| # taz.de -- Neue Museen in Brandenburg: Ausmisten! | |
| > Preußen raus, Alltag rein. Weil die alten Ausstellungen verstaubt waren, | |
| > gehen das Museum Oder-Spree und das Oderbruchmuseum neue, offene Wege. | |
| Bild: Die Burg Beeskow ist der Stolz der Stadt. Nun bekommt sie ein modernes Mu… | |
| Warum etwas Neues lernen, wenn man auch das Alte versteht? Für die Leute in | |
| Beeskow heißt das Werk des portugiesischen Holzunternehmens Sonae Arauco | |
| immer noch „Die Spanplatte“. 500 Beschäftigte arbeiten hier, neben der | |
| Verwaltung des Landkreises Oder-Spree ist es der größte Arbeitgeber in der | |
| 8.000 Einwohner zählenden Stadt. | |
| Doch nicht nur deshalb ist die Spanplatte eine feste Größe. Die Kantine des | |
| einst Volkseigenen Betriebs ist noch immer die Essküche der Stadt. | |
| Mahlzeit, so begrüßen sich Beschäftigte und Beeskower gleichermaßen. Und am | |
| liebsten verputzen sie nach der Mahlzeit Rote Grütze. „Wir haben versucht, | |
| zum Nachtisch schicke Cremes zu servieren“, erinnert sich Gerhard Kusay, | |
| der die Kantine über die Wende gebracht hat und immer noch leitet. „Aber | |
| die Gäste wollen das nicht. Ob Jung oder alt, alle wollen sie die Grütze | |
| so, wie sie zu DDR-Zeiten geschmeckt hat.“ So schmeckt sie also, die | |
| Heimat, nach Roter Grütze. | |
| An einem regnerischen Abend im Dezember 2019 ist wieder einmal Hochbetrieb | |
| bei Gerhard Kusay. Nicht in der Kantine, wo noch immer ein Wandbild hängt, | |
| auf dem Landarbeiter bei der Feldarbeit, aber auch Malocher in der | |
| Spanplatte den neuen Menschen verkörpern. Kusay hat das ehemalige Kasino | |
| der Spanplatte geöffnet, ein mit Holz getäfelter Raum mit Kronleuchtern, | |
| der seit langem baupolizeilich geschlossen ist. Für diesen Abend hat er | |
| eine Sondergenehmigung. Gerhard Kusay, der die Tradition in Beeskow | |
| hochhält, ist der Gastgeber für etwas geradezu Umstürzlerisches. In der | |
| Spanplatte feiert das neue Museum Oder-Spree, das im Dezember 2020 auf der | |
| Beeskower Burg öffnen soll, seine erste Feuertaufe. | |
| Altes muss raus, um Platz zu schaffen für Neues. So stellt Steffen | |
| Schuhmann die Idee für das Regionalmuseum vor, das das angestaubte | |
| Stadtmuseum ersetzen soll. Es klingt, als würde statt Roter Grütze bald | |
| doch Champagner-Jelly mit Passionsfruchtschaum serviert werden. Und das auf | |
| der Burg, dem weithin sichtbaren Stolz der Stadt. | |
| Steffen Schuhmann weiß, dass er den Beeskowern einiges zumutet. Als | |
| Professor für Visuelle Kommunikation an der Kunsthochschule Berlin bringt | |
| er allerdings die nötige Portion Autorität mit, gepaart mit einem | |
| augenzwinkernden Gestus, der ankommt beim Publikum, denn er richtet sich | |
| gegen die Hohenzollern. Mit denen beginnt nämlich 1906 die Geschichte des | |
| Beeskower Museums. | |
| In einer launigen Präsentation führt Schuhmann den Beeskowern die | |
| Museumsgeschichte vor Augen. Die Bestände gehen zurück auf einen | |
| Sammlungsaufruf von 1906, als mit dem Kronprinzen Wilhelm erstmals ein | |
| Vertreter der Hohenzollern die Stadt besucht hat. „An alle, die im Besitz | |
| von Altertums- und Kunstgegenständen sich befinden“, heißt es im Aufruf, | |
| „auch an Gemeinden, Innungen, Korporationen und Vereine ergeht daher die | |
| Bitte, solche dem unterzeichneten Festausschuss für die Altertumssammlung | |
| zur Verfügung zu stellen.“ | |
| Der Wille der Obrigkeit war den Beeskowern Befehl. Bald wurde im Seitenchor | |
