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# taz.de -- Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Erfurter Chaostage gehen we…
> Was kommt nach dem Rücktritt von Thomas Kemmerich: Wird Bodo Ramelow
> jetzt wieder Ministerpräsident, gibt es Neuwahlen – oder beides?
Bild: In Berlin forderten Demonstrierende am Samstag Bekenntnisse der Politik g…
Berlin taz | Am Samstag um 15.11 Uhr war es vollbracht. Thomas Kemmerich
twitterte: „Ich habe soeben meinen Rücktritt als Ministerpräsident mit
sofortiger Wirkung erklärt.“ Damit vollzog der FDP-Mann endlich das, was er
bereits am Donnerstag angekündigt hatte, jedoch am Freitag erst mal auf die
lange Bank hatte schieben wollen. Nunmehr ist Kemmerich nur noch
geschäftsführend im Amt.
Das bedeutet: Wie es jetzt weitergeht in Thüringen, darauf hat der allzu
rechtsoffene 54-jährige Unternehmer keinen relevanten Einfluss mehr.
Eigentlich hatte Kemmerich noch eine für den 18. Februar geplante
Sondersitzung des Ältestenrats des Landtages abwarten wollen, auf der nach
seinen Worten über einen verfassungsgemäßen Weg hätte entschieden werden
sollen, „wie es schnell zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten kommen
kann“.
Dass der Druck auf ihn hoch war, steht außer Frage. Aber was Kemmerich zum
Umdenken bewogen hat, ist unklar. Die Welt am Sonntag berichtet, aus der
FDP sei zu hören, Kanzlerin Angela Merkel habe gedroht, falls Kemmerich
nicht sofort zurücktrete, werde sie sämtliche Landesregierungen beenden, an
denen CDU und Liberale beteiligt seien. Doch Belege dafür gibt es bislang
nicht.
Doch was passiert jetzt in Thüringen? Nach den Vorstellungen des Berliner
Koalitionsausschusses von Union und SPD sollte nun „umgehend“ ein neuer
Ministerpräsident gewählt werden. Anschließend seien aus „Gründen der
Legitimation der Politik“ baldige Neuwahlen erforderlich.
## Keine Mehrheit für Rot-Rot-Grün
Es ist ein außergewöhnlicher Vorgang, dass der Koalitionsausschuss der
Bundesregierung versucht, einem Landtag Vorgaben zu machen. Doch unabhängig
davon, dass ein solches Vorgehen nicht unbedingt den föderalistischen
Gepflogenheiten entspricht: Der vorgeschlagene Weg wäre ein denkbarer. Er
hat allerdings Haken.
Nach Lage der Dinge gibt es nur einen legitimen Kandidaten, der nach dem
gelb-schwarz-braunen Debakel vom Mittwoch zum neuen Ministerpräsidenten
gewählt werden kann: der Linksparteiler Bodo Ramelow, äußerst beliebter
Vorgänger Kemmerichs und Sieger der Landtagswahl vom Oktober. Doch er
verfügt nach wie vor über keine eigene Mehrheit im Landtag. Linkspartei,
SPD und Grüne kommen auf nur 42 Sitze im 90-köpfigen Parlament.
Ramelow ist bereit, noch einmal ins Rennen zu gehen – allerdings nur unter
Bedingungen. Da ihn die Linkspartei nicht erneut ins offene Messer laufen
lassen will, müsse sichergestellt sein, dass er „eine demokratische
Mehrheit im Parlament“ hat, fordert Thüringens [1][Linkspartei- und
Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow]. Eine Enthaltung der CDU im dritten
Wahlgang, wenn eine einfache Mehrheit genügt, würde nicht mehr ausreichen.
Darauf hatte Rot-Rot-Grün noch am vergangenen Mittwoch spekuliert.
Das heißt: Es muss diesmal glaubwürdige Zusagen geben, dass es im Falle
seiner Kandidatur ausreichend Stimmen aus den Reihen von CDU und FDP für
Ramelow geben wird, damit er mit einer absoluten Mehrheit – also mindestens
46 Stimmen – wieder ins Amt kommt, und zwar unabhängig davon, wie die 21
Abgeordneten der AfD votieren.
## CDU sträubt sich
Dass die Linkspartei darauf besteht, hat mehr als einen guten Grund. Denn
die Rechtsausleger scheinen schon ihren nächsten „Coup“ zu planen: „Die
kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die
thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn
sicher zu verhindern – denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen“,
sagte AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland am Samstag der
Deutschen Presse-Agentur. Bodo Ramelow reagierte darauf mit Empörung: „So
agieren Demokratieverächter“, [2][twitterte er].
Noch bekunden FDP und Union, Ramelow ihre Stimmen verweigern zu wollen. Sie
wolle zwar „Initiativen, die darauf abzielen, im Thüringer Landtag eine
Regierung zu bilden, nicht blockieren“, hat die Thüringer CDU beschlossen.
Aber ihre Fraktion werde „einen von der Linken aufgestellten
Ministerpräsidenten entsprechend ihrer Grundsätze nicht aktiv ins Amt
wählen“.
Und dann? Für den Fall, dass sich keine demokratische Mehrheit für Ramelow
abzeichnet, werde sie auf Neuwahlen orientieren, hat die Linkspartei
angekündigt. Aber auch das ist nicht so einfach. Da Kemmerich nur noch
geschäftsführend im Amt ist, ist ein Weg zu Neuwahlen verbaut: Über die
Vertrauensfrage geht es nicht mehr.
Bleibt die Selbstauflösung des Landtags. Dazu bedarf es 60 Stimmen. Zählt
man die 5 Stimmen der FDP, die sich schon am Donnerstag dafür ausgesprochen
hatte, zu den 42 von Rot-Rot-Grün hinzu, fehlen noch 13 Stimmen, die
entweder von der CDU oder der AfD kommen müssten. Weder die eine noch die
andere Partei zeigen jedoch bislang irgendein Interesse an Neuwahlen. Aber
wer weiß, welche Volten die Thüringer Parteien in den kommenden Tagen noch
schlagen.
9 Feb 2020
## LINKS
[1] /Hennig-Wellsow-ueber-das-Thueringer-Chaos/!5662494
[2] https://twitter.com/bodoramelow/status/1226272101692256256
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
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