# taz.de -- Hipster als Gefahr für deutsche Identität: Yesterday-Jens | |
> Wir haben kaum problems in Germany. Deshalb ist es auch so hard, ein | |
> Wahlkampfthema zu finden. Jens Spahn hat finally 1: Englisch sprechende | |
> Hipster. | |
Bild: Lame. Very lame. Just bloody, motherf+#*ing lame | |
Jens Spahn hat ein Problem. It’s a bit technical. Jemand hat mit den | |
Werkeinstellungen seines iPhones gespielt. Auf seinem Screen scheint | |
nämlich ein anderes Datum zu stehen, als auf meinem. Last time I checked, | |
hatten wir das Jahr 2017. Aber wenn ich mir [1][den Essay des CDUlers in | |
der aktuellen Zeit] (sic!) durchlese, fühle ich mich eher so five years | |
ago. | |
Spahn complaint in besagtem Text über „elitäre Hipster“ in Berlin, die si… | |
gegenüber „Normalbürgern abschotten“. Ja, die in einer Art | |
„Parallelgesellschaft“ leben, und, Achtung, jetzt kommt’s: Nur noch auf | |
Englisch reden! Don’t get me wrong, Spahn möchte nicht das | |
EasyJet-Prekariat in Schönefeld abfangen, um es in Integrationscamps zu | |
stecken. Es geht ihm viel mehr „um uns Deutsche selbst“ und um eine | |
drohende „kulturelle Gleichschaltung“. Es sei nämlich eine „anbiedernde | |
Bereitschaft, vorschnell und ohne Not die eigene Muttersprache | |
hintanzustellen“. Und Englischsprechen sei nicht per se ein Ausweis von | |
Internationalität, sondern zeuge von „provinzieller Selbstverzwergung“. | |
## Das H-Wort war tot | |
You know what I mean? Klingt doch alles irgendwie so, als ob die | |
Bundestagswahlen 2013 anstünden und da jemand ein Thema entdeckt hätte, das | |
Leute moved, oder? Nur, dass eben nicht 2013 ist und Spahn ein Thema | |
entdeckt hat, das irgendwann mal Leute gemoved hat – das sogenannte | |
„Hipster“-Problem, welches ausführlich diskutiert wurde, bis allen klar | |
war, wie boring es ist, weil keiner so recht weiß, was dieser Hipster | |
eigentlich sein soll. Das H-Wort war tot. Und nun wird es reanimiert, um | |
einen Zombiewalk durch den CDU-Wahlkampf hinzulegen. Denn: Es gibt ja sonst | |
keine problems. Und irgendein issue muss man im Wahlkampf halt haben. | |
Dabei wussten wir 2010 schon: Wer am lautesten über Hipster schimpft, ist | |
meist selber einer – oder wäre es gerne. Inevitably fällt der Blick auf | |
Spahns Wechsel von randlosen Gläsern auf Hornbrille (epic fail übrigens, | |
denn seit zwei Jahren trägt man Nickelbrille). Und seinen Versuch, die | |
eigene street credibility herzustellen, in dem er andere als „provinziell“ | |
denunziert. Das ist so lame, dazu schaffe ich es nicht mal mehr die Augen | |
zu verdrehen. Da geht nur noch side eye. | |
## Basic Bitch oder Normcore? | |
Auf der anderen Seite fallen outdated Begriffe wie „Normalbürger“ und | |
„Parallelgesellschaft“ ins Auge. Für ein Eighties-Baby wie Spahn, der doch | |
rein rechnerisch zur Generation MTV zählen müsste, total awkward. Gibt sich | |
Jens Spahn etwa deshalb so explicitly average, weil er auf die Stimmen der | |
in diesem Land so zahlreichen Basic Bitches hofft? Oder ist das eher | |
ironische Imitation des Durchschnitts, also schon Normcore? This Spahn – | |
random auf den ersten Blick, und doch so schwer zu greifen. Just like the | |
„Hipster“. | |
Dabei ist es nicht so, dass ich es kein bisschen sad finde, wenn sich | |
Jens’Mom in Berlin-Mitte keinen Flat White bestellen kann, weil die | |
Baristas nur noch Englisch sprechen. Zu Recht geht das Spahniboy ziemlich | |
„auf den Zwirn“ (= es turnt ihn ab). Obendrein ist er als amtierender | |
Staatssekretär für Finanzen dahintergekommen, dass mittelständische | |
German-speaking Enterprises im Schwarzwald mehr Asche machen als die | |
angeblich so boomende Start-up-Szene in der Hauptstadt. In short: Das | |
Hipsterbusiness bringt nicht mal richtig Cash. Wieso sollte er die also | |
supporten? | |
Ganz wichtig ist Spahn, by the way, dass seine Kritik nicht als Beitrag zur | |
Integrationsdebatte missverstanden wird. Schließlich sei es nur fair, dass | |
wir nicht alle anfangen, plötzlich englisch zu sprechen, sobald die Syrer | |
endlich Deutsch können. | |
Vielleicht ist Hipster-Bashing aber auch nur eine mainstream-friendlyere | |
Art, um again von the so-called „deutschen Leitkultur“ zu reden, als über | |
mangelnde Gleichberechtigung innerhalb von Flüchtlingsfamilien herzuziehen, | |
die seit zwei Jahren in Containern schlafen. Und das ist nicht nur | |
problematic. Sondern creep af. | |
24 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/2017/35/berlin-cafes-hipster-englisch-sprache-jens-spahn | |
## AUTOREN | |
Fatma Aydemir | |
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