# taz.de -- Tabubruch in Thüringen: Von Höckes Gnaden | |
> Thomas Kemmerich (FDP) wird mit Stimmen der AfD Ministerpräsident: Die | |
> Abgrenzung der demokratischen Parteien zur AfD hält nicht mehr. | |
Bild: Björn Höcke gratuliert dem neu gewählten Ministerpräsidenten | |
Dass ausgerechnet die FDP [1][den historischen Sündenfall begeht], entbehrt | |
nicht einer historischen Konsequenz. Die Partei war nach dem Ende des | |
Nationalsozialismus geistiger Unterschlupf vieler derer, die noch wenige | |
Jahre vorher fähnchenschwenkend dem Führer zugejubelt hatten. Erst musste | |
das Hitler-Bildchen verbrannt werden, damit Soldaten der | |
Anti-Hitler-Koalition es nicht im Schrank fanden. Anschließend verbannte | |
man das Wissen um die eigene Unterstützung für den Massenmord des Dritten | |
Reiches aus dem Gedächtnis. Dann konnte man sich demokratisch der FDP | |
zuwenden. | |
Dass ausgerechnet in Thüringen der erste Ministerpräsident mit den Stimmen | |
der AfD gewählt wird, entbehrt genausowenig der historischen Parallele. Vom | |
23. Januar 1930 an regierte die Baum-Frick-Regierung unter Beteiligung der | |
NSDAP in Thüringen. Es war die erste Landesregierung in der Weimarer | |
Republik, in der die NSDAP mit am Ruder war. Thüringen wurde zum | |
Pilotprojekt für die Machtergreifung, samt Ermächtigungsgesetz. | |
Es wäre verfehlt, ein ganzes Bundesland zu verdammen, zumal dort die | |
rot-rot-grüne Allianz stark ist. Auch hat die FDP einen starken | |
bürgerrechtlich-liberalen Flügel. Nur bleibt, auch wenn viele Leute den | |
Vergleich mit 1933 satthaben, stehen: Die FDP hat in Thüringen den | |
Tabubruch begangen. Das, was von demokratisch, tolerant, antifaschistisch | |
gesinnten Menschen in Deutschland seit den Wahlen im vergangenen Jahr | |
gefürchtet worden war, ist eingetreten. [2][Die Grenzziehung der | |
demokratischen Parteien zur AfD hält nicht mehr]. Und wie immer kommen | |
solche Dinge nicht in gerader Linie heran. Die Geschichte nimmt Kurven. | |
Thomas Kemmerich war mit der Argumentation angetreten, zwischen der Linken | |
und den rechten Hardlinern die demokratische Mitte hochzuhalten. Sich von | |
der AfD ins Amt wählen zu lassen, stand zumindest öffentlich nicht zur | |
Diskussion. Am 6. November hatte Kemmerich sogar jede wie auch immer | |
geartete Zusammenarbeit ausgeschlossen. Für wie dumm halten Profipolitiker | |
denn die Öffentlichkeit? Selbstverständlich spielen die Parteistrategen | |
alle Möglichkeiten durch. Diese Variante muss einkalkuliert gewesen sein. | |
Der historische Sündenfall aber ist es, sich als Kandidat der Mitte nicht | |
nur von der AfD wählen zu lassen, sondern dann das Amt tatsächlich | |
anzunehmen. | |
[3][Björn Höcke, Fraktions- und Landesvorsitzender der AfD] in Thüringen | |
und faschistischer Einpeitscher der Gesamtpartei, hatte die FDP und die CDU | |
zu einer gemeinsamen „bürgerlichen“ Kandidatur eingeladen. „Wir könnten | |
gemeinsam so viel erreichen“, versprach Höcke. Kemmerich ist | |
Ministerpräsident von Höckes Gnaden. Die FDP genauso wie die CDU stehen | |
damit jetzt am Scheideweg. Nun zeigt sich, wie stark die demokratische | |
Gesinnung in den Parteien ist. | |
5 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Junge | |
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