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# taz.de -- Sozialbündnis stellt Forderungen: Mehr Würde für die Armen
> Hamburg könnte als Land auf Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger verzichten
> und mehr für diese Menschen tun, fordert die Gruppe „Hamburg traut sich
> was“.
Bild: Günstige Kleidung aus dem sozialen Kaufhaus: Für mehr reichen die Hartz…
Hamburg taz | „Eigentlich müssten sich die verantwortlichen Parteien
entschuldigen“, fordert Wolfgang Völker. Denn seit Einführung der
Hartz-IV-Gesetze vor 15 Jahren wurde mit den Ärmsten verfassungswidrig
verfahren. Regelmäßig, auch in Hamburg, wurden Bezieher von
Arbeitslosengeld II „sanktioniert“, indem man ihnen das Geld zum Leben ganz
oder teilweise sperrte. Erst Anfang November setzte das
[1][Bundesverfassungsgericht] dem eine Grenze.
Völker engagiert sich im Bündnis „[2][Hamburg traut sich was]“. Der Slogan
formuliert die Hoffnung, dass die Stadt Spielräume nutzt und würdiger mit
den Armen umgeht. Denn vollständig den monatlichen Lebensunterhalt von 424
Euro zu streichen, wie dies im April 2019 noch bei 173 Hamburgern geschah,
darf das Jobcenter seit dem Urteil nicht mehr. Aber Sanktionen bis zu 30
Prozent, was bisher etwa 4.000 Hamburgern widerfuhr, sind laut einer neuen
Weisung der Bundesagentur weiter möglich.
„Hamburg kann vollständig auf Sanktionen verzichten“, sagt Sozialexperte
Völker. Die Entscheidung des Gerichts weise auf Spielräume hin. Zum
Beispiel könnte das Jobcenter nur noch einvernehmlich mit den Menschen
sogenannte Eingliederungsvereinbarungen treffen, und nicht mehr jeden noch
so schlecht bezahlten Job als zumutbar einstufen.
So ein Sanktionsverzicht würde auch der Ankündigung von SPD-Interims-Chefin
Malu Dreyer beim Parteitag im Dezember entsprechen, die sagte: „Wir wollen
Hartz IV hinter uns lassen.“ Denn die Sanktionen machten die Behörde zur
mächtigen Obrigkeit und die Betroffenen zu Bürgern zweiter Klasse.
Das Bündnis legte nun SPD, Grünen, FDP, Linken und CDU anlässlich der Wahl
13 Prüfsteine vor. Etwa die Frage, ob die Parteien dafür sorgen, dass
Hamburgs Jobcenter „künftig keine Sanktionen verhängen“.
Die Antworten sind verhalten. Die CDU verweist auf die Bundesebene. Die SPD
kann sich ein System ohne Strafen offenbar nicht vorstellen, schreibt, das
Gericht habe „nicht verlangt, auf Sanktionen ganz zu verzichten“. Und die
Grünen erklären, auf die Sanktionsregeln habe die Stadt „politisch nur
begrenzt Zugriff“. Einzig die Linke fordert, die Stadt solle „offensiv alle
Spielräume nutzen“. Die FDP indes betont die Notwendigkeit von Sanktionen.
Möglich wäre laut dem Bündnis, dem etwa zwölf Aktive und diverse Verbände
angehören, auch ein Verzicht Hamburgs auf kontrollierende Hausbesuche durch
Jobcenter, wie es sie allein im Jahr 2018 6.714 Mal gab. Hier stimmt nur
die Linke zu. Denn Hausbesuche seien Eingriffe in die Privatsphäre. Alle
übrigen Parteien wollen im Einzelfall daran festhalten.
Das Bündnis fragte auch, ob denn die 809 Euro für die Erstausstattung für
Wohnung und Bekleidung angehoben werden müssten, habe man die Summe doch
seit 2000 nicht angepasst.
Hier sind die Grünen dafür. Die Sätze seien vor allem mit Blick auf
Nachhaltigkeit zu niedrig. Denn es nütze wenig, wenn nur die billigsten
Dinge gekauft würden, die nach kurzer Lebensdauer ersetzt werden müssten.
Die SPD nennt die Sätze „weiterhin bedarfsdeckend“, die Linke würde sie ad
hoc verdoppeln.
## Rot-Rot-Grün wäre am sozialsten
Gefragt wurde auch nach einem Sozialticket für den HVV, wie es Hamburg bis
2003 schon mal hatte. Hier verspricht die Linke kostenlosen öffentlichen
Nahverkehr für Arme. Auch die CDU mit ihrem 365-Euro-Jahres-Ticket ist noch
ganz günstig dabei. Die übrigen Parteien wollen vor allem der Jugend die
Fahrkarten vergünstigen.
Das Bündnis fordert eine unabhängige Ombudsstelle, an die sich Betroffene
mit Jobcenter-Sorgen wenden können. Da sind fast alle Parteien dafür, dies
zumindest zu prüfen, lediglich die FDP nicht.
Die beste Sozialpolitik, so Völkers Fazit, gebe es wohl mit Rot-Rot-Grün,
so wie es Bremen vormacht. Die seit Kurzem diskutierte
Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP sei sozialpolitisch „eher keine
gute Idee“. Das Bündnis werde nach der Wahl die neuen Regierungsparteien
einladen, um über die Forderungen zu sprechen.
17 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/20…
[2] http://hamburgtrautsichwas.de/
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
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