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# taz.de -- Fernsehen der Krimtataren in Kiew: Leeres Fernsehstudio
> Der einzige Fernsehsender von Krimtataren ist bedroht. Russische Behörden
> haben ihn enteignet, ukrainische Gelder kommen nicht an.
Bild: Lenur Isljamow bei einer Demonstration vor der russischen Botschaft in Ki…
Kiew taz | ATR, der einzige von Kiew sendende Fernsehsender von
Krimtataren, steht vor dem Aus. Dies berichtet Ayder Muschdabajew, der
stellvertretende Direktor des Senders, gegenüber der taz.
Wer diese Tage auf die Homepage von atr.ua auf „live“ klickt, wartet
vergeblich auf Live-Nachrichten, Interviews oder Filme. Der Sender zeigt
nur ein Bild eines leeren Studios und eine Kontonummer oder Beiträge, die
alle nur ein Thema haben: Wie kann man ATR retten? Vor der Annexion der
Krim war ATR ein beliebter Sender der Krimtataren, man schrieb schwarze
Zahlen. Doch dann [1][entzogen die russischen Behörden dem Sender die
Lizenz] und enteigneten ihn. In der Folge siedelte die Redaktion nach Kiew
um, machte dann ab 2015 mit Geldern aus dem ukrainischen Staatshaushalt von
jährlich zwei Millionen Euro weiter seine Programme in krimtatarisch,
ukrainisch und russisch.
Doch 2019 kamen die Gelder, die bereits im ukrainischen Staatshaushalt
zweckgebunden für den Sender eingeplant waren, nicht. Erst am letzten
Banktag, dem 28. Dezember, ging ein Teil der Gelder ein. Da diese aber an
diesem Tag nicht abgerufen werden konnten, gingen sie wieder in den
ukrainischen Staatshaushalt zurück.
Die Zuwendungsbedingungen hätten sich geändert, heißt es von staatlicher
Stelle. Der Sender müsse ein neues Auswahlverfahren durchlaufen. Für Ayder
Muschdabajew sind die neuen Auswahlkriterien realitätsfremd. „Wir können
uns doch nicht an einem Verfahren beteiligen, bei dem wir Namen unserer
Mitarbeiter preisgeben müssen.“ Die vor Ort auf der Krim tätigen
Korrespondenten arbeiteten unter hohen Risiken. Derzeit, so Muschdabajew,
seien fünf Mitarbeiter in Haft. Sie hatten Prozesse und Verhaftungen
gefilmt und an die Kiewer Redaktion weitergeleitet. Die Einhaltung der
neuen Vorschriften würde die Mitarbeiter vor Ort zusätzlich gefährden.
## Hoffnung auf die EU
Die Einstellung der staatlichen Finanzierung Ende 2019 ist ein schwerer
Schlag für den Sender, der sich als Bindeglied zu den Krimtataren auf der
Krim sieht. „Wir halten eine sehr kleine Sprache am Leben, beleben die
Kultur eines Volkes, das schon unter Stalin dezimiert worden ist“, sagt
Muschdabajew. Die Schließung des Kanals durch ukrainische Behörden sei für
Putin ein Freudenfest. Das Ende der staatlichen Finanzierung könnte mehrere
Gründe haben, so Muschdabajew: Es kann ein Fehler eines Beamten gewesen
sein oder einfach auch eine Sparmaßnahme. Doch es kann auch sein, dass man
dadurch zeigen will, dass man die Krim schon aufgegeben hat, man Putin
einen Gefallen tun wolle. ATR sei nun mal auf staatliche Gelder angewiesen,
weil er im Gegensatz zu anderen ukrainischen Fernsehkanälen von Russland
enteignet worden ist.
Gleichzeitig kündigt Muschdabajew an, bei der Europäischen Union einen
Antrag auf Finanzierung zu stellen. Er bezieht sich auf eine Resolution des
Europäischen Parlamentes vom 4. Februar 2016, in der die Europäische
Kommission aufgefordert wird, das Funktionieren von ATR zu gewährleisten.
Nach der Resolution habe man von der EU damals aber nichts erhalten, sagt
der Vizedirektor.
Auch wenn sich ein großer Teil der ukrainischen Zivilgesellschaft für den
Fortbestand des Senders einsetzt, ist ATR.ua nicht unumstritten. Vielen
missfällt, dass der Besitzer Lenur Isljamow vom 4. April bis zum 28. Mai
2014, also nach der Annexion der Krim, Vizepremier der von Russland
eingesetzten Regierung der Krim war. Andere, wie z. B. Petr
Michaltschewski, der in dieser Regierung Gesundheitsminister war, saßen für
eine derart intensive Zusammenarbeit mit den russischen Besatzungsbehörden
mehrere Monate in ukrainischer Untersuchungshaft. Isljamow hingegen
scheinen die ukrainischen Behörden verziehen zu haben. 2015 war Isljamow
Anführer einer umstrittenen Wirtschafts- und Strom-Blockade der Krim. Und
gegenüber dem Sender Krym.Realii hatte er im März 2018 erklärt, dass er auf
der Krim Homosexuellen-Paraden verbieten würde.
Es wird zunehmend enger im ukrainischen Medienraum. Der Minister für
Kultur, Jugend und Sport, Wolodimir Borodianski, hatte gegenüber der
Nachrichtenagentur RBK.ukr erklärt, er werde eine Verlängerung des Verbots
von russischen Medien und sozialen Netzwerken in der Ukraine initiieren.
Seit Ende Januar sind die großen Sender des Landes nur noch per Satellit
und verschlüsselt zu empfangen. Das nützt vor allem Russland, das weiter
unverschlüsselt sendet.
26 Feb 2020
## LINKS
[1] /Aus-fuer-letzten-Krimtataren-Sender/!5014244
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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