| aus der Mode kommen. | |
| So armselige Klubs wie Paderborn oder der SC Freiburg, denen die Großen | |
| jetzt vielleicht unter die Arme greifen, sind für einen Klub wie den FC | |
| Bayern eigentlich nur deshalb interessant, weil der auf dem Weg zu seiner | |
| x-ten Meisterschaft nicht immer gegen Dortmund oder gar sich selbst spielen | |
| kann. Das wird auch nach der Krise so sein. Der Profifußball wirbt um die | |
| Liebe seiner Fans, er selbst wird herzlos bleiben. | |
| 31 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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