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# taz.de -- Parlamentswahl im Kosovo: Erdrutschsieg für linke Opposition
> Die Partei Vetëvendosje des Ex-Premiers Albin Kurti erringt laut ersten
> Auszählungen 48 Prozent der Stimmen. In Prishtina feiern die Menschen.
Bild: Jubel und Hoffnung: AnhängerInnen von Vetëvendosje am Wahlabend in Pris…
Sarajevo taz | Als sich trotz Coronapandemie Tausende von Anhängern von
Vetëvendosje (Selbstbestimmung) im Zentrum der Stadt versammelten, brachen
am Sonntagabend immer wieder Jubelstürme aus. Denn Albin Kurti und seine
Partei Vetëvendosje haben die [1][Parlamentswahlen im Kosovo] für sich
entschieden.
Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen kam die Partei des ehemaligen
Studentenführers und Bürgerrechtlers Albin Kurti und der Reformpolitikerin
Vjosa Osmani auf 48 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung der knapp 1,8
Millionen Stimmberechtigten wurde von der Wahlkommission mit 45,5 Prozent
angegeben. Nach ersten Berechnungen können die Sieger mit mindestens 55
Sitzen im 120-köpfigen Parlament rechnen.
Da aber die [2][Stimmen aus der Diaspora noch ausgezählt] werden müssen,
könnte sich das Wahlergebnis für die Wahlsieger noch günstiger gestalten.
Aus Quellen der diplomatischen Vertretung Kosovos in der Schweiz, wo rund
200.000 Kosovoalbaner leben, geht hervor, dass die Mehrheit der
Diaspora-Stimmen auf Vetëvendosje fallen werden.
So können Kurti und Osmani vielleicht sogar aus eigener Kraft die
Stimmenmehrheit im Parlament mit 61 Sitzen erreichen. Da zudem 20 Sitze für
die Minderheiten der Serben (10), der Roma, Ashkali, Bosniaken, Goranen und
Weiteren reserviert sind, gilt es als sicher, dass einige
Minderheitenvertreter die neue Regierung unterstützen werden.
## Einbußen bei Altparteien
Lange Gesichter gab es dagegen bei den Wahlverlierern. Der Spitzenkandidat
der langjährigen Regierungspartei PDK (Demokratische Partei des Kosovo)
Enver Hoxhaj gestand gegenüber der taz unumwunden die Niederlage ein. Der
ehemalige Außenminister erklärte zudem, er habe Kurti noch am Sonntagabend
gratuliert.
Die PDK, die aus der Befreiungsarmee UÇK hervorgegangen war, konnte nur 17
Prozent der Stimmen und zwei Wahlkreise gewinnen. Diese Wahlkreise liegen
in Drenica, einem Landstrich, in der die UÇK gegründet wurde und aus der
ihr langjähriger Führer Hashim Thaçi stammt. Der Ex-Präsident muss sich
aber zur Zeit vor einem [3][Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den
Haag] verantworten.
Auch auf die zuletzt regierende konservative LDK (Demokratische Liga des
Kosovos) entfielen nur 13 Prozent der Stimmen. Für die vom legendären
Bürgerrechtler und Pazifisten Ibrahim Rugova (1944-2006) gegründete Partei
war es das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte.
Nachdem die Altherrenriege die Reformerin Osmani aus der Partei geworfen
hatte, verlor sie die Hälfte ihrer Stimmen an Vetëvendosje, nachdem die
Parlamentspräsidentin zur Konkurrenz gewechselt war. Isa Mustafa, der
Vorsitzende der LDK, sagte, seine Partei werde das Wahlergebnis
respektieren.
## Gegen die Pandemie und Korruption
„Unsere Prioritäten sind Gerechtigkeit und Jobs“, erklärte Kurti in der
Wahlnacht vor Anhängern, die ihn am Sitz seiner Partei in Prishtina
euphorisch feierten. „Der Weg vor uns ist lang, wir werden auch Fehler
machen, aber unsere Ziele sind nobel“, fügte er hinzu.
Das ambitionierte Programm sieht vor, als Allererstes die Pandemie zu
bekämpfen, die Korruption aufzudecken, den Staat zu verschlanken und
effektiver zu machen, ein Sozialprogramm aufzulegen, denn Rentner müssen
derzeit mit weniger als 80 Euro pro Monat auskommen, und den Weg für
ausländische Investoren zu ebnen. Kurti möchte den jungen Leuten – die
Mehrheit der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt – eine Perspektive geben
und sie im Land halten.
Vetëvendosje verfügt über eine Reihe von Fachleuten und hat schon bewiesen,
[4][dass die Partei regieren kann]. Doch die Erwartungshaltungen seiner
Anhänger sind sehr hoch und werden nicht gleich erfüllt werden können.
Mehrere Stimmen aus Prishtina erklärten gegenüber der taz, dass sie dennoch
endlich Licht am Ende des Tunnels sehen.
Allerdings hatte die Wahlkommission Kurti von der Kandidatenliste seiner
Partei gestrichen. Grund war eine Vorstrafe, die er sich 2018 wegen einer
Tränengasattacke im Parlament eingehandelt hatte. Die Strafe ist auf drei
Jahre begrenzt und würde im September ohnehin fallen. Dennoch wird nach dem
Wahlsieg wohl niemand mehr ernsthaft versuchen, Kurti als Ministerpräsident
zu verhindern.
15 Feb 2021
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Kosovo/!5746340
[2] /Vor-Parlamentswahl-im-Kosovo/!5746892
[3] /Ruecktritt-des-Praesidenten-von-Kosovo/!5726538
[4] /Wahlen-im-Kosovo/!5628445
## AUTOREN
Erich Rathfelder
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Kosovo
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serbische Minderheit im Kosovo
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