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# taz.de -- Hennig-Wellsow über das Thüringer Chaos: „Taktieren bis zum Rü…
> Rot-Rot-Grün will jetzt schnellstmöglich eine neue Regierung wählen, sagt
> die Thüringer Linkspartei- und Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow.
Bild: Susanne Hennig-Wellsow mit dem Moment des Jahres 2020, als sie Blumen auf…
taz: Frau Hennig-Wellsow, haben Sie sich inzwischen von dem [1][Schock vom
Mittwoch] erholt?
Susanne Hennig-Wellsow: Davon kann man sich nicht so schnell erholen. Auch
wenn wir uns die größte Mühe gegeben haben, die Nerven zu behalten und
handlungsfähig zu bleiben, war das doch ein tiefgehender Schock für uns als
Demokraten und Parlamentarier. Dass die FDP und die CDU in Thüringen so
skrupellos den [2][Pakt mit dem Faschismus] eingegangen sind, hätten wir
nie erwartet.
Nach seiner Wahl haben Sie Thomas Kemmerich einen [3][Blumenstrauß als
„Gratulation“ vor die Füße geworfen], weil Sie die Einhaltung des
Protokolls nach solch einem Tabubruch nicht für angemessen hielten. Hat
[4][sein Rücktritt] Sie jetzt wieder etwas versöhnt?
Nein, überhaupt nicht. Er hat den Tabubruch vollzogen, das ist
unverzeihlich. Wir wissen alle nicht, was das noch für Auswirkungen auf
andere Bundesländer oder die Bundesrepublik als Ganzes hat.
Aber immerhin ist er ja jetzt wieder abgetreten.
Das war ein übles Taktieren bis zum sofortigen Rücktritt. Auch diesen
Schritt unternahm er nur gezwungenermaßen. Nicht aus menschlicher Größe und
als Frage der Moral, sondern nur weil der Druck von außen wiederum zu groß
geworden ist.
Wie geht es jetzt weiter in Thüringen?
Wir wollen schnellstmöglich eine Regierung wählen, damit Thüringen keinem
weiteren Stillstand ausgesetzt ist. Rot-Rot-Grün steht gemeinsam zu Bodo
Ramelow als Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl. Er wird allerdings
nur antreten, wenn wir wissen, dass wir eine demokratische Mehrheit im
Parlament haben.
Woher soll die kommen? [5][Rot-Rot-Grün hat nach wie vor nur 42 Stimmen],
zur absoluten Mehrheit fehlen also weiterhin vier Stimmen.
Wir haben die Gespräche mit der CDU wieder aufgenommen. Wenn wir uns aber
nicht sicher sein können, dass Ramelow mindestens 46 Stimmen erhält, dann
werden wir auf Neuwahlen orientieren.
Das Bundespräsidium der CDU hat am Freitag beschlossen, weil Ramelow
offensichtlich keine Mehrheit im Landtag hätte, sollten Grüne und SPD einen
Kandidaten oder eine Kandidatin für das Ministerpräsidentenamt aufstellen.
Was halten Sie davon?
Ich halte das für ein sehr durchsichtiges Ablenkungsmanöver von dem
desaströsen Zustand der CDU auf Bundes- und Landesebene. Sowohl SPD als
auch Grüne haben von Anfang klar gesagt, dass wir gemeinsam zu Bodo Ramelow
stehen. Daran hat sich nichts geändert, denn wir sind uns mit unseren
Koalitionspartnern einig, dass wir mit Bodo Ramelow eine Persönlichkeit
haben, die äußerst beliebt in Thüringen ist. Deshalb sollte er auch so
schnell wie möglich wieder Ministerpräsident werden.
Sie haben unmittelbar nach der Skandalwahl am Mittwoch vorgezogene
Landtagsneuwahlen gefordert. Gilt das immer noch?
Wenn wir nicht die Regierung bilden können, die wir eigentlich schon am
Mittwoch bilden wollten, dann dürfte es zügig Neuwahlen geben. Wir scheuen
uns nicht davor.
Aber auch wenn es die von Ihnen angestrebte rot-rot-grüne
Minderheitsregierung mit Verspätung bald geben sollte: Wollen Sie dann
einfach weiterregieren, als sei nichts gewesen? Sollte den Thüringerinnen
und Thüringern nicht die Chance gegeben werden, an der Wahlurne ihr eigenes
Urteil über den Tabubruch der „bürgerlichen“ Parteien zu fällen?
In den aktuellen Umfragen sind wir deutlich im Aufwind. Da liegt
Rot-Rot-Grün im Moment bei 53 Prozent. Also gäbe es für uns keinen Grund,
da zögerlich zu sein. Trotzdem glaube ich, dass wir erst mal den Auftrag
erfüllen müssen, eine stabile Regierung zu bilden. Aber es ist alles im
Fluss. Man kann übrigens auch aus der Regierung heraus geordnet Neuwahlen
angehen. Wenn es beim Haushalt oder in zentralen Sachfragen eine
schwarz-gelb-braune Blockademehrheit geben sollte, würde es ohnehin keinen
Sinn mehr machen, nicht auf Neuwahlen zu setzen.
In ihrem am vergangenen Dienstag unterzeichneten Regierungsvertrag haben
SPD, Grüne und Ihre Partei die CDU und die FDP zur Zusammenarbeit
eingeladen. Halten Sie das jetzt noch für möglich?
Nicht in einer institutionellen Art, dafür ist zu viel geschehen. Mit den
gegenwärtigen Fraktionsführungen von CDU und FDP wird das nicht
stattfinden. Wer mit Faschisten gemeinsame Sache macht, mit dem können wir
nicht zusammenarbeiten. Dabei bleibt es. Es ist tatsächlich unverzeihlich,
was da passiert ist. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht doch noch genug
einzelne Abgeordnete aus beiden Parteien gibt, die die Vorgänge der
vergangenen Tage zu einem grundsätzlichen Umdenken gebracht hat.
Wann wird Bodo Ramelow wieder Ministerpräsident von Thüringen sein?
Ich hoffe, noch in diesem Monat.
8 Feb 2020
## LINKS
[1] /FDP-stellt-Thueringer-Ministerpraesident/!5658263
[2] /Skandalwahl-in-Thueringen/!5662209
[3] /Muslime-bleiben-aussen-vor/!5072166
[4] /Nach-der-Wahl-in-Thueringen/!5658340
[5] /FAQ-zur-Regierungskrise-in-Thueringen/!5662307
## AUTOREN
Pascal Beucker
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