| # taz.de -- Ist Björn Höcke ein Faschist?: Ein zulässiges Werturteil | |
| > Die Bezeichnung des Thüringer AfD-Politikers wird auf Twitter viel | |
| > zitiert. Aber ist sie rechtens? Sie beruht bisher nur auf einer | |
| > Eilentscheidung. | |
| Bild: Extrem rechts: Björn Höcke | |
| BERLIN taz | Auf Twitter war es in den letzten Tagen ein Trend: tausende | |
| Tweets benutzten den Hashtag [1][#HoeckeisteinFaschist]. Auch in vielen | |
| Medien wird zur Charakterisierung des Thüringer AfD-Politikers gerne der | |
| Einschub benutzt, man dürfe ihn „mit richterlicher Erlaubnis“ einen | |
| Faschisten nennen. | |
| Tatsächlich gibt es eine entsprechende Gerichtsentscheidung und sie ist | |
| auch noch nicht allzu alt. [2][Am 26. September 2019 hat das | |
| Verwaltungsgericht Meiningen (Thüringen) entschieden], dass ein Verbot der | |
| Bezeichnung „Faschist“ im Fall von Björn Höcke wohl rechtswidrig wäre. | |
| Konkret ging es damals um eine Auseinandersetzung in Eisenach. Die AfD | |
| veranstaltete dort ein Familienfest. AfD-Gegner meldeten eine Demonstration | |
| an, Motto: „Protest gegen die rassistische AfD, insbesondere gegen den | |
| Faschisten Björn Höcke“. Daraufhin erteilte die Stadt Eisenach als | |
| Versammlungsbehörde eine Auflage zum Kundgebungsthema: „Die Bezeichnung | |
| Faschist ist im Rahmen der Kundgebung untersagt.“ | |
| Gegen dieses Verbot klagten die Veranstalter im Eilverfahren. Mit Erfolg. | |
| Das Verwaltungsgericht Meiningen kam zum Schluss: Die Auflage der Stadt sei | |
| „nach summarischer Prüfung rechtswidrig“. Als „summarisch“ bezeichnet … | |
| eine grobe Prüfung, wie sie in Eilverfahren vorgesehen und üblich ist. | |
| ## Behauptung muss nicht bewiesen werden | |
| Die Richter gingen erstens davon aus, dass die Bezeichnung „Faschist“ hier | |
| keine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil ist. Die Kläger mussten | |
| also nicht beweisen, dass die Behauptung richtig ist, sondern nur, dass sie | |
| zulässig ist. | |
| Zweitens stellten die Richter fest, dass die Bezeichnung „Faschist“ für | |
| Björn Höcke keine „Schmähkritik“ ist, weil es um eine „Auseinandersetz… | |
| in der Sache“ gehe, nicht nur um die Abwertung der Person. | |
| Wenn keine Schmähkritik vorliegt, müssen nach der Rechtsprechung des | |
| Bundesverfassungsgerichts Meinungsfreiheit und Ehrschutz abgewogen werden. | |
| Eine explizite Abwägung findet sich im Meininger Beschluss zwar nicht, aber | |
| die Richter geben auch nicht automatisch der Meinungsfreiheit den Vorrang. | |
| Sie verweisen vielmehr auf eine Vielzahl von Indizien, die die Kläger | |
| vorgebracht hatten. Damit hätten sie „in ausreichendem Umfang glaubhaft | |
| gemacht, dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf | |
| einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht“. | |
| ## „Faschistischer Sprachduktus“ | |
| Konkret hatten die Eisenacher Kläger auf die Einschätzung von | |
| Sozialwissenschaftlern verwiesen, [3][auf Höckes Dresdener Rede (in der er | |
| eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert hatte)] sowie auf | |
| Presseberichte über andere Höcke-Äußerungen im „faschistischen | |
| Sprachduktus“. | |
| Vor allem aber argumentierten die Kläger mit Höckes Interview-Buch „Nie | |
| zweimal in denselben Fluss“ von 2018. Dort habe er die Notwendigkeit eines | |
| neuen Führers propagiert, vor dem „Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“ | |
| gewarnt und Andersdenkende als „brandige Glieder“ bezeichnet. Mit Blick auf | |
| die von ihm angestrebte Umwälzung stelle er fest, dass „wir leider ein paar | |
| Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind“ | |
| mitzumachen. | |
| Ob die Kläger richtig zitiert haben und ob sie die Zitate in vertretbarer | |
| Weise bewertet haben, hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der | |
| Eilentscheidung nicht detailliert geprüft. | |
| Die Entscheidung des VG Meiningen wurde rechtskräftig. Höcke konnte dagegen | |
| kein Rechtsmittel einlegen, weil er am Verfahren gar nicht beteiligt war. | |
| Die Stadt hätte eine Beschwerde einlegen können, tat dies aber nicht. Das | |
| ist auch nicht erstaunlich, denn Oberbürgermeistein von Eisenach ist die | |
| Linke Katja Wolf. Auch die Kläger waren mit dem Eil-Beschluss | |
| offensichtlich zufrieden und strengten kein Hauptsache-Verfahren an. | |
| Das Gewicht des Meininger Beschlusses ist auf den ersten Blick also nicht | |
| besonders hoch. Es geht um eine erstinstanzliche Pilotentscheidung, die | |
| auch in der Art ihres Zustandekommens andere Gerichte nicht besonders | |
| beeindrucken dürfte. So ging der Antrag im Eilverfahren erst eineinhalb | |
| Stunden vor der Demonstration beim Gericht ein. Die Richter hatten also nur | |
| sehr wenig Zeit, den Antrag zu prüfen und das Problem zu durchdenken. | |
| ## Höcke verzichtet auf Strafanzeigen | |
| Dennoch scheint die Meininger Entscheidung zumindest im Ergebnis tragfähig | |
| zu sein. Obwohl Björn Höcke nun tausendfach als „Faschist“ tituliert wird, | |
| geht er nicht dagegen vor. Wenn er wollte, könnte er in jedem einzelnen | |
| Fall Strafanzeige wegen Beleidigung stellen oder zivilrechtlich die | |
| Unterlassung wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte fordern. Doch | |
| Höcke verzichtet auf beides. Er lässt somit den Eilbeschluss des VG | |
| Meiningen als einzige gerichtliche Entscheidung stehen. | |
| Höckes Anwalt Ralf Hornemann verweist auf Nachfrage auf eine frühere | |
| Äußerung Höckes: Das Verwaltungsgericht habe „keinerlei inhaltliche | |
| Bewertung vorgenommen“ und auch nicht darüber befunden, „ob das Werturteil | |
| der Antragstellerin richtig oder falsch“ ist. Auch Anwalt Hornemann findet, | |
| dass die Begründung des VG Meiningen zwar „unglücklich formuliert“ sei, �… | |
| Sinne der Meinungsfreiheit ist sie aber richtig“. | |
| Auf absehbare Zeit wird es also erlaubt bleiben zu sagen: Björn Höcke ist | |
| ein Faschist. | |
| (Az.: 2 E 1194/19 Me) | |
| 9 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/hashtag/HoeckeIstEinFaschist | |
| [2] /Faschist-Urteil-zu-AfDler-Hoecke/!5625346 | |
| [3] /Bjoern-Hoeckes-Dresden-Rede/!5372797 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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