| der mächtigen Marienkirche Platz gemacht für eine Heimatstube. Die blieb | |
| der Stadt auch nach dem Umzug auf die Beeskower Burg erhalten. Die nach der | |
| Wende neu präsentierte Sammlung blieb dann bis 2017 zwanzig Jahre | |
| unverändert. | |
| „Töpfe und Münzen hat jeder“, bilanziert nun Schuhmann, „unsere Sammlung | |
| ist kein Grund, das Museum zu besuchen.“ Das Publikum nickt. | |
| „Wir wollen den Blick deshalb auch auf die Gegenwart und die Zukunft | |
| lenken“, umreißt Schuhmann den neuen Wind, der auf der Burg einziehen soll. | |
| Später wird er das, was ihn umtreibt, salopp nennen: Preußen raus, Alltag | |
| rein. | |
| Ausmisten also, oder wie es im Museumssprech heißt: Entsammeln. Im Kasino | |
| der Spanplatte können sich die Beeskowerinnen und Beeskower ein Bild vom | |
| neuen Museumskonzept machen. Statt des Kreiskalenders, der seit 1922 nahezu | |
| ununterbrochen für die Region herausgegeben wurde, gibt es nun das | |
| „Kursbuch Oder-Spree“. | |
| Zwanzig Menschen an zwanzig Orten zwischen Erkner und Eisenhüttenstadt | |
| werden in der Kursbuch-Ausgabe 2019 porträtiert, die in der Beeskower | |
| Kantine ihre Premiere hat. Oder-Spree, das sind seine Menschen, lautet die | |
| Botschaft, die auch der neuen Dauerausstellung zugrunde liegen soll. Auch | |
| Gerhard Kusay ist natürlich mit einem Porträt dabei. | |
| ## Die meisten setzen auf alte Konzepte | |
| Heimatstuben und Museen wie in Beeskow gibt es viele in Brandenburg. | |
| Gegründet im Kaiserreich oder der Weimarer Republik haben sie selbst den | |
| Sozialismus überstanden. In Beeskow wurden die „Töpfe und Münzen“ einfach | |
| mit ein paar Funden aus der Slawenzeit ergänzt. Schmetterlingspräparate | |
| machten schließlich ein „biologisches Heimatmuseum“ daraus. | |
| Nach der Wende rollte dann eine regelrechte Gründungswelle übers Land. Gab | |
| es 1990 in Brandenburg hundert Heimat- und Stadtmuseen, waren es 2009 | |
| bereits vier Mal so viele. „Der erhebliche Museumszuwachs“, heißt es in der | |
| Museumsentwicklungskonzeption des Landes, „beruht in erster Linie auf der | |
| großen Zahl neu gegründeter Dorfmuseen und Heimatstuben. Gegenwärtig | |
| stellen sie zahlenmäßig die Mehrheit aller Museen in Brandenburg dar.“ | |
| Seit gut zehn Jahren freilich stagniert die Entwicklung. „Die Fördertöpfe | |
| der ersten Stunde sind geleert“, heißt es in der | |
| Museumsentwicklungskonzeption. Dauerausstellungen, die wie in Beeskow | |
| zwanzig Jahre lang nicht verändert wurden, sind also an vielen Orten zu | |
| finden. | |
| Um die Ausstellungen zu entstauben oder auszumisten, fehlt es vielerorts | |
| aber an Geld und Knowhow. „Lokale Museumspolitik ist oft nicht so | |
| konzeptionell ausgearbeitet, dass langfristige Entwicklungsrichtlinien | |
| verfolgt werden können“, konstatiert die Entwicklungskonzeption. Die Folge | |
| sei, dass die Museen sich kaum veränderten, obwohl die Seh- und | |
| Nutzungsgewohnheiten anders geworden seien. „Weniger innovative als | |
| traditionelle Museumskonzeptionen“ würden deshalb weiter verfolgt, heißt es | |
| in der Studie. | |
| ## Rausgehen und die Region lernen | |
| Dass die Burg Beeskow einen anderen Weg eingeschlagen hat, liegt auch an | |
| Arnold Bischinger. Neun Jahre lang war der Wahlbrandenburger, der in | |
| Utrecht Theater und Drama, aber auch Kulturmanagement studiert hat, | |
| künstlerischer Leiter des Kleistforums in Frankfurt (Oder). Seit Januar | |
| 2018 ist er Leiter des Kulturamts im Landkreis Oder-Spree und damit auch | |
