# taz.de -- Porträt von Musikerin Lafawndah: Ritualisierte Clubmusik | |
> Mit der Zuschreibung Global Pop kann die Künstlerin Lafawndah wenig | |
> anfangen. Dennoch durchbricht ihr futuristischer R & B-Sound kulturelle | |
> Grenzen. | |
Bild: Schon viel rumgekommen: Lafawndah | |
Kindheit in Teheran, Studium an der Pariser Sorbonne, Drummerin in einer | |
mexikanischen Punk-Band, Stopps in New York und Los Angeles. In London | |
sesshaft geworden ist Yasmine Dubois nur, weil ihr Reisepass zu viele | |
Visastempel hatte, wie sie sagt. Angesichts ihrer Umtriebigkeit fällt es | |
schwer, die musikalischen „Wurzeln“ der Künstlerin zu fassen, die unter dem | |
Namen Lafawndah gerade die Pop-Welt aufmischt. | |
R & B angereichert mit tanzbaren Dancehall-Beats, hypnotisierendem | |
Sirenengesang und industrialartigen Synthesizerklängen. Was ist das | |
überhaupt? Globalisierte Popmusik nennen das die Kritiker:innen und | |
vergleichen die Künstlerin mit M.I.A., [1][Kelela] und FKA-Twigs. Lafawndah | |
tut sich schwer mit solchen Schubladen und nennt ihre Werke lieber | |
ritualisierte [2][Clubmusik]. Und damit hat sie recht: Sie ist mal | |
treibend, mal sedierend, aber immer experimentell und elektronisch. | |
Kein Wunder also, dass nach ihrer ersten vom karibischen Zouk inspirierten | |
EP „Lafawndah“ prompt das britische Electronica-Label Warp bei ihr | |
anklopfte, um eine zweite EP mit ihr zu produzieren. Mit ihren ersten | |
Veröffentlichungen geht Lafawndah heute hart ins Gericht. „Körperlos“ | |
nannte sie die in einem Interview mit dem FACT-Magazine selbstkritisch. Ein | |
hartes Urteil! Wer aber ihr Debütalbum „Ancestor Boy“ hört, versteht, wie | |
das gemeint ist. Sie definiert sich selbst als herkunfts- und zeitlos, und | |
so möchte sie auch klingen. | |
Der Knoten platzte, als sie das japanische Kollektiv Geinoh Yamashirogumi | |
entdeckte, das unter anderem dem dystopischen Kult-Anime „Akira“ seinen | |
Soundtrack gestiftet hat. Die Künstlergruppe besteht aus über 100 | |
Mitgliedern verschiedenster sozialer Schichten und Lebenswelten. | |
Ärzt:innen, Ingenieur:innen und Handwerker:innen arbeiten mit | |
einem musikethnologischen Ansatz: Sie suchen auf der ganzen Welt nach | |
traditioneller Musik und Instrumenten, um diese dann in ihrem eigenen | |
Kontext zu reinterpretieren. | |
## Lafawndah untersucht biblische Motive | |
Dieser Einfluss verhalf Lafawndah auf „Ancestor Boy“ zu ihrer eigenen | |
Stimme. Darin erweitert sie den französisch-maghrebinischen | |
Avantgarde-Pop-Klassiker [3][„Vous et nous“] um zentralasiatischen | |
Kehlkopfgesang und mischt japanische Trommelrythmen unter Lieder mit | |
orientalistischen Melodien und synthetischen Klängen. | |
In ihren Texten untersucht Lafawndah biblische Motive („Joseph“) und | |
philippinische Stammesgeschichte („Ancestor Boy“) und findet nebenbei noch | |
Zeit, Begriffe wie Herkunft zu diskutieren: „I don’t know where to put | |
myself / Should I go hide in the corner? / Should I leave? I’m not sure how | |
to behave“, singt sie in einem Track über Exotisierung mit dem | |
bezeichnenden Titel „Uniform“. | |
Diese Experimentierfreudigkeit zeigt sich auch in ihren in Eigenregie | |
realisierten Videos. Die sind weit mehr als nur schmückendes Beiwerk zu | |
ihren Singleauskopplungen. Sie gleichen eher Kurzfilmen oder Theaterstücken | |
und erzählen eigene Geschichten, die für sich selbst stehen. | |
Bei Konzerten löst sie Grenzen künstlerischer Ausdrucksformen auf. Die | |
Single „Le Renard Bleu“, die zusammen mit der Perkussionistin Midori Takada | |
entstanden ist, inszenierte sie kurzerhand als eineinhalbstündige | |
spirituelle Performance inklusive japanischer Mönchsversammlung und | |
indonesischem Tanz. | |
Lafawndah nur auf ihre Musik zu reduzieren, wird ihr also nicht gerecht. | |
Sie ist vielmehr eine Universalkünstlerin, in deren Werken die | |
Ausdrucksformen verschiedener Kulturen gleichermaßen Platz finden. | |
22 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Debuetalbum-von-US-Talent-Kelela/!5454043 | |
[2] /US-Produzent-Galcher-Lustwerk/!5643239 | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=8gDWora7EDI | |
## AUTOREN | |
Patrick Wagner | |
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