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# taz.de -- Nach Lindner-Besuch in Thüringen: Kemmerich tritt wieder ab
> Thüringens Ministerpräsident Kemmerich will sein Amt abgeben und eine
> Neuwahl ermöglichen. FDP-Chef Christian Lindner stellt die
> Vertrauensfrage.
Bild: Ministerpräsident for a day, fool for a lifetime: Thomas Kemmerich (FDP)
Erfurt dpa/rtr/taz | Der mit Stimmen von AfD und CDU zum [1][Thüringer
Ministerpräsidenten gewählte FDP-Politiker Thomas Kemmerich] will sein Amt
nach bundesweiter Kritik zur Verfügung stellen. „Der Rücktritt ist
unumgänglich“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in Erfurt nach einem
Treffen mit FDP-Chef Christian Lindner. Die FDP-Fraktion Thüringen will
einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl
stellen. Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des
Ministerpräsidenten nehmen, begründete Kemmerich seine Entscheidung.
„Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu
beschädigen“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Demokraten brauchen
demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht
herstellen lassen.“ FDP-Chef Christian Lindner war zu Krisengesprächen in
Erfurt. Kemmerich sagte auf die Frage, ob er zu dem Schritt gezwungen
worden sei: „Gezwungen hat uns niemand.“
Thomas Kemmerich habe die einzig richtige politische Entscheidung
getroffen, sagte FDP-Chef Christian Lindner wenig später auf einer eigenen
Pressekonferenz. „Eine Zusammenarbeit mit der AfD darf es für eine
demokratische Partei in Deutschland nicht geben“, so Lindner. Baldige
Neuwahlen in Thüringen beschrieb er als richtigen Schritt für eine
Gesellschaft, die sich wieder „versöhnen“ solle. Eine Politik der Mitte sei
zwingend gekoppelt an eine Brandmauer gegen ganz rechts, so Lindner.
Christian Lindner will nach den Vorgängen bei der Wahl des Thüringer
Ministerpräsidenten die Vertrauensfrage in der Parteiführung stellen. Dazu
solle an diesem Freitag der Bundesvorstand zu einer Sondersitzung
zusammenkommen, kündigte Lindner an. „Wir als freie Demokraten haben die
Situation geklärt“, sagte der Parteichef und forderte „das jetzt auch von
der Union und Annegret Kramp-Karrenbauer“.
## Angela Merkel: „Unverzeihlicher“ Vorgang
Kemmerich war am Vortag im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen
von AfD, Union und FDP zum Regierungschef gewählt worden. Der Kandidat der
FDP, die im Herbst nur knapp den Sprung in den Landtag geschafft hatte,
setzte sich gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken
durch. Es war das erste Mal, dass die [2][AfD einem Ministerpräsident ins
Amt half].
Der bei der Wahl gescheiterte Ramelow stand unterdessen weiter als Kandidat
zur Verfügung. Das sagte der Vize-Chef der Thüringer Linken, Steffen
Dittes, am Donnerstag.
Zunächst zog nur die FDP unmittelbare Konsequenzen aus der heftig
kritisierten Wahl. Kanzlerin Angela Merkel hatte das Votum während einer
Südafrika-Reise am Donnerstag als „unverzeihlich“ bezeichnet und eine
Korrektur gefordert. Merkel betonte in Pretoria: „Es war ein schlechter Tag
für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen
der CDU gebrochen hat.“ Es müsse jetzt alles getan werden, damit deutlich
werde, dass dies in keiner Weise mit dem in Übereinstimmung gebracht werden
könne, was die CDU denke und tue.
## Söder spricht von „Missgeschick von Thüringen“
CSU-Chef Markus Söder legte ebenfalls noch einmal nach. „Es braucht eine
rasche, eine schnelle und eine konsequente Korrektur dieses Missgeschicks
von Thüringen und danach eine Festlegung, wie dauerhaft damit umzugehen
ist. Denn so etwas darf sich nicht mehr wiederholen“, sagte der bayerische
Regierungschef am Donnerstag am Rande einer Landtagssitzung in München.
Merkel wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob die Vorgänge in Thüringen
auch dazu führen könnten, dass die große Koalition in Berlin scheitert. Sie
habe bereits Kontakt zu Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und den
SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gehabt. Es sei
wichtig, die Dinge am Samstag im Koalitionsausschuss zu besprechen, sagte
sie.
Kemmerich hatte noch im ARD-„Morgenmagazin“ betont, er sei gewählt und eine
Neuwahl würde nur zu einer Stärkung der Ränder führen. „Die Arbeit beginnt
jetzt“, sagte er. Der Chef der Fünf-Prozent-Partei hatte mit CDU, SPD und
Grünen eine Minderheitsregierung bilden wollen. SPD und Grüne hatten einer
Zusammenarbeit aber bereits eine Absage erteilt. Ein Bündnis aus FDP, CDU,
SPD und Grünen wäre auf eine Unterstützung von Linkspartei oder AfD
angewiesen gewesen.
## „Permanent in Kontakt mit Lindner“
Kemmerich hatte zudem deutlich gemacht, er habe die Lage vorher mit dem
FDP-Chef beraten. „Ich war mit Christian Lindner permanent im Kontakt. Wir
haben auch besprochen, was wir hier in Thüringen beschlossen haben“, sagte
Kemmerich. „Er hat gesagt, die Entscheidung trifft letztlich der Thüringer
Verband.“
SPD-Chefin Saskia Esken forderte die Ablösung des Ostbeauftragten der
Bundesregierung, Christian Hirte (CDU). Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte sie
am Donnerstag auf eine entsprechende Nachfrage: „Das ist notwendig, er kann
nicht mehr für uns sprechen.“ Ähnlich hatte sich Esken zuvor bereits bei
Twitter geäußert: „Der Ostbeauftragte der Bundesregierung bezeichnet die
Wahlgemeinschaft aus CDU, FDP und AfD in #Thüringen als „Mitte“. In unserem
„Auftrag“ spricht er damit nicht mehr.“
Hintergrund ist ein Tweet des aus Thüringen stammenden Hirte. Er hatte
Kemmerich gratuliert und geschrieben: „Deine Wahl als Kandidat der Mitte
zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel
Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats.“
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, er sei erleichtert
über die angekündigte Auflösung des Landtags in Thüringen. Es dürfe nicht
zugelassen werden, dass Kräfte vom rechten Rand einen entscheidenden
Einfluss auf die Politik ausübten.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, [3][erklärte per Twitter]:
„Endlich“. Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag, [4][erklärte per
Twitter]: „Das politische Berlin steht Kopf, weil ein Ministerpräsident der
SED-Nachfolgepartei nicht gewählt wurde. Nun wird der FDP-Ministerpräsident
zur Aufgabe gezwungen. Merkel & alle Parteien offenbaren ein erschreckendes
Demokratieverständnis – nämlich gar keines!“
6 Feb 2020
## LINKS
[1] /Ministerpraesidentenwahl-in-Thueringen/!5662080
[2] /Thueringen-und-die-FDP/!5658317
[3] https://twitter.com/MiRo_SPD/status/1225409582547324936
[4] https://twitter.com/Alice_Weidel/status/1225407109824745475
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