| verantwortlich für die Burg Beeskow. „Ich bin mir sicher, dass die Kunst- | |
| und Kulturarbeit im ländlichen Raum eine wachsende Aufmerksamkeit bekommen | |
| wird“, versprach er bei seinem Amtsantritt. | |
| Bischinger war es auch, der die Idee unterstützte, aus dem Stadtmuseum von | |
| Beeskow ein Museum für den Landkreis zu machen, eines, das sich der Zeit | |
| nach 1945 widmet und die Menschen in den Mittelpunkt der Erzählung stellt. | |
| Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule Berlin, die | |
| schon seit der Wende eine Außenstelle in Sauen bei Beeskow hat. Die | |
| Studierenden haben die Sammlung des Museums gesichtet und ausgewertet. | |
| Anschließend wurde sie unter dem Titel „Wegen Inventur geöffnet“ mehrere | |
| Monate auf der Burg ausgestellt. Die Beeskower konnten nun mit eigenen | |
| Augen sehen, welcher Staub auf den „Töpfen und Münzen“ liegt. Nach Heimat | |
| schmeckte das, anders als die Rote Grütze von Gerhard Kusay, nicht mehr. | |
| Eher nach einem musealen Friedhof. | |
| Gleichzeitig sind die Studierenden ausgeschwärmt in die verschiedenen | |
| Regionen des Landkreises, um Interviews zu führen und zu recherchieren. | |
| „Wir sammeln nun Lebensgeschichten aus dem ländlichen Raum“, sagt | |
| Bischinger im Februar 2020, als auf der Burg Beeskow feierlich der | |
| Förderbescheid der Ostdeutschen Sparkassenstiftung für die neue | |
| Dauerausstellung überreicht wird. Projektleiter Schuhmann ergänzt: „Wenn | |
| wir mit den Menschen vor Ort sprechen, lernen wir mehr über die Region, als | |
| wenn wir in ein Museum gehen, wie es jeder hat.“ | |
| Von der alten Sammlung wird in Beeskow nicht mehr viel zu sehen sein. | |
| Stattdessen werden im Kursbuch 2020 und in der neuen Ausstellung Porträts | |
| von sechzehn weiteren Menschen aus verschiedenen Orten des Landkreises | |
| vorgestellt werden. Neben seiner Geschichte stellt jeder der Porträtierten | |
| dem Museum ein Objekt zur Verfügung. Dieses wird dann von einem Objekt aus | |
| dem Bestand des Sammlung ergänzt. „Ort + Mensch + Reportage + | |
| zeitgeschichtlicher Gegenstand + historischer Gegenstand = Ausstellung“, | |
| nennt das Steffen Schuhmann in seiner Präsentation. | |
| „Wir werden jedes Jahr ein neues Thema haben“, umschreibt Schuhmann das | |
| „offene Konzept“ für das Museum Oder-Spree. 2020 lautet das Jahresthema | |
| „Haben und Brauchen“, dabei geht es auch um die Frage, wer von der Wende | |
| 1989 und 1990 profitiert hat und wer nicht. In den Jahren darauf geht es | |
| dann um „Essen und Trinken“, „Gehen und Bleiben“ oder „Schindern und | |
| Scharwerken“. | |
| „Mit den Jahresthemen können wir auch auf die aktuellen Debatten im Land | |
| reagieren“, sind Arnold Bischinger und Steffen Schuhmann überzeugt. Man | |
| kann es auch so sagen: Im Museum Oder-Spree wird künftig die ganze | |
| Zerrissenheit ausgestellt, die das Leben im ländlichen Raum ausmacht. Damit | |
| aber können sich Museum und Besucher auch auf Augenhöhe begegnen. Ich | |
| verstehe das Museum, das Museum versteht mich: Kein schlechter Beitrag zum | |
| Thema regionale Bindung und Identität. | |
| ## Alltag als Thema ist nichts Neues | |
| Der erste Ort, in dem in Brandenburg nach der Wende Alltag erzählt wurde, | |
| ist das „Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR“ in Eisenhüttenstadt. | |
| 1993 startete es mit einer „passiven Sammlung“, wie es der damalige Leiter | |
| Andreas Ludwig nannte. „Man hat die Bevölkerung aufgefordert, Objekte zu | |
