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# taz.de -- Kroatiens EU-Ratspräsidentschaft: Vorsitz ohne sprudelnde Ideen
> Kroatien übernimmt nun die EU-Ratspräsidentschaft. Das Land hat sich
> längst von den europäischen Werten entfernt. Ob neue Impulse kommen?
Bild: Nach Macrons „Non“: Kroatiens Regierungschef Plenković will die EU-S…
SPLIT taz | Als Kroatien im Juli 2013 als jüngster Neuzugang der EU
beitrat, stand die kritische Frage im Raum, welche Ideen und Impulse das
Land in die Union einbringen könnte. Mit der am 1. Januar 2020 erfolgten
Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft stellt man sich diese Frage noch
immer. Kroatien hat sich in den letzten Jahren im Gegensatz zu anderen
kleinen Ländern wie Estland nicht als Ideengeber oder gar als treibende
Kraft profiliert.
Im Land selbst war die Popularität der EU-Mitgliedschaft vor allem in den
ersten Jahren nach dem Beitritt sogar gesunken. Denn die kroatische
Bevölkerung hatte mit dem Eintritt in die EU erwartet, dass die
Lebensverhältnisse sich schlagartig denen in den westeuropäischen Ländern
angleichen würden.
Als Honig und Milch nicht sofort flossen, war die Enttäuschung groß. Dieser
Umstand erklärt teilweise den politischen Rechtsruck im Land. Noch vor
einem Jahr stand die Frage im Raum, ob Kroatien in Victor Orbáns Ungarn
sein Vorbild sieht oder sich doch noch für die westlichen, liberalen
Demokratien entscheidet.
Immerhin hat die politische Führung unter Premierminister Andrej Plenković
nach den Besuchen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und der damaligen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Vorfeld der Europawahlen im
Mai 2019 den Richtungskampf entschieden und sich an Deutschland orientiert.
Plenkovićs Kurs hat seine konservative Partei, die Kroatische Demokratische
Gemeinschaft (HDZ), seither jedoch in eine Zerreißprobe geführt.
## Flirt mit den kroatischen Rechten
Die jetzige, [1][am 5. Januar in einer Stichwahl für das Präsidentenamt
stehende], Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović dagegen lobte Orbán, zeigte
sich mit dem rechtsradikalen Sänger Marko Perović der Band Thompson,
duldete den kroatischen Hitler-Gruß „Za dom spremni“ (für die Heimat
bereit) und erklärte kurzerhand einen Teil des bosnischen Staatsgebietes
als kroatisches Land.
Grabar-Kitarović rechtfertigte sogar brutale Polizeiübergriffe auf
Migranten. Aber nicht einmal ihre radikale Rhetorik reichte aus, die
Rechtsradikalen zu isolieren – ihr rechter Gegenkandidat bei den
Präsidentschaftswahlen erreichte als Dritter immerhin rund 24 Prozent der
Stimmen, nur zwei Prozent weniger als sie.
Die kroatische Gesellschaft ist nach rechts gerückt und kümmert sich wenig
um europäische Werte. Menschenrechte werden von den Rechtsaußen und sogar
der katholischen Kirche bekämpft, die sich vehement gegen das
Istanbul-Abkommen zum Schutz von Frauen eingesetzt hat. Für viele ihrer
Bischöfe und Priester ist die „von Europa propagierte“ Verbesserung von
Rechten der sexuellen Minderheiten höchst verwerflich.
Premierminister Plenković versucht mit seinem Kurs die Wogen zu glätten.
Deutsche Berater werden die kroatischen Diplomaten in den nächsten Monaten
in Brüssel unterstützen. Plenković will Hoffnungen auf einen
Wirtschaftsaufschwung wecken und damit seine Position festigen. In den
letzten Jahren ist es ihm gelungen, die Arbeitslosenrate von 20 auf acht
Prozent zu senken. Der Tourismus boomt und überdeckt die strukturellen
Schwächen der unproduktiven kroatischen Wirtschaft.
## Hoffentlich mehr Geld
Da Kroatien nun mit der Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr auch die
Finanzplanung der nächsten Jahre mit beeinflussen kann, erhoffen sich
kroatische Experten einen erheblichen Zuwachs an Finanz- und Strukturhilfen
aus der EU. Im Gegenzug will Kroatien die Südost-Erweiterung der EU
befördern.
Nach dem „Non“ des französischen Präsidenten Emmanuel Macron,
[2][Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien zu beginnen],
hofft Plenković nun, dass der für Mai 2020 geplante EU-Westbalkan-Gipfel in
Zagreb die Blockade beenden könnte. Neue Ideen und Impulse für den
europäischen Prozess jedoch sind von Kroatien nicht zu erwarten.
1 Jan 2020
## LINKS
[1] /Wahl-in-Kroatien/!5652144
[2] /EU-Osterweiterung/!5630310
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kroatien
EU-Osterweiterung
Europäische Union
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