| # taz.de -- Berechnungen zu Covid19: Weitaus mehr Fälle als bekannt | |
| > Berechnungen zu Covid19 in China legen nahe, dass nicht erkannte | |
| > Infizierte entscheidend für die Ausbreitung waren. Nötig wären darum mehr | |
| > Tests. | |
| Bild: In Korea schon länger Standard, jetzt auch in Baden-Württemberg: Corona… | |
| Berlin taz | Die reale Zahl derjenigen, die mit dem neuen Coronavirus | |
| Sars-CoV-2 infiziert sind, dürfte fünf- bis zehnmal so hoch sein wie die | |
| offiziell festgestellt Zahl. Zu diesem Ergebnis sind WissenschaftlerInnen | |
| verschiedener Universitäten unter Leitung der Epidemiologen Sen Pei und | |
| Jeffrey Shaman von der New Yorker Columbia University anhand mathematischer | |
| Modellierungen zum Ausbruch der Krankheit in China gekommen, die am Montag | |
| vom angesehenen Wissenschaftsmagazin Science [1][veröffentlicht wurden]. | |
| Anhang der Daten der Erkrankten und den anhand von Handydaten aus dem | |
| Vorjahr ermittelten rund 3 Milliarden Reisebewegungen rund ums chinesische | |
| Neujahrsfest entwickelten sie ein mathematisches Modell zur Ausbreitung. | |
| Dies kam zum Ergebnis, dass in der Zeit vom 10. bis 23. Januar, also bevor | |
| in China großflächige Reisebeschränkungen in Kraft traten, mit großer | |
| Wahrscheinlichkeit 82 bis 90 Prozent aller Infektionen undokumentiert | |
| blieben. Als wahrscheinlichster Wert wird 86 Prozent genannt; demnach wurde | |
| nur jeder 7. Infizierte positiv getestet. | |
| Grund für die fehlende Dokumentation ist, dass die Infektion in vielen | |
| Fällen nur milde Symptome zur Folge hatte, so dass keine Tests durchgeführt | |
| wurden. Durch die geringeren Symptome waren die nichtdokumentiert | |
| Infizierten den Berechnungen zufolge nur etwa halb so ansteckend wie die | |
| positiv gesteten. Doch durch ihren hohen Anteil an der Gesamtzahl waren sie | |
| dennoch für 79 Prozent aller dokumentierten Fälle verantwortlich, heißt es | |
| in der Studie. | |
| Das Modell zeigt zudem, dass die [2][Gegenmaßnahmen], die nach dem 23. | |
| Januar in Kraft traten, wirksam waren: Steckte jeder Infizierte vorher im | |
| Schnitt 2,4 weitere Personen an, sank diese Zahl zunächst auf 1,36, später | |
| sogar auf 0,99 – was bedeutet, dass das weitere Wachstum gestoppt ist. | |
| ## Auch mit leichten Symptomen müsste getestet werden | |
| Allerdings waren diese Maßnahmen in China deutlich weitreichender als die | |
| derzeit in Deutschland beschlossenen. Neben starken Reisebeschränkungen und | |
| verpflichtender Quarantäne für jeden mit Beschwerden gehörte dazu auch eine | |
| starke Ausweitung der Tests auf den Sars-CoV-2-Virus. Innerhalb von 3 | |
| Wochen wurden in der Region Wuhan über 320.000 Tests durchgeführt, wodurch | |
| die Zahl der unerkannten Infektionen stark zurückging: Statt 86 Prozent | |
| waren dem Modell zufolge nach dem 24. Januar nur noch 35 Prozent der | |
| Infektionen undokumentiert. | |
| Für die Wissenschaftler sind die Konsequenzen darum klar: „Unsere | |
| Ergebnisse zeigen, dass eine radikale Zunahme bei der Identifikation und | |
| Isolierung der derzeit undokumentierten Infektionen nötig wäre, um | |
| Sars-CoV-2 vollständig unter Kontrolle zu bringen“, schreiben sie. Das | |
| heißt, auch Menschen mit leichten Symptomen müssten getestet werden, um zu | |
| verhindern, dass sie das Virus auf weitere übertragen, weil ihnen nicht | |
| klar ist, dass sie infiziert sind. | |
| ## Südkorea führt 15.000 Tests durch – pro Tag | |
| Genau daran fehlt es aber in Deutschland derzeit. Getestet wird hier | |
| derzeit im Normalfall nur, wer deutliche Symptome hat und Kontakt zu einem | |
| nachweislich Infizierten hatte oder sich in einem Risikogebiet aufgehalten | |
| hat. Eine genaue Zahl durchgeführter Tests gibt es nicht; für die Woche vom | |
| 3. bis 10. März gibt die Kassenärztliche Bundesvereinigung an, dass etwa | |
| 35.000 Tests im Auftrag von Arztpraxen durchgeführt wurden; dazu kommen | |
| noch die Tests in Kliniken. Der Chef des Robert-Koch-Instituts nannte am | |
| Mittwoch weitaus höhere Zahlen: Bundesweit liegen die Testkapazitäten | |
| demnach bei bei etwa 160.000 pro Woche. | |
| Auch die WHO hält massenhaftes Testen für entscheidend, um die Pandemie | |
| einzudämmen. Entscheidend für den Erfolg in China sei es gewesen, dass | |
| „jeder Verdachtsfall schnell getestet“ wurde, sagte WHO-Berater Bruce | |
| Aylward dem [3][New Scientist]. „Wenn man weiß, dass man infiziert ist, ist | |
| es wahrscheinlicher, dass man sich wirklich isoliert.“ Ob und wann auch in | |
| Deutschland die Tests ausgeweitet werden, ist aber offen. „Nicht jeder muss | |
| sich testen lassen“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf | |
| taz-Anfrage lediglich. | |
| 18 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://science.sciencemag.org/content/early/2020/03/13/science.abb3221 | |
| [2] /Folgen-des-Coronavirus-in-China/!5656573 | |
| [3] https://www.newscientist.com/article/2237544-who-expert-we-need-more-testin… | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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