| bringen, mit denen die Menschen etwas verbinden“, erklärt Florentine | |
| Nadolni, die das Dokumentationszentrum heute leitet, die damalige | |
| Sammlungsphilosophie. Inzwischen sind im „Dok“ 170.000 Objekte | |
| zusammengekommen. Sie reichen vom Metallbaukasten „Thale“ bis zum Pouch | |
| Reisezweier, dem legendären Faltboot der DDR. | |
| Die aktuelle Dauerausstellung stammt aus dem Jahr 2012. Damals wurde heftig | |
| darüber gestritten, wie die DDR zwischen Diktatur und Alltag erzählt werden | |
| kann. Also gab es einen Kompromiss. „Die Ausstellung dokumentiert den | |
| Alltag in der Diktatur und die Diktatur im Alltag“, sagt Nadolni. Sie stört | |
| an der Ausstellung aber auch etwas anderes. „Die Objekte“, sagt sie. | |
| „treten hier in die zweite Reihe, im Grund dienen sie vor allem der | |
| Illustration der Erzählung.“ Nadolni würde den Objekten dagegen gerne mehr | |
| Aufmerksamkeit schenken. | |
| Das hat Nadolni schon getan, als sie 2017 den Neustart in Beeskow | |
| angeschoben hat. Nicht nur die Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule hat | |
| sie angeregt, sondern auch das „offene Konzept“ des Museums Oder-Spree | |
| entwickelt – mit der Idee, je ein Objekt aus dem Umfeld der porträtierten | |
| Menschen und dem Bestand der Sammlung auszustellen. Im | |
| Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt, wo Nadolni schon während ihres | |
| Studiums an der Viadrina ein- und ausging, will sie die Dauerausstellung | |
| nun „beweglicher“ machen. Doch das geht nur, wenn man die nötigen Mittel | |
| und das Personal dafür hat, weiß sie. Dass das „Dok“ nach wie vor in | |
| kommunaler Trägerschaft sei, passe nicht zur bundesweiten Bedeutung der | |
| Einrichtung. | |
| Bis die Zeit für eine neue Dauerausstellung gekommen ist, investiert | |
| Nadolni viel Energie in die Wechselausstellungen. Noch bis März läuft die | |
| Schau „Alltag formen! Bauhaus-Moderne in der DDR“. „Das war bisher unser | |
| größter Publikumserfolg“, freut sie sich. Im August startet dann zum 70. | |
| Jahrestag der Gründung von Stadt und Stahlwerk eine Ausstellung über die | |
| Nachwendeerfahrungen in Eisenhüttenstadt. | |
| ## Und wieder andere Wege | |
| Alle Wege führen nach Wusterhausen. Das gilt zumindest für diejenigen, die | |
| bis 1982 von West-Berlin nach Hamburg reisen wollten. Weil es die A24 | |
| damals noch nicht gab, führte der Transitverkehr durch das kleine Städtchen | |
| an der Dosse in der Ostprignitz. Auch deshalb hat sich die Stadt | |
| entschieden, anstelle der Heimatstube am Marktplatz ein so genanntes | |
| Wegemuseum einzurichten. Es thematisiert die Geschichte der Fortbewegung | |
| von den mittelalterlichen Bohlenwegen über die preußischen Chausseen bis | |
| zum Transitverkehr während der deutschen Teilung. | |
| Wenn Katharina Zimmermann durch die Ausstellung im Obergeschoss eines | |
| ehemaligen Kaufmannshauses führt, ist ihr der Stolz anzumerken. Sie zeigt | |
| auf einen slawischen Einbaum, erklärt, bis wann die Dosse als Wasserstraße | |
| ein Handelsweg war, betont die Bedeutung der Eisenbahn für den Tourismus in | |
| der Prignitz. | |
| Das Wegemuseum wurde 2011 eröffnet – und versucht einen Spagat. Richtete | |
| sich die Heimatstube an die Menschen vor Ort, ist die Ausstellung über die | |
| Geschichte der Wege auch ein Angebot an Reisende. Die Tourismusinformation | |
| befindet sich im selben Haus. „Allerdings haben wir versucht, die Objekte | |
| modern auszustellen“, betont Zimmermann. In den Vitrinen bekommen die | |
