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# taz.de -- Parlamentswahl im Kosovo: Absage an die Korruption
> Lange regierten ehemaligen Milizionäre den Kosovo, das brachte Korruption
> und Stagnation. Neue Kräfte wollen das überwinden, doch das wird schwer.
Bild: Anänger der Vetëvendosje! feiern den Wahlsieg ihrer Partei am 6. Oktobe…
Pristina dpa | Die Opposition hat die vorgezogene Parlamentswahl im Kosovo
gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag
entschieden die linke Partei Vetëvendosje! (Selbstverteidigung) und [1][ihr
Spitzenkandidat, der ehemalige Studentenführer und Rebell Albin Kurti], für
sich. Die Partei kam bei einem Auszählungsstand von 93,7 Prozent der
Stimmen auf 25,8 Prozent, wie die Zentrale Wahlkommission in der Nacht zum
Montag mitteilte.
Dicht dahinter folgte ihr die moderat-konservative Demokratische Liga des
Kosovos (LDK), die mit ihrer Spitzenkandidatin, der Juristin Vjosa Osmani,
auf 25 Prozent der Stimmen kam. Den dritten Platz belegte die Demokratische
Partei des Kosovos (PDK), die von Staatspräsident Hashim Thaçi dominiert
wird, mit 21,2 Prozent der Stimmen. Die Allianz für die Zukunft des Kosovos
(AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj
kam auf 11,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission bei 44
Prozent und damit 2,5 Prozentpunkte höher als 2017.
Kurti ließ sich um Mitternacht von seinen Anhängern auf dem
Skanderbeg-Platz im Zentrum von Prishtina als Wahlsieger feiern. „Wir haben
die Republik vor der Geiselnahme durch die Politik gerettet“, hatte er
zuvor im Fernsehsender T7 erklärt. „Heute haben wir diesem Drama ein Ende
bereitet.“ Er werde sich um eine rasche Regierungsbildung bemühen, fügte er
hinzu.
Der Wahlausgang dürfte jedenfalls das Ende der langjährigen Dominanz der
PDK über die kosovarische Politik bedeuten, einer Partei, die aus der
Aufstandsmiliz UÇK hervorgegangenen ist. In den Augen der meisten Bürger
waren dies vergeudete Jahre, die durch eine ineffiziente und korrupte
Staatsverwaltung geprägt waren. Es waren Jahre, in denen die Dynamik nach
der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo im Jahr 2008 weitgehend
verpuffte.
## Auch Wahlsieger Kurti ist nicht unumstritten
Keine Regierung in dieser Ära hielt ihr vierjähriges Mandat durch. Die
vorgezogene Wahl vom Sonntag war erforderlich geworden, [2][weil Haradinaj
im Juli zurückgetreten war]. Er musste sich einer Befragung durch das
Kosovo-Sondergericht in Den Haag unterziehen. Der ehemalige regionale
UÇK-Kommandeur sieht sich mit Vorwürfen wegen Kriegsverbrechen in den
1990er Jahren konfrontiert.
Haradinaj hatte an der Spitze der „Kriegskoalition“ regiert, die aus PDK,
AAK und der kleineren Nisma-Partei bestand. Mit seinem Rücktritt im Juli
kam er dem Zerfall dieses Bündnisses zuvor. Die drei UÇK-Nachfolgeparteien
traten bei dieser Wahl gegeneinander an. Nisma muss mit einem vorläufigen
Ergebnis von knapp unter 5 Prozent um den Einzug ins Parlament bangen.
Aber auch der Wahlsieger Kurti ist keine unumstrittene Persönlichkeit.
Früher hatte er sich durch eine neomarxistische, westkritische und
nationalistische Rhetorik ausgezeichnet. In der Zeit der internationalen
Verwaltung übten er und seine Gefolgsleute Gewalt gegen deren Fahrzeuge und
Gebäude aus. Im Parlament zündeten seine Abgeordneten gelegentlich
Tränengasgranaten. Zuletzt trat er aber deutlich gemäßigter auf.
Um regieren zu können, wird sich Kurti um eine einigermaßen stabile
Koalition bemühen müssen. Trotz großer ideologischer Gegensätze gilt die
LDK als wichtigster potenzieller Partner. Sie wurde von Ibrahim Rugova
gegründet, der 2006 starb und in den 1990er Jahren den gewaltlosen
Widerstand gegen die serbische Herrschaft angeführt hatte. An diesem hielt
er selbst dann fest, als die UÇK 1998 ihren bewaffneten Aufstand startete.
Kurti betätigte sich in jener Zeit als Sprecher des politischen Flügels der
UÇK und wurde dafür von Serbien ins Gefängnis geworfen.
## 20 Sitze sind für ethnische Minderheiten reserviert
Verkompliziert wird die Regierungsbildung im Kosovo durch das noch von der
internationalen Gemeinschaft vor 2008 konzipierte Wahlrecht: Nur 100 der
120 Sitze werden nach dem Prinzip der Proportionalität vergeben. 20 Sitze
sind für verschiedene ethnische Minderheiten reserviert. Den Serben, der
stärksten unter ihnen, stehen davon zehn Sitze zu.
Deren Vertreter werden von der Regierung in Belgrad gelenkt, die sich mit
dem Verlust des Kosovos bis heute nicht abgefunden hat. Auch Russland,
China und fünf EU-Länder erkennen die 2008 erklärte Unabhängigkeit der
ehemals serbischen Südprovinz nicht an. Bemühungen der EU, über
Verhandlungen eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem
Kosovo zu erreichen, blieben bislang erfolglos.
Rugovas gewaltloser Widerstand begann vor 30 Jahren, nachdem Serbien unter
seinem damaligen Führer Slobodan Milošević die Autonomie der hauptsächlich
von Albanern bewohnten Provinz aufgehoben hatte. Der spätere UÇK-Aufstand
von 1998/99 hatte eine massive serbische Repressionswelle mit Tötungen und
Vertreibungen von kosovoalbanischen Zivilisten nach sich gezogen. Die Nato
hatte 1999 mit Bombardierungen gegen Serbien interveniert, so dass Belgrad
seine Verwaltung und Sicherheitskräfte aus dem Kosovo abzog. Von 1999 bis
2008 hatte die UN-Mission Unmik das Land verwaltet.
7 Oct 2019
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Kosovo/!5628054
[2] /Parlament-im-Kosovo-aufgeloest/!5620334
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