# taz.de -- Zukunft der „Berliner Zeitung“: Der Journalismus von Morgen?! | |
> Die Eigentümer der „Berliner Zeitung“ ernten Häme für englische Slogan… | |
> Kritischer ist, dass Holger Friedrich eine Kollegin denunziert haben | |
> soll. | |
Bild: Erklärt Holger Friedrich hier gerade „tomorrow’s journalism“? | |
Jens Spahn wäre not amused, würde er sich dieser Tage durch die Berliner | |
Zeitung klicken. „Why settle for yesterday’s journalism“, steht da, „in… | |
city that has always been about tomorrow?“ – „Warum Journalismus von | |
gestern machen, in einer Stadt, in der es immer ums Morgen ging?“. Der | |
Berliner Verlag sucht mit diesem Slogan neue Leute: DigitaljournalistInnen, | |
Volos, VerlagsmitarbeiterInnen, IT-SpezialistInnen. Bevorzugt English | |
speaking – German nicht unbedingt. Jens Spahn hat sich mal beschwert, | |
[1][dass man in Berlin seinen Kaffee neuerdings auf Englisch bestellen | |
müsse]. Wenn jetzt auch noch Zeitungen auf Englisch berichten, dreht die | |
Union völlig durch. | |
Silke und Holger Friedrich, die neuen Eigentümer der Berliner Zeitung, | |
haben mit den Ausschreibungen wieder einmal Häme auf sich gezogen. Das | |
Unternehmerpaar verwechsele den Journalismus mit seiner alten Branche, der | |
Start-up-Szene, wird gewitzelt. | |
Sicher gibt es bei den Friedrichs einiges, was kritischer Berichterstattung | |
bedarf. Zuvorderst die Stasi-Vergangenheit von Holger Friedrich. Aktuell | |
schreibt die Welt am Sonntag, [2][Friedrich habe 1985 eine Arbeitskollegin | |
denunziert]. Die Springer-Zeitung beruft sich auf „Zeitzeugen“, Friedrich | |
hat sich bislang nicht geäußert. | |
Derartigen Vorwürfen gilt es selbstverständlich nachzugehen. Hingegen | |
verrät der Spott über den Start-up-Habitus der Friedrichs und über ihre | |
Anglizismen eher etwas über die Spötter selbst. In Berlin leben | |
Hunderttausende Menschen, die kein Deutsch sprechen, dafür aber englisch. | |
Für sie gibt es kaum journalistische Angebote. Dazu kommen alle, die | |
englische Serien im Original schauen und nicht vor Schreck das Smartphone | |
fallen lassen, wenn sie einen Text vom Guardian in der Timeline vorfinden. | |
Wie konservativ die deutsche Zeitungslandschaft ist, zeigt der Spott, der | |
ertönt, wenn Verleger mal etwas anders machen, als seit Urzeiten Tradition | |
ist. Zum Beispiel einen langen Bart haben oder Start-ups nahestehen statt | |
Ex-Ministern – wie der Holtzbrinck-Verlag mit seinem Autor Sigmar Gabriel. | |
Dann werden sie in der Branche gedisst. Dabei sollte die gerade neugierig | |
auf Veränderung sein. Die Berliner Zeitung sucht ja unter anderem deswegen | |
neue Leute, weil sie eigenständiger werden möchte. Bisher kaufte sie einige | |
ihrer Texte bei der Konkurrenz, dem Madsack-Verlag. Das heißt, dass in der | |
Berliner Zeitung teils dieselben Artikel zu lesen waren wie in der | |
Hannoverschen Allgemeinen. Diese Kooperation haben die Friedrichs nun | |
gekündigt – gute Nachrichten für die Vielfalt bei den Regionalzeitungen. | |
Und der Berliner Zeitung bleibt wenig Zeit, um tomorrow’s journalism zu | |
werden. Im letzten Quartal hat die Zeitung im Vergleich zum Vorjahr mehr | |
als 12 Prozent ihrer Abos verloren. Das ist wesentlich mehr als bei anderen | |
Regionalzeitungen. Aber während von denen viele [3][in Langeweile vor sich | |
hin sterben], kann sich der Berliner Verlag zumindest nicht vorwerfen, es | |
nicht versucht zu haben. | |
2 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Hipster-als-Gefahr-fuer-deutsche-Identitaet/!5436298 | |
[2] https://www.welt.de/wirtschaft/article205528193/Berliner-Zeitungs-Verleger-… | |
[3] /Verkauf-der-Mitteldeutschen-Zeitung/!5654041 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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