# taz.de -- Fridays for Future in Berlin: Protest-Ferien verlängert | |
> FFF protestiert am Freitag bundesweit gegen Siemens. In Berlin wird es | |
> keine Demo geben. Stattdessen berät die Ortsgruppe, wie es weitergehen | |
> soll. | |
Bild: Diesen Freitag dürfen SchülerInnen was gegen ihre 6 in Mathe tun: Prote… | |
BERLIN taz | Viele Berliner SchülerInnen müssen sich an diesem Freitag von | |
einer im vergangenen Jahr liebgewonnenen Tradition verabschieden: Sie | |
können die Schulwoche nicht mit einer Demo ausklingen lassen. „An diesem | |
Freitag wird es von der Berliner Fridays-for-Future-Ortsgruppe keine | |
Aktionen geben“, sagte die [1][Berliner Aktivistin Clara Mayer] am | |
Montagabend der taz. | |
Damit wird auch nicht wie seit 2019 üblich am Invalidenpark gegen die | |
Klimakrise protestiert. Die selbst verordnete Streikpause der Berliner | |
[2][Fridays-for-Future]-Gruppe (FFF) geht also in der ersten Woche nach den | |
Weihnachtsferien weiter. Und die Berliner Gruppe beteiligt sich auch nicht | |
an den bundesweiten Protesten von FFF gegen Siemens, obwohl das Unternehmen | |
hier eine wichtige Niederlassung hat. | |
Am Freitag wollen AktivistInnen in mehr als 20 Städten an | |
Siemens-Standorten gegen dessen [3][Beteiligung am Bau der Adani-Kohlemine] | |
in Australien demonstrieren, wie FFF Deutschland auf seiner Internetseite | |
angekündigt hat. Die Mine wäre nach der Fertigstellung eines der größten | |
Kohlebergwerke der Welt, Siemens soll dafür laut FFF die Signalanlage für | |
die zum Abtransport der Kohle benötigte Bahn liefern. Protestiert wird | |
dagegen etwa in Magdeburg, Weimar und Erfurt. | |
„Wir als Berliner FFF-Ortsgruppe haben eine Streikpause beschlossen, um zu | |
besprechen, wie es weitergehen soll, und um unsere Kräfte zu sammeln und | |
sie richtig einzusetzen“, sagte Clara Mayer der taz. Statt den | |
wöchentlichen Protest vorzubereiten, gehen die AktivistInnen am Samstag in | |
Klausur. „Wir werden dort über vieles reden, unter anderem über unsere | |
Aktionsformen und welche die richtigen sind; über unsere Hauptthemen, auch | |
über nationale Themen.“ | |
## Saturday for Future? | |
Die Aktivistin macht keinen Hehl daraus, dass sie tief enttäuscht ist von | |
der Reaktion der Politik auf die Proteste. „Wir waren geschockt, dass uns | |
die Politik ignoriert hat und immer noch ignoriert, obwohl wir ein Jahr | |
lang mit so vielen Menschen demonstriert haben“, erklärte sie. Die größte | |
Demonstration in Berlin hatte am 20. September im Rahmen des weltweiten | |
Aktionstags stattgefunden: Damals zählten die Veranstalter mehr als 250.000 | |
TeilnehmerInnen. | |
Diese Ernüchterung betrifft viele junge Aktivistinnen. Auf der letzten | |
Berliner Demo vor Weihnachten am Invalidenpark Mitte Dezember wurde breit | |
darüber nachgedacht, wie es weitergehen könnte und sollte. „Wir tun das, | |
was die Regierung nicht tut: wir reflektieren“, hatte Luisa Neubauer, die | |
wohl bekannteste Berliner FFF-Mitstreiterin, [4][erklärt]. | |
Unter den rund 500 jungen TeilnehmerInnen kursierten da bereits viele | |
Ideen: Eine schlug vor, die Proteste auf Samstag zu verlegen, um wieder | |
mehr Menschen anzulocken – zuletzt waren die TeilnehmerInnenzahlen nach der | |
Rekorddemo im September erwartungsgemäß gesunken – und gleichzeitig dem | |
Vorwurf des Schulschwänzens zu entgegnen. | |
Eine andere forderte mehr zivilen Ungehorsam, wie sie die Gruppe Extinction | |
Rebellion praktiziert, indem sie etwa Straßen blockiert. Welchen Weg die | |
[5][weltweit erfolgreichste soziale Bewegung] seit der Friedensbewegung in | |
den 60er Jahren letztlich einschlagen wird, ist bislang schwer | |
abzuschätzen. | |
Die Berliner Gruppe ist sich jedoch klar, dass es um eine immens wichtige | |
Richtungsentscheidung geht. „Wir als Berliner Ortsgruppe sind uns der | |
medialen Aufmerksamkeit unserer Entscheidungen bewusst“, sagt Clara Mayer. | |
Etwa 150 Menschen bilden laut ihrer Aussage den harten Kern, der sich meist | |
wöchentlich auf einem Plenum trifft. Zur Organisation der Proteste kommen | |
laut Mayer dann weitere hinzu. | |
Georg Kössler, Sprecher für Klimaschutz der Grünen-Fraktion im Berliner | |
Abgeordnetenhaus, widersprach dem Eindruck, dass FFF auf wenig Resonanz in | |
der Politik gestoßen ist. „Fridays for Future hat wahnsinnig geholfen“, | |
sagte er am Dienstag der taz. Grund dafür sei gewesen, dass Fridays for | |
Future eine breite überparteiliche Bewegung „von unten“ sei. „Da laufen | |
auch die Kinder von Politikern aus SPD und Linken mit, und sogar von | |
einigen Konservativen.“ Das habe viel bewirkt. | |
Kössler nannte zum Beispiel das Ausrufen der Klimanotlage in Berlin durch | |
den rot-rot-grünen Senat. „Das stand nicht im Koalitionsvertrag“, betonte | |
der Grünen-Politiker. | |
Er hofft auf weitere Maßnahmen, auf die sich die Koalition Anfang dieses | |
Jahres einigen könnte, etwa ein Verbot von innerdeutschen Dienstreisen mit | |
dem Flugzeug oder einer Pflicht für Solaranlagen auf Gebäudedächern. | |
Kössler gab aber zu, dass es auf Landesebene oft zu lange dauere, bis | |
konkrete Vorschläge umgesetzt werden können. | |
Was in Berlin klimapolitisch in dieser Legislatur noch möglich sein wird, | |
hängt von einem wichtigen Treffen der SPD ab, dem größten der drei | |
Koalitionspartner und in Klimafragen bisher eher zurückhaltend: Ihre | |
Fraktion trifft sich Ende Januar traditionell zu einer Klausur. Ein | |
inhaltlicher Schwerpunkt diesmal: Klimaschutz. | |
Kössler, selbst ein ehemaliger Klimaaktivist, der in die | |
institutionalisierte Politik gegangen ist, verfolgt die Entwicklung von FFF | |
und die Veränderung von deren Taktik „sehr interessiert“, wie er sagt. | |
Konkrete Proteste etwa gegen einzelne Unternehmen, wie am Freitag gegen | |
Siemens geplant, könnten eine Ergänzung sein zu den allgemeinen politischen | |
Forderungen von FFF. | |
7 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Streitgespraech-ueber-Klimaaktivismus/!5627732 | |
[2] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786 | |
[3] http://fridaysforfuture.de/siemens/ | |
[4] /Fridays-for-Future-in-Berlin/!5646829 | |
[5] /Beginn-der-weltweiten-Klimaproteste/!5645386 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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