| Besucherinnen und Besucher deshalb auch Cola- und Bierbüchsen zu sehen, die | |
| Transitreisende in Wusterhausen aus dem Auto warfen. | |
| Dass Wusterhausen überhaupt ein thematisches Museum bekommen hat, war keine | |
| Selbstverständlichkeit. Nach der Wende hat zwar der Landkreis Ostprignitz | |
| die Trägerschaft übernommen, doch nach der Kreisreform 1993 war damit | |
| Schluss. „Jetzt leisten sich Stadt und Gemeinde das Museum“, sagt | |
| Zimmermann, sie selbst hat eine halbe Stelle im Museum und eine halbe | |
| Stelle in der Tourismusinformation. „Wenn es unseren Förderverein nicht | |
| gäbe, hätten wir weder die Dauerausstellung, noch die Mittel für drei oder | |
| vier Wechselausstellungen im Jahr.“ An ein offenes Konzept wie in Beeskow | |
| ist angesichts der knappen Ausstattung nicht zu denken. „Schon jetzt muss | |
| man etwas verrückt sein, um so was zu stemmen“, lacht Zimmermann. | |
| ## Wissen und Erfahrung bergen | |
| Das Oderbruchmuseum in Altranft stellt seine Sammlung noch aus, nur heißt | |
| sie nicht mehr so. „Der Raum, in dem wir unsere Objekte präsentieren, heißt | |
| Studiolo“, lacht Kenneth Anders. Anders ist einer der beiden Programmmacher | |
| des Museums, das vor fünf Jahren aus dem einstigen Freilichtmuseum | |
| hervorgegangen ist. In den selbstgefertigten Regalen, die das „Studiolo“ | |
| einem Studierzimmer gleichen lassen, wird nicht chronologisch, sondern | |
| thematisch präsentiert. „Da sind auch Modelle von Landmaschinen dabei, die | |
| von den Menschen im Oderbruch gebaut worden sind“, sagt Anders. Fertig | |
| geworden ist gerade ein ausgestopfter Biber, einer der „Feinde“ der im 18. | |
| Jahrhundert trockengelegten Oderniederung. Immer wieder staut der Nager das | |
| Wasser in den Gräben dieser einzigartigen Kulturlandschaft mit ihren | |
| Kolonistendörfern. | |
| Das Studiolo im Schloss von Altranft, wo die Ausstellung des | |
| Oderbruchmuseums untergebracht ist, ist eher ein Kommentar zum Thema | |
| Sammeln und Umgang mit den vorgefundenen Sammlungen, als dass es das | |
| Herzstück des Museums wäre. „Mut zur Sammlungslücke“ nennt das | |
| Museumsmacher Anders. | |
| Die Geschichte des Oderbruchmuseums ist die Geschichte einer Transformation | |
| von unten, die vom Bund allerdings großzügig unterstützt wurde. Schon in | |
| den siebziger Jahren war in Altranft ein Freilichtmuseum geplant worden. | |
| „Als dann die Wende kam“, erinnert sich Anders, „ging dem Museum seine | |
| Erzählung verloren. Es ging da um eine Fortschrittserzählung, die die | |
| Emanzipation der arbeitenden Bevölkerung auf dem Lande in den Mittelpunkt | |
| stellen sollte.“ Das Gemälde mit den Landarbeitern in der Kantine der | |
| Beeskower Spanplatte hätte gut nach Altranft gepasst. | |
| So aber dümpelte das Freilichtmuseum aus Schloss, Bauernhof und | |
| Landarbeiterhaus vor sich hin, bis 2015 der Museumsleiter in den Ruhestand | |
| ging. Mit 1,8 Millionen aus dem Trafo-Programm der Kulturstiftung des | |
| Bundes und Rückendeckung durch den Landkreis Märkisch Oderland haben Anders | |
| und sein Team fünf Jahre lang daran gearbeitet, das Museum vom Kopf auf die | |
| Beine zu stellen. „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht der Kontakt mit den | |
| Menschen, die in der Region leben und arbeiten“, erklärt Anders sein | |
| Konzept. „Wir wollen dieses Erfahrungswissen bergen und damit arbeiten.“ | |
| Wie Beeskow arbeitet auch Altranft mit Jahresthemen. Allerdings werden in | |
| den jeweiligen Jahrbüchern keine Porträts verfasst, sondern Interviews | |
| geführt. „Die Zitate finden sich dann an den Wänden des Schlosses“, zeigt | |
| Anders bei einem Rundgang durch die Räume, in denen sich zu DDR-Zeiten ein | |
| Kulturhaus befand. Dass es dabei auch kontrovers zugehen kann, bewies das | |
| Jahresthema Landwirtschaft. „Da gab es viele böse Kommentare im Gästebuch�… | |
| sagt Anders. „Aber nicht aus der Ecke der AfD, sondern von denen, die | |
| meinten, wir würden zu wenig für die Agrarwende Partei ergreifen. Für uns | |
| ist aber jede Position, die in der landwirtschaftlichen Erfahrung steckt, | |
| gleichwertig.“ | |
| Zusammenbringen und nicht spalten: So will das Oderbruchmuseum regionalen | |
| Zusammenhalt schaffen. Dabei kommen viele Fäden zusammen: Die Erzählungen | |
| der Menschen, die Geschichte der Kulturlandschaft, die Vernetzung in einer | |
| von Abwanderung betroffenen Region und auch die Museumspädagogik. „Einer | |
| unserer Schwerpunkte ist die landschaftliche Bildung“, erklärt Anders. „Wir | |
| arbeiten mit Schulen zusammen, organisieren Graffitiprojekte, bringen | |
| Künstler an die Schulen, stellen unsere Werkstätten zur Verfügung.“ | |
| Beim Projekt „Heim(at)arbeit“ erforschen Schülerinnen und Schüler die | |
| heimatlichen Lebens- und Arbeitswelten. „Wie kann man auf dem Land leben? | |
| Was ist Arbeitsmarkt, was freiwillige Arbeit?“, zählt Anders die Fragen | |
| auf. „Da werden alle möglichen Leute aufgesucht, und die Schüler bringen | |
| ein Objekt mit.“ Dabei würden auch die Schüler Erfahrungswissen bergen. | |
| „Wenn jemand über seine Erfahrungen spricht“, hat Anders beobachtet, „ist | |
| es etwas sehr Schönes. Darin liegt eine große Klugheit.“ | |
| ## Jedes Jahr ein neues Angebot | |
| So langsam hat sich herumgesprochen, dass in Beeskow etwas Neues entsteht. | |
| Dass junge Museumsleute andere, junge Museen machen. Dass nicht nur Rote | |
| Grütze Heimat sein kann, sondern auch die Wiederentdeckung des Lehmbaus | |
| oder ein Kreisverkehr mit nur einer Abfahrt bei der Ortsumgehung Müllrose. | |
| Auch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung ist von der Idee des Museums | |
| Oder-Spree überzeugt. „Hier wird die Magnetwirkung der Burg neu genutzt“, | |
| sagt der Chef der Sparkasse Oder-Spree, Veit Kalinke, als er im Februar den | |
| Fördermittelbescheid überreicht. | |
| Aber Steffen Schuhmann und Arnold Bischinger wissen, dass die wirkliche | |
| Feuertaufe nicht die Präsentation des Kursbuches in der Spanplatte war, | |
| sondern ernst noch kommt. Wenn im Dezember dieses Jahr das Museum | |
| Oder-Spree öffnet, werden die Beeskower und Beeskowerinnen keine fertige | |
| Ausstellung vorfinden wie in Wusterhausen oder Eisenhüttenstadt, aber auch | |
| keine Wunderkiste wie in Altranft, wo für jeden etwas dabei ist. | |
| In Beeskow muss die Ausstellung erst wachsen. So wie die Region noch immer | |
| zusammenwachsen und Halt finden muss. Vielleicht ist es deshalb gut, dass | |
| das Museum Oder-Spree kein ganzes Schloss bespielen muss wie in Altranft, | |
| sondern vier Räume im Erdgeschoss des Alten Amtshauses und den darüber | |
| liegenden Dachboden. | |
| Eines aber weiß Steffen Schuhmann schon jetzt. „Früher waren die Leute | |
| einmal im Museum und hatten keinen Grund ein zweites Mal zu kommen. Jetzt | |
| erleben sie jedes Jahr etwas Neues.“ | |
| 28 Feb 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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