# taz.de -- Wahl in Kroatien: Milanović setzt sich durch | |
> In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl landet ein Sozialdemokrat | |
> vorn. Sollte er sich in der Stichwahl durchsetzen, könnte Brüssel | |
> aufatmen. | |
Bild: Hat gewonnen, ist aber mitschuldig am Niedergang der Sozialdemokratie: Zo… | |
Split taz | Ein glückliches Gesicht machte der Sieger der ersten Runde der | |
Präsidentschaftswahl in Kroatien nicht. Trotz der 30 Prozent, die der | |
53-jährige Zoran Milanović am Sonntag in der ersten Runde holte, war die | |
Stimmung auf der Wahlparty der sozialdemokratischen SDP gedämpft. | |
Denn wenn es am 5. Januar zur Stichwahl kommt, wird die bisherige | |
Amtsinhaberin Kolinda Grabar-Kitarović (27 Prozent) wohl die Stimmen des | |
rechtsextremen Miroslav Škoro (24 Prozent) abgreifen können. Davon gehen | |
alle Beobachter aus. | |
Doch Milanović will kämpfen. Der Jurist und Spezialist für Europarecht aus | |
Zagreb hat mit dem Ergebnis vom Sonntag gezeigt, dass er überraschen kann. | |
Kaum jemand hatte ihn vor der Wahl auf Platz eins gesehen. | |
Nach der Parlamentswahl 2011 war der Vorsitzende der kroatischen | |
Sozialdemokraten zum Ministerpräsidenten gewählt worden, er verlor aber die | |
Wahl 2016 – und das, obwohl es ihm, dem Europarechtler, gelungen war, | |
Kroatien 2012 in die EU zu führen. Damit wurde ein Prozess abgeschlossen, | |
der von der kroatischen Linken seit dem Jahr 2000 gegen konservative | |
Widerstände durchgesetzt worden war. | |
Aber seit dem Eintritt in die EU hat sich Kroatien gewandelt. Das Land ist | |
nach rechts gerückt, so als wollten die Kroaten sagen: Wir haben uns lange | |
genug verstellt und alles getan, um euch in Brüssel zufrieden zu stellen, | |
aber jetzt sind wir drin und brauchen keine Rücksicht mehr nehmen. | |
## Zerfall der Werftindustrie | |
Der Niedergang der Sozialdemokratie, der sich in der Wahlniederlage 2016 | |
manifestierte, hat jedoch auch mit anderen Dingen zu tun. Und die hat | |
Milanović mit zu verantworten. Es hätte ihm klar sein müssen, dass der | |
Staat den Zerfall der einstmals stolzen Werftindustrie nicht durch | |
langfristige Subventionen aufhalten kann. | |
Auch in den [1][Skandal um Agrokor], den mit fast 80.000 Beschäftigten | |
größten Agrarkonzern des Landes, sind die Sozialdemokraten verwickelt. Es | |
waren zwar Akteure der konservativen Regierungspartei HDZ, die vor allem | |
ihre Finger im schmutzigen Spiel der Korruption und des Subventionsbetrugs | |
hatten. Aber die Sozialdemokraten und Milanović haben nicht energisch genug | |
versucht, das Steuer herumzureißen. | |
Unter dem Strich bleibt, dass sich die alten Industrien in Kroatien im | |
Niedergang befinden und damit auch die klassische Arbeiterklasse in ihrem | |
Bestand gefährdet ist. Ohnehin ist es den Sozialdemokraten in Kroatien seit | |
Jahrzehnten nicht mehr gelungen, Fürsprecher der „Beleidigten und | |
Erniedrigten“ zu sein. | |
## SDP erreicht die jungen Wähler kaum | |
Milanović wird von linken Kritikern auch vorgeworfen, sich auf bürgerliche | |
Wähler im Großraum Zagreb, Split und in anderen Städten verlassen zu haben. | |
Diese Wähler sind zwar politisch bewusste Menschen, die in der Tradition | |
des Widerstands gegen den Ustascha-Staat im Zweiten Weltkrieg stehen. Doch | |
diese der SDP treue Generation stirbt aus. | |
Junge Wähler haben die Sozialdemokraten bisher kaum für sich gewinnen | |
können, auch wenn Milanović es in diesem Wahlkampf versucht hat. Immerhin | |
hat er 30 Prozent der Stimmen geholt. Vielleicht erkennen mehr junge Wähler | |
als zuvor, dass der Faschistengruß „Für die Heimat bereit“ Kroatiens Weg … | |
die Moderne behindert. | |
Milanović wäre sicherlich für Brüssel und auch für Berlin der angenehmere | |
Präsident des Landes, das ab dem 1. Januar 2020 die Präsidentschaft der EU | |
übernimmt. | |
23 Dec 2019 | |
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[1] /Nationalismus-in-Kroatien/!5456577 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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