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# taz.de -- FAQ zur Regierungskrise in Thüringen: Zwei Wege führen zu Neuwahl…
> Wie geht es weiter nach dem gelb-schwarz-braunen
> Ministerpräsidentenwahldesaster im Erfurter Landtag? Antworten auf die
> wichtigsten Fragen.
Bild: Thomas Kemmerich strebt Neuwahlen an – und könnte aber schon vorher ab…
Am Mittwoch hat sich der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit den Stimmen seiner
Partei, der CDU und der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Aber er
hat keine neuen Minister:innen ernannt. Sind die alten noch im Amt?
Nein, das sind sie nicht. Ihre Amtszeit endete mit dem Ausscheiden des
bisherigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Das bedeutet, dass die
Ministerien nun erst mal „kopflos“ sind. Aber gearbeitet wird da schon
noch. Zumindest irgendwie. Bis auf Weiteres werden die Häuser von den
Staatssekretär:innen geleitet.
Kemmerich hat angekündigt, dass seine Partei einen Antrag auf
Selbstauflösung des Landtags stellen wird. Was bedeutet das?
Die Thüringer Landesverfassung kennt zwei Wege, um zu Neuwahlen zu kommen.
Zum einen kann der Landtag mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner
Mitglieder die Selbstauflösung beschließen. Diesen Weg will die FDP jetzt
gehen. Aber das wird wohl nicht klappen.
Warum nicht?
Weil die FDP nicht einmal alleine den Antrag dafür stellen kann. Dafür
müssen sich mindestens 30 Abgeordnete zusammenfinden. Die FDP-Fraktion hat
aber nur 5 Mitglieder. Selbst wenn die 22 Stimmen der AfD hinzukommen
würden, reichte es nicht.
Aber haben sich die Linkspartei, die SPD und die Grünen nicht auch für
Neuwahlen ausgesprochen?
Ja, das haben sie – und zwar schon unmittelbar nach der Wahl Kemmerichs.
Mit den Stimmen der Linkspartei (29), der SPD (8) und der Grünen (5) würde
es theoretisch für den Antrag auf Selbstauflösung reichen. Aber die drei
Parteien werden da nicht mitmachen. Denn sie verlangen, dass Kemmerich den
zweiten möglichen Weg in Richtung Neuwahlen geht.
Was wäre der zweite Weg, wenn der erste nicht klappt?
Den kann nur Thomas Kemmerich höchstpersönlich beschreiten. Der frisch
gewählte Ministerpräsident müsste die Vertrauensfrage stellen – und
anschließend die Abstimmung verlieren.
Wenn aber wieder 45 von 48 Abgeordneten der FDP, der CDU und der AfD für
ihn stimmten, würde er dann nicht die Vertrauensabstimmung gewinnen und im
Amt bleiben?
Das würde nicht der Fall sein. Aber selbst wenn, würde es nicht reichen.
Denn in der Landesverfassung heißt es dazu: „Der Antrag ist abgelehnt, wenn
er nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Landtags findet.“
Das bedeutet: Kemmerich bräuchte diesmal eine absolute Mehrheit, sprich 46
Stimmen. Eine einfache Mehrheit, wie bei seiner MP-Wahl, wäre nicht genug.
Und dann gäbe es auf jeden Fall Neuwahlen?
Nein, die gibt es nur dann, wenn nicht innerhalb von drei Wochen ein neuer
Ministerpräsident gewählt. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Bodo
Ramelow es dann noch einmal versuchen wird, wieder Regierungschef zu
werden. Seine Chancen stehen diesmal sehr gut, denn die CDU will unbedingt
um Neuwahlen herumkommen und wird nicht noch einmal gegen ihn stimmen.
Aber was ist, wenn Kemmerich nicht die Vertrauensfrage stellen will? Könnte
er dann nicht einfach abgewählt werden?
Möglich wäre ein konstruktives Misstrauensvotum. Das heißt, der Landtag
kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen dadurch aussprechen, dass er
mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt, zum Beispiel
seinen Vorgänger Bodo Ramelow.
Ist das eine realistische Option für Rot-Rot-Grün?
Ja, auf jeden Fall. Falls Kemmerich nicht selbst den Weg frei machen will,
werden Linkspartei, SPD und Grüne versuchen, ihn so wieder aus der
Staatskanzlei zu vertreiben. Ihre Aussichten dafür dürften nach dem
gelb-schwarz-braunen Desaster auch nicht schlecht stehen.
Wann könnte eine vorzeitige Neuwahl frühestmöglich stattfinden?
Über den Antrag auf Selbstauflösung des Landtags darf frühestens am 11.
und muss spätestens am 30. Tag nach Antragstellung abgestimmt werden. Über
die Vertrauensfrage darf frühestens 3 Tage und muss spätestens 10 Tage,
nachdem Kemmerich sie gestellt hat, abgestimmt werden. Für beide Varianten
gilt: Anschließend muss die Neuwahl des Landtags innerhalb von 70 Tagen
stattfinden.
Wer regiert bis dahin in Thüringen?
Wenn er nicht zuvor über ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt wird,
wäre das in beiden Fällen Thomas Kemmerich. Nach einer verlorenen
Vertrauensabstimmung wäre er jedoch nur noch geschäftsführend im Amt. Das
gilt auch für den Fall, dass er von sich aus zurücktritt.
Was bedeutet das?
Als geschäftsführender Ministerpräsident wären Kemmerichs
Gestaltungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Er könnte beispielsweise
keine neuen Minister:innen ernennen. Wenn er noch welche haben will,
sollte er das also schnell vorher machen.
Was passiert, wenn Kemmerich zurücktritt?
Dann hätte der Landtag erneut die Aufgabe, einen neuen Ministerpräsidenten
zu wählen – nach denselben Regeln, die auch am Mittwoch galten. In den
ersten beiden Wahlgängen bedarf es einer absoluten Mehrheit, vom dritten
Wahlgang an ist gewählt, „wer die meisten Stimmen erhält“. Neues Spiel,
neues Glück.
7 Feb 2020
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
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