# taz.de -- Publizist über Zukunft des Kosovo: „Kosovaren wollen echten Wand… | |
> Drei Monate nach der Wahl mit historischem Ergebnis hat das Land noch | |
> immer keine Regierung. Die steht vor großen Aufgaben, sagt der Publizist | |
> Veton Surroi. | |
Bild: Der Publizist Surroi glaubt: Normalität wird die größte Herausforderun… | |
taz: Herr Surroi, noch immer haben sich die linksnationalistische | |
Vetëvendosje und die konservative LDK auf keine Regierung im Kosovo | |
geeinigt. Doch [1][Albin Kurti wird wohl neuer Regierungschef]. Vor welchen | |
Herausforderungen wird er nach Amtsantritt stehen? | |
Veton Surroi: Vor allem den enormen Erwartungen zu entsprechen. Der | |
Wahlsieg beider Parteien war eindeutig und zeigt, dass die Menschen einen | |
echten Wandel erwarten. Sie wollen, dass sich die Situation im Kosovo | |
endlich normalisiert. Das wird gleichzeitig die größte Herausforderung für | |
die Regierung sein, denn der Staat wird heute von verschiedenen Gruppen, | |
oft mit Verbindungen zur organisierten Kriminalität, kontrolliert. Die neue | |
Regierung muss den Kosovo zu einer funktionierenden parlamentarischen | |
Demokratie machen. | |
Auch die wirtschaftliche Krise ist ein Problem – die Jugendarbeitslosigkeit | |
liegt bei fast 50 Prozent. | |
Ja, die Situation ist schlimm. Auch das hat mit der Einflussnahme | |
politischer und krimineller Eliten zu tun: Sie greifen Ressourcen ab, die | |
den Menschen zustehen. Sie stehlen den Bürgern ihre Möglichkeiten im Land. | |
Diese Einflussnahme zu beseitigen, dürfte schwierig werden. Welche | |
Hindernisse muss die neue Regierung zuerst beseitigen? | |
Zum Beispiel, dass in den Gerichten und bei der Polizei immer noch Leute | |
mit massiven Altlasten das Sagen haben. Im Kosovo hat es keine einzige | |
Anklage wegen Korruption hochrangiger Personen gegeben. Das spricht Bände, | |
und da muss die neue Regierung einen Prozess auslösen. Die Betroffenen | |
haben ein Interesse daran, diesen Prozess zu verzögern oder gar zu | |
verhindern, denn sie profitieren persönlich von der Situation. | |
Auch Serbien mit seiner prorussischen Politik, seinem Aufrüsten und seiner | |
Einmischung in die kosovarische Gesellschaft ist ein Hindernis. Das hat | |
auch die Neuwahl im Oktober gezeigt: Belgrad hat sich im von Serbien | |
dominierten Norden Kosovos direkt in den Ablauf eingemischt. | |
Seit einem Jahr [2][liegt der Dialog mit Serbien auf Eis]. Kurti hat | |
vorgeschlagen, dass nicht mehr die Staatschefs die Verhandlungen führen | |
sollen. Steht der Normalisierungsprozess vor einem neuen Kapitel? | |
Kurti wird den Prozess mit Serbien weiter einer grundlegenden Prüfung | |
unterziehen und sie wird Defizite offenbaren. Der Prozess hat für Kosovo | |
Priorität, denn zwischen Serbien und Kosovo herrscht noch lange kein | |
Frieden. Der Krieg ist nicht vorbei. | |
Wie stehen die kosovarischen Serben zu Kurti? | |
Ich denke, dass auch die serbische Gemeinschaft verstanden hat, dass dieser | |
Mann nicht korrupt ist. Dass er ehrlich ausspricht, was er fühlt und denkt. | |
Diese Art zu kommunizieren ist völlig neu im Kosovo. | |
Trotz der Fantasie eines Großalbaniens, die in seiner Partei nach wie vor | |
lebt? | |
Tatsächlich haben sie in der Vergangenheit darüber gesprochen. Aber ich | |
denke, der Fokus wird jetzt in der Regierung darauf liegen, aus dem Kosovo | |
ein normales Land zu machen. | |
In der NZZ haben Sie 2017 gesagt: Sie hoffen, dass Kosovo ein zweites Mal | |
befreit wird. Ist es jetzt endlich so weit? | |
Ich denke, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Aber es wird | |
keine Befreiung auf einen Schlag sein, sondern ein langer Prozess. Als | |
Erstes brauchen wir dafür ein unabhängiges Justizsystem und eine | |
Wirtschaft, die nicht von feudalen Warlords bestimmt wird. | |
Wie kann die EU diesen Prozess unterstützen? | |
Kosovo wird in den nächsten Jahren gravierende Reformen durchmachen müssen. | |
Dafür brauchen wir die Unterstützung der EU. Was Kosovo nicht braucht, ist | |
Druck künstlicher Deadlines, nach dem Motto: Ihr müsst euch bis zu einem | |
bestimmten Datum mit Serbien einigen. | |
Josep Borell ist neuer Außenbeauftragter der EU, seine erste Reise soll | |
nach Prishtina gehen. Welche Hoffnungen setzen Sie in ihn? | |
Eine neue Person kann neuen Schwung in die Sache bringen. Er sollte sich | |
die Fehler seiner Vorgängerin Federica Mogherini genau anschauen: In der | |
Vergangenheit hat die EU bei den Verhandlungen zwischen Serbien und Kosovo | |
einen schlechten Job gemacht und zu wenig politischen Druck ausgeübt. | |
Wie wird die Entscheidung der EU-Staaten, den Beginn der | |
[3][Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien] vorerst | |
auszusetzen, im Kosovo diskutiert? | |
Die Entscheidung wurde sehr negativ aufgenommen. Die Menschen haben die | |
harten Anstrengungen Nordmazedoniens und Albaniens genau verfolgt. Dass sie | |
jetzt die Gespräche nicht aufnehmen können, paralysiert die ganze Region | |
und wird ihre Entwicklung bremsen. Aber Kosovo ist so oder so paralysiert – | |
fünf EU-Staaten erkennen das Land nicht an, und für die Bürger gilt noch | |
immer keine Visafreiheit. | |
9 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jana Lapper